Unter dem arktischen Meeresboden brodelt es | Polarjournal
Permafrostbohrkern: Der unter dem westlichen Laptevmeer gewonnene Permafrost weist typische Eis- und Sandschichten auf, die sich an Land gebildet haben. (Foto, Volker Rachold)

Permafrost ist unter dem arktischen Meeresboden weiterverbreitet als bisher angenommen und taut zunehmend, wie eine neue Studie zeigt. Das Schicksal des Permafrost – Boden, der mindestens zwei Jahre lang ununterbrochen gefroren bleibt – ist für das globale Klima von enormer Bedeutung. Der Grund: Die großen Mengen an organischen Kohlenstoff, die Permafrostböden speichern und die in die Atmosphäre freigesetzt werden können, wenn diese auftauen.

Der Bohrer (links) und das Quartier (rechts) auf dem Meereis während einer gemeinsamen russisch-deutschen Permafrost-Bohr-Kampagne. Methan, das an dieser Stelle aus dem Auftauen von Permafrost freigesetzt wurde, wurde von Bakterien in Kohlendioxid umgewandelt, bevor es den Meeresboden erreichte. (Foto, M. N. Grigoriev)

Obwohl die Verteilung des terrestrischen Permafrostes bereits gut kartiert ist, wissen wir immer noch sehr wenig über die Verteilung, Tiefe und Verhalten des Permafrostes, der sich unter dem arktischen Meeresboden befindet – des submarinen Permafrostes.  

Wissenschaftler haben jetzt erstmalig die Verteilung des submarinen Permafrostes unter dem gesamten arktischen Meeresboden modelliert. Veröffentlicht in der Ausgabe (April 2019) der Fachzeitschrift Journal of Geophysical Research: Oceans, zeigen ihre Ergebnisse, dass submariner Permafrost weiterverbreitet ist als bisher angenommen, und dass er fast überall schrumpft.  

Diese Erkenntnisse sind wertvoll, denn Wissen über die Gesamtmenge an submarinen Permafrost ist ein wichtiger erster Schritt, um prognostizieren zu können, wie viel Methan und Kohlendioxid von unterhalb des arktischen Meeresbodens aus in die Atmosphäre freigesetzt werden.

Ein Blick auf den Arktischen Ozean zeigt die Land- und Wassertiefe. Das Modell berechnet, wie viel Eis im Sediment unter dem Meeresboden verbleibt. (Foto, Paul Overduin)

„Wenn das Meereis schmilzt und die Temperatur der arktischen Wassersäule steigt, wird ein Teil dieser Wärme auf den Meeresboden übertragen, wo sie das Auftauen des submarinen Permafrosts beschleunigt. Somit wächst auch die Wahrscheinlichkeit, dass Methan, ein sehr wirksames Treibhausgas, freigesetzt wird. Es ist daher sehr wichtig, dass wir besser verstehen, wo submariner Permafrost vorkommt und inwieweit er durch diese Wärme gefährdet ist“, sagt Dr. Paul Overduin, Leitautor der Studie und Wissenschaftler am AWI.

Seit der letzten Eiszeit ist der Meeresspiegel um zirka 120 Meter gestiegen und hat dabei große Landstrecken bedeckt, die gefroren waren. Es wird angenommen, dass submariner Permafrost meist ein Überbleibsel terrestrischen Permafrostes ist, der sich nun unter dem Arktischen Ozean befindet. Bisher haben Wissenschaftler globale Meerespegel rekonstruiert und die Unterwassertopographie der Ozeane modelliert, um zu prognostizieren, wo sich submariner Permafrost befindet. Schiffsbeobachtungen haben auch hilfreiche Daten geliefert, aber lediglich für einige Bereiche der Arktis. 

Anhand modellierter Temperaturen unter dem Meeresboden kann man abschätzen, wie dick der Permafrost um den Arktischen Ozean ist. Die hellblaue Linie zeigt die vorher angenommene Verteilung des möglichen submarinen Permafrosts. Der farbige Bereich zeigt, wie tief der Permafrost unter dem Meeresboden ist. (Foto, Paul Overduin)

Paul Overduin und seine Kollegen haben diesen Ansatz ‚getunt’, in dem sie ihn mit einem Wärmeflussmodell kombinierten. Zuerst haben sie modelliert, wie der arktische Meeresspiegel gestiegen und gefallen ist, und zwar über hunderttausende von Jahren. Das Modell zeigt: Wo das Land durch niedrige Meeresspiegel einem kalten Klima ausgesetzt war, hat sich Permafrost gebildet. Hohe Meeresspiegel, wie wir sie heute kennen, haben das Land überflutet und den submarinen Permafrost erschaffen. Um festzustellen, wie der submarine Permafrost sich mit der Zeit verändert hat, haben die Experten dann ein einfaches mathematisches Modell verwendet, um den Wärmefluss vom Ozean in den Meeresoden zu verfolgen und somit zu verstehen, wie schnell der Permafrost taut, wenn er vom Seewasser bedeckt ist.  

Darüber hinaus hat das Team die Modellergebnisse mit den Ergebnissen der wenigen verfügbaren seismischen Vermessungen und Kernproben von der Karasee und Beaufortsee verglichen, dabei konnten sie eine gute Übereinstimmung feststellen. Ihren Daten zufolge befindet sich Permafrost unter etwa 2,5 Millionen Quadratkilometern des arktischen Meeresbodens (eine Fläche halb so groß wie die Europäische Union), mehr als in früheren Schätzungen. Ferner haben sie festgestellt, dass der submarine Permafrost immer wärmer wird und das Eis, den er beinhaltet, taut. Was das Team am meisten überrascht hat: 97% des submarinen Permafrostes schrumpft bereits. Somit wird dieser Permafrost fast sicherlich endgültig verschwinden, wenn die arktischen Seen wärmer werden. Mehr als 80% des submarinen Permafrostes befindet sich in den sibirischen Seen der Arktis, welche mit einer Durchschnittstiefe von 100 Metern relativ seicht sind.

Die eisreichen, 25 m hohen Küstenklippen am Cape Mammoth Tusk in der westlichen Laptev-See erodieren mit einer Geschwindigkeit von etwa 5 m pro Jahr und tauchen den Permafrost unter den Ozean. Offshore-Bohrlöcher an dieser Stelle zeigten, wie das Überfluten mit Meerwasser durch Erwärmung und Salzwasserinfiltration zum Auftauen des Permafrosts führt. Während des Bohrens trat brennbares Gas aus, das in nicht gefrorenen Schichten eingeschlossen war. (Foto, H.-W. Hubberten)

Die Arbeit des Teams könnte dabei helfen, Antworten auf wichtige Fragen zu finden, beispielsweise darüber, welchen Anteil der globalen Treibhausgasemissionen die Arktis beiträgt. „Die große Frage, die uns alle beschäftigt, ist, wie diese Erwärmung des marinen Permafrostes und sein Schwinden sich auf die Methanemissionen auswirken werden. Unsere Arbeit liefert eine Bestandsaufnahme, damit Emissionen für verschiedene Erwärmungsszenarien nun modelliert werden können,“ fasst (Sebastian Westermann, University of Oslo), einer der Coautoren der Studie, zusammen.

Quelle: AWI Bremerhaven, Dr. Paul Overduin

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