Weddellrobben und Adéliepinguine sind häufig an derselben Stelle entlang der antarktischen Küste zu finden. Beobachtet man die Pinguine während dieser Zeit, scheinen die Tiere von den Robben kaum Notiz zu nehmen. Doch das Nebeneinander ist wahrscheinlich nicht so harmonisch wie man denkt. Koreanische Forscher konnten im Rossmeer in der Nähe einer Brutkolonie beobachten, wie Weddellrobben tatsächlich Jagd auf junge Adéliepinguine machten, und zwar erfolgreich.
Die Forscher waren dabei, die Adéliepinguin-Kolonie auf Inexpressible Island im Rossmeer, nahe der italienischen Terra Nova Station und der koreanischen Jang Bogo Station, zu untersuchen und eine Bestandesaufnahme zu erstellen. Schon mehrfach hatten die Forscher dabei See-Leoparden und Weddellrobben nahe der Eiskante und der Küste beobachtet, wie sie patrouillierten. Doch Angriffe hatten sie bis dahin nur von Seeleoparden notiert. Plötzlich schossen aber zwei Weddellrobben auf junge Adéliepinguine zu, die gerade ins Wasser gesprungen waren, und attackierten je einen Pinguin. Nachdem die erfolgreich ihre Beute erwischt hatten, konnten die Wissenschaftler beobachten, wie eine Robbe begann, den Pinguin wiederholt auf die Wasseroberfläche zu schlagen und herumzuschleudern. Won Young Lee, der Hauptautor der Arbeit, schrieb: « Nach dem Angriff schlug die Weddellrobbe wiederholt mit dem Pinguin auf die Wasseroberfläche und zerlegten den Körper in einer Art, wie es Seeleoparden tun, wenn sie auf der Jagd sind.» Nach 30 Minuten war die ganze Szene vorbei und die Robben jagten nochmals, wieder erfolgreich. Andere Pinguine konnten sich gleichzeitig auf das Meereis retten. Insgesamt vier Pinguine fielen den beiden Robben in der kurzen Zeit der Beobachtung zum Opfer.
Es war bisher zwar bekannt, dass Weddellrobben, die eigentlich Fischjäger sind, auch hin und wieder Pinguinarten wie Esels- und Zügelpinguine jagen. Doch die Jagd auf die echten antarktischen Pinguinarten, den Adélie- und den Kaiserpinguin, war nur als Anekdote bekannt, ein echter wissenschaftlicher Nachweis fehlte. Die Forscher vermuten, dass vor allem junge, unerfahrene und Pinguine kurz nach dem Federwechsel, bei den Weddellrobben auf dem Speiseplan stehen. Die könnte auch erklären, warum die Robben häufig in der Nähe von Adéliepinguinkolonien zu finden sind. Spannend dabei ist, dass das Gebiss von Weddellrobben mehr zur Jagd auf Fische konzipiert schien, im Gegensatz zu demjenigen von Seeleoparden, welches vor allem auf Pinguine und Krill ausgelegt ist.
Weddellrobben sind die am südlichsten lebende Säugerart und die zweit- oder drittgrösste Robbenart der Antarktis, je nachdem, ob man Südliche See-Elefanten als antarktische Robbenart zählt. Sie sind eigentlich Einzelgänger, die aber immer wieder auch in der Nähe zueinander gefunden werden. Normalerweise jagen sie grosse Fische in den tiefen Gebieten entlang der antarktischen Küste. Adéliepinguine sind neben den Kaiserpinguinen die echten antarktischen Pinguine und sind die am südlichsten brütende Pinguinart. Sie brüten auch auf dem antarktischen Kontinent und bauen Steinnester, in denen sie zwei Eier legen. In guten Jahren können beide Jungtiere überleben. Die grössten Feinde der Adélies sind (neben der Weddellrobbe) Seeleoparden und Orcas.
Quelle: Lee et al (2019) Polar Biology, EPub