Anchorage ruft zivilen Notstand aus wegen staatlichen Sparmassnahmen | Polarjournal
Anchorage (C) Frank K. (Wikipedia)

Nach den turbulenten Ereignissen rund um die sehr drastischen Sparmassnahmen, die der Gouverneur von Alaska, Mike Dunleavy, mit seinen Vetos durchgesetzt hatte, mussten viele Organisationen und staatliche Einrichtungen nochmals massive Einschnitte akzeptieren. Dies hat nun den Bürgermeister von Anchorage, der grössten Stadt Alaskas, veranlasst, zivile Notstandsgesetze in Kraft zu setzen. Denn die Behörden der Stadt erwarten einen massiven Anstieg an Obdachlosen, Arbeitslosen und hilfsbedürftigen Familien und Personen. Doch wohin diese Leute gehen sollen, welche Massnahmen ergriffen werden sollen und woher das Geld für diese Massnahmen kommen soll, werden im Moment noch debattiert.

Der Bürgermeister Ethan Berkowitz hatte gestern vor den Medien die Kürzungen indirekt kritisiert und erklärte, dass dadurch Leistungseinbussen zu erwarten sind, die «eine beispiellose Krise der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit» auslösen werde. Daher rief er den zivilen Notstand aus und erklärte, dass die Stadt damit grössere Flexibilität in den Vorbereitungen für die Konsequenzen der massiven Budgetstreichungen haben werde. Diese Konsequenzen bezeichnete er als «schwerwiegende und sofortige Risiken der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit». In seiner Erklärung sagte Berkowitz, dass jetzt noch mehr schutzbedürftige Leute auf der Strasse landen werden und die Beamten eine «beispiellose Nachfrage» an Dienstleistungen von Notfallhelfern erwarten werden. Gegen 800 weitere Obdachlose zu den bereits knapp 1,100 erwarten die Behörden. Dies sind vor allem Schutzbedürftige, Familien und alte Leute, die durch die Kürzungen ihre Zuhause verlieren werden. Da auch viele Schutzstellen, Heime und Auffangstationen durch die Kürzungen ihre Budgets stark reduzieren müssen, werden diese ihre Arbeiten zumindest reduzieren oder temporär einstellen müssen. Wie all den Obdachlosen Schutz gewährt werden soll, ist noch nicht klar. Für Lisa Aquino, die Leiterin der Katholischen Sozialstelle, ist die Idee, eine Lotterie für die verfügbaren Betten durchzuführen, eine furchtbare Idee, sieht aber auch keine bessere und gerechtere Lösung des Problems.

Der demokratische Bürgermeister Ethan Berkowitz erklärte in einer Ansprache, warum er den zivilen Notstand ausruft und kritisiert Gouverneur Dunleavy für seine Entscheidung, diese massiven Sparmassnahmen durchzusetzen ohne Rücksicht auf Verluste. Bild: Staff Sgt. William Banton USAF, Wiki Commons CC BY-SA 3.0

Gemäss offiziellen Stellen werden auch rund 700 Personen ihre Arbeit aufgrund der Kürzungen verlieren, die der Universität auferlegt worden sind. Die Universität von Alaska muss allein über 40% der zusätzlichen Sparmassnahmen in Höhe von US$ 444 Millionen tragen. Seit vergangenen Freitag haben die verantwortlichen Stellen der Universität darüber beraten, wie in dieser Situation weitergemacht werden soll. Auch der Stadtrat von Anchorage ist noch dabei zu entscheiden, wie die Notstandserklärung umgesetzt werden soll. Dabei stehen vier Möglichkeiten zur Auswahl: Umverteilung von Finanzmittel an lokale Dienstleister, Einrichtung von provisorischen Auffangstationen, Suche nach anderen Einrichtungen zur vorübergehenden Unterbringung oder gar nichts zu tun. Die Notstandserklärung selbst ist bis kommenden Freitag nachmittag 15 Uhr in Kraft und der Stadtrat hat die Hoffnung, dass bis dahin eine Lösung gefunden werden kann. Weiterhin offen bleibt auch, woher das Geld für die Umsetzung der in der Notstandserklärung ausgewiesenen Massnahmen kommen soll. Zumindest hat die Gemeinde die Möglichkeit, eigene finanzielle Mittel anzugreifen, ohne staatliche Zustimmung. Doch gemäss Bürgermeister Berkowitz steht auch die Möglichkeit im Raum, bundesstaatliche Mittel aus dem Katastrophenfonds zu beantragen, gemäss Berkowitz. «Es ist schon ironisch, dass der Staat diese Katastrophe verursacht hat und wir nun seine Hilfe beantragen», sagt Berkowitz. Die Gemeinde hat mit der United Way of Anchorage, eine Gemeinnützige Einrichtung, beschlossen, ein Online-Portal zu erstellen, wo Menschen Spenden für die von den Sparmassnahmen betroffenen Organisationen abgeben können.

Der republikanische Gouverneur Mike Dunleavy, der erst im vergangenen Herbst in sein Amt gewählt wurde, hatte in einer sehr überraschenden Aktion vom Parlament eine weitere Kürzung des neuen Budgets um US$ 444 Millionen verlangt. Bild: Alaska Governor’s Office

Zur Erinnerung: Der Gouverneur hatte ein neues Budget mit Sparmassnahmen im Umfang von US$ 444 Millionen durchgesetzt, trotz dem Widerstand der Mehrheit des Parlaments. Doch ein Abblockversuch misslang und die Sparmassnahmen werden in Kraft treten. Davon betroffen werden vor allem die Universität von Alaska, verschiedene staatliche Einrichtungen im öffentlichen Dienst und soziale Hilfsorganisationen. Obwohl das Originalbudget bereits geforderte Einsparungen vorgesehen hatte, wollte Gouverneur Dunleavy noch mehr. Er begründete seine Sparaktion mit dem Beibehalten der US$ 3,000 pro Einwohner aus dem Alaska Permanent Fund, statt die vom Parlament vorgeschlagenen US$ 1,600 pro Einwohner und ohne massive Kürzungen der Hilfsleistungen.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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