Gudym – das geheime Nuklearlager | Polarjournal

Unter der Vielzahl von verlassenen Militärbasen in der ehemaligen Sowjetunion war Gudym, möglicherweise die unheimlichste und geheimste Einrichtung. Gelagert waren während des kalten Krieges Atomsprengköpfe und Raketen. Die Anlage liegt über die Beringstrasse nur wenige Kilometer vom ehemaligen Feind – den Vereinigten Staaten von Amerika entfernt.

Strategisch zwischen zwei Bergzügen gegen Angriffe gut gelegen. Die Tunnelsysteme befanden sich im Bergzug am unteren Bildrand. (Foto: Heiner Kubny)

Gudym war ein Teil des sowjetischen Nuklearschirms, es wurde auf Erlass von Nikita Chruschtschow errichtet, der einst den USA drohte: «In Tschukotka haben wir auch Raketen!» Tatsächlich wurden im Berg beim Dorf Gudym Raketen und Kernsprengköpfe aufbewahrt. Seit 1986, nach der Ratifizierung des Vertrages über die Vernichtung der Raketen mit mittlerer und kürzerer Reichweite durch die UdSSR und die USA, begann man die Kernwaffen aus dem Objekt zu entfernen. Unterirdische Räume benutzte man dann als Lager der Anadyr-Garnison. In den 1990er Jahren wurde das Objekt endgültig aufgelöst. Das Militär verliess Gudym im Sommer 2002.

Heute ist es nur noch die «Stadt ohne Namen», welche in der Nähe von Anadyr in einem Tal zwischen Hügeln liegt. Die Einheimischen wussten dazumal, dass einige militärische Anlagen gebaut wurden, hatten keine Ahnung über die Brisanz der Atomlager. Für das Militärpersonal wurde im Tal eine Siedlung für ca. 5000 Personen, meist Offiziersfamilien aufgebaut. Es wurden überdurchschnittliche Gehälter und Zulagen bezahlt. Für die Einwohner von Gudym gab es eigene Lebensmittellager und Lieferengpässe wie dazumal in Russland üblich kannte man hier nicht.

Gut versteckt liegt oberhalb des Verwaltungsortes von Gudym einer der Eingänge zum Tunnelsystem. (Foto: Alexander Belenkiy)

Die eigentlichen Atomsprengköpfe und Raketen wurden in kilometerlangen Tunnels gelagert und waren gegen feindliche Atomangriffe komplett geschützt. Der Güterverkehr durch die kilometerlangen Gänge wurde von Elektromobilen durchgeführt. Die Anlage hatte zwei Haupteingänge und mehrere versteckte Nebenausgänge. Angeblich sollen zeitweise 3-4 «RSD-10 Pioner» Atomraketen mit einer Reichweite von 5‘400 Kilometer in Gudym stationiert gewesen sein.

Meterdicke Rolltore schützten die gelagerten Atomsprengköpfe und Raketen. (Foto: Heiner Kubny)

Die ehemalige Sowjetunion steht im Verdacht, mindestens 15 geheime Städte unterhalten zu haben. Diese «geschlossenen Städte» sind offiziell von der Regierung eingestuft worden, hatten für die Öffentlichkeit keine Namen und die Orte erschienen auf keiner Landkarte. Zudem gab es keine Verkehrsschilder welche auf die Militäranlagen hindeuteten und Besuche von Ausländern waren streng verboten. Das in den geheimen Städten lebende Militär wurde von der umliegenden Bevölkerung komplett abgeschirmt, zu gross war die Angst entdeckt zu werden.

Die Tunnels zu den Lagerstätten der Sprengköpfe und Raketen waren mehrere Kilometer lang. (Foto: Alexander Belenkiy)

Ursprünglich wurde die Atomanlage Anadyr-1 genannt, aber zu Ehren des Bauingenieurs Colonel Gudymov erlangte sie den Namen Gudym. Der Ort ist überwuchert mit verschiedenen Legenden: eine davon besagt, dass Colonel Gudymov unter mysteriösen Umständen Selbstmord beging, nachdem er aus den USA ein anonymes Telegramm erhielt, welches ihm herzlich zum erfolgreichen Aufbau der geheimen Militärbasis gratulierte! Eine andere Legende besagt, dass Dokumente aus der NS-Zeit hier gelagert wurden.

Heiner Kubny, PolarJournal

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