Mit neuen Sonden dem Abschmelzen des Ross-Eisschelfs auf der Spur | Polarjournal

Das Ross-Eisschelf im Osten Antarktikas ist das grösste Eisschelf der Welt. Auch hier befürchten Forscher ein erhöhtes Abschmelzen wie an anderen Eisschelfs Antarktikas. Ein internationales Wissenschaftsteam hat nun durch den Einsatz von neuen Sonden sowohl im Wasser wie aus der Luft Details entdeckt, dass neben lokalen Bedingungen auch wärmeres, weniger salzhaltiges Meerwasser aus der benachbarten Amundsensee Bedingungen schafft, die den Schmelzvorgang beschleunigen und damit noch mehr Süsswasser freisetzen könnte.

Das im Rossmeer gelegene Eisschelf mit seinen 480,000 Quadratkilometer ist das grösste Eisschelf der Welt und wird von verschiedenen Gletschern der Ostantarktis gespiesen. Mit seiner Masse wirkt das Schelf wie ein Korken in einer Champagnerflasche und verhindert ein unkontrolliertes Abfliessen der Gletscher, die wiederum für einen signifikanten Anstieg des Meeresspiegels verantwortlich wären. Daher kommt dem Eisschelf eine markante Bedeutung zu. Doch das Eisschelf ist, wie die meisten in der Antarktis, gefährdet und wird zunehmend dünner. Schuld daran ist wärmeres Oberflächenwasser, dass die Kanten und den unteren Bereich des Eises umspült und abschmilzt. Anders als in weiten Teilen der Antarktis sind jedoch vor allem lokale Wassermassen an dem Vorgang beteiligt. Dave Porter vom Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia Universität und Hauptautor der Studie meint dazu: «Die sich veränderten Schmelzraten am Ross-Eisschelf werden hauptsächlich durch den lokalen Aufbau von Wärme an der Wasseroberfläche verursacht. Die Frage ist nun, was diktiert, wieviel Wärme im Sommer aufgebaut wird? Und die Antwort darauf lautet, dass es vor allem durch lokale Wetterprozesse entlang der Eisschelffront verursacht wird.»

Durch den kombinierten Einsatz von verankerten (APEX) und aus der Luft abgeworfenen (ALAMO) Messsonden konnten die Forscher Langzeitdaten aus verschiedenen Tiefen des Meeres entlang der Eisfront sammeln. Bild: Woods Hole Oceanographic Institute.
Das Video des SCRIPPS Instituts zeigt, wie eine ALAMO-Sonde ausgesetzt wird. Video: SCRIPPS Institute for Oceanography

Porter und das Team mussten für diese Resultate einen neuen Weg zur Gewinnung der notwendigen Daten (Temperatur, Salzgehalt, Tiefe, Strömung) sammeln. Üblicherweise werden zum einen nur im Sommer, wenn das Packeis verschwunden ist, Messfahrten unternommen; zum anderen werden Messsonden in Tiefen von 200 Metern und mehr verankert, um vor driftenden Eisbergen geschützt zu sein. Um die Löcher in dieser Art der Datengewinnung zu stopfen, verwendeten Porter und sein Team neben den verankerten Messsonden auch sogenannte Luft-gestützte Autonome Mikrobeobachter (ALAMO), die mit Fallschirmen von einem Flugzeug aus über dem Meer und nahe der Eisfront abgeworfen wurden. Diese Sonden sinken dann auf den Meeresgrund, messen dabei die geforderten Parameter und steigen dann wieder auf und messen diese Parameter wieder. An der Oberfläche funken sie die Daten via Satellit an die Forscher, bevor sie wieder absinken. Dieser Zyklus wird täglich wiederholt. Um einen Zusammenstoss mit Packeis oder Eisbergen zu verhindern, haben die Sonden ein Sonderprogramm in ihre Software eingebaut bekommen. Sollten Sensoren Eis entdecken, bleibt die Sonden unter Wasser, bis die Lage besser ist. Damit Tiefenströmungen die Sonden nicht wegtreiben, wurden sie ausserdem mit einer «Parkfunktion» versehen, die sie in bestimmten Tiefen und Positionen halten. Das Team verwendete insgesamt 13 Sonden (7 verankert, 6 aus der Luft), die zwischen 2013 und 2017 Daten lieferten.

Die Karte zeigt die Orte, an denen die Sonden entlang des Eisschelfs verwendet worden waren. Grau sind die verankerten Sonden, blau die ALAMO-Sonden. Die Sonden konnten immer wieder neu programmiert werden, um auf geänderte Bedingungen zu reagieren. Bild: Porter et al. (2019) J Geophy Res

Die Resultate der Arbeit zeigten, dass Sonnenlicht die Wasseroberfläche nach dem Verschwinden des Packeises schnell erwärmt. Ausserdem fanden sich grosse Mengen an Frischwasser von den Eisschelfs der angrenzenden Amundsensee. Dieses Wasser verändert die Durchmischung der Wärme an der Eisfront von der Oberfläche bis an die Basis des Schelfs. Diese Erkenntnis ist neu und wurde bisher in Modellen nicht beachtet. «Dieser neue Ansatz für die Datenerfassung von abgelegenen Kontinentalschelfs der Antarktis bietet eine neue Möglichkeit, die Zuverlässigkeit numerischer Modelle zu überprüfen, anhand derer wir nachvollziehen können, wie der Eispanzer Antarktikas auf künftige Veränderungen in den Ozeanen um den Kontinent reagiert», erklärt Mitautor Scott Springer. Auch das Einbauen lokaler Bedingungen als kleinräumliche Prozesse und die Betrachtung von Gebieten, die nicht so offensichtlich von den klimatischen Veränderungen betroffen sind, in die globalen Modelle zeigt sich anhand dieser neuen Studie. «Viele laufende Feldarbeiten fokussieren auf Teile Antarktikas, von denen wir wissen, dass sie sich verändern. Aber wir müssen auch Daten in Regionen sammeln, die sich (noch) nicht verändert haben, um zu verstehen, wie der Eispanzer als Ganzes funktioniert», erklärt Helen Amanda Fricker vom SCRIPPS der Universität von Kalifornien und Mitautorin. «Dies ist von entscheidender Bedeutung, da die Prognosen über den Beitrag der Antarktis zum Meeresspiegel in künftigen Klimazonen weiterhin sehr unterschiedlich sind», meint sie abschliessend. Da im Zuge der Klimaerwärmung in Zukunft die Sommer länger werden und das Packeis früher schmelzen, können diese Mengen an Wärme im Wasser sich als verheerend für die Schelf-Stabilität erweisen, lautet die Prognose der Wissenschaftler.

Durch das Abschmelzen der Eisschelfs in der Amundsensee gelangt nach Aussagen der Forscher vermutlich eine substantielle Menge an Frischwasser an die Eiskante des Ross-Eisschelfs und liefert seinen Beitrag zum verstärkten Schmelzen. Bild: Michael Wenger

Quelle: Earth Institute, Columbia University / Porter et al. (2019) J Geophys Res Oceans EPub

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