Der antarktische Krill Euphausia superba nimmt im antarktischen Ökosystem eine Schlüsselrolle ein, da sich die meisten Tierarten des Südpolarmeeres von ihm ernähren. Daher ist ein Verständnis für dessen Verteilung und seines komplexen Lebenszyklus unabdingbar, um unsere Erkenntnisse der antarktischen Ökologie zu vertiefen. Nun haben britische Forscher herausgefunden, dass sich Krill im Laufe seines Lebens in verschiedenen Regionen aufhalten muss für eine gesunde Entwicklung. Dabei spielt die antarktische Halbinsel eine wichtige Rolle als Kinderstube. Die Resultate der Arbeit sind diese Woche in der Fachzeitschrift PLOS One erschienen.
Viele Aspekte im Leben des nur maximal 6 Zentimeter grossen Krebstieres sind der Wissenschaft immer noch nicht ganz klar. Dies, obwohl Euphausia superba zu den am meisten untersuchten Tieren der Antarktis gehört. Dies hängt zu einem nicht unwesentlichen Teil mit seinem Lebensraum, dem Südpolarmeer und seinen schwierigen Wetterbedingungen zusammen. Aber auch die Tatsache, dass Krill nicht überall gleichstark verteilt ist, spielt eine wichtige Rolle. Bisher war bekannt, dass die Region der antarktischen Halbinsel eine der «Hot Spots» für Krill darstellt. Ein Team aus Wissenschaftler des Plymouth Marine Laboratory PML, des British Antarctic Survey BAS, der Universität Southhampton UNS und des britischen National Oceanography Centre NOC untersuchten die Verteilung von Krill in seinen verschiedenen Lebensphasen, von der Larve bis zum Erwachsenen. Dazu sammelten sie die Daten von tausenden von Netzfängen der Krillfischerei aus den vergangenen 41 Jahren und extrahierten daraus die Daten über Krill-Larven. Diese Daten kombinierten sie mit zwei weiteren Datensätzen über Krill in späteren Stadien und erstellten so zum ersten Mal Verteilungskarten von Krill aus allen Lebensphasen.
Die Resultate der Forscher zeigen, dass erwachsener Krill insgesamt ein viel breitgestreuteres Verbreitungsgebiet hat, wogegen die Eier in nur einem sehr kleinen Gebiet vorkommen, vor allem in den flacheren Gewässern der antarktischen Halbinsel. Dadurch entsteht ein spezifischer Hot Spot für Krill-Larven in der südlichen Scotia-See. Im Verlauf ihres Wachstums wandern die Krebstiere weiter nach Norden in Richtung Südgeorgien, einem weiteren bekannten Krill Hot Spot. Die Forscher vermuten, dass diese geografische Aufteilung entweder zur Vermeidung von Nahrungskonkurrenz dient oder möglichen Kannibalismus zwischen adulten Tieren und Larven verhindern soll. Auf jeden Fall zeigt die Studie eindeutig die Wichtigkeit der antarktischen Halbinsel in der Krillentwicklung. Da aber gerade die Halbinsel immer mehr in den Fokus der Krillfischerei geraten ist aufgrund der verbesserten Fang- und Lagermöglichkeiten und des Rückgangs der Packeisbildung, mahnen die Forscher zur Vorsicht. Dazu meint Frances Perry, PhD-Studentin und Hauptautorin der Arbeit: «Während sich Fischereigebiete mit den Gebieten hoher Erwachsenendichte überschneiden, zeigt diese Arbeit zum ersten Mal, dass die Fischerei sich auch mit den Schlupfgebieten überschneidet. Es ist wichtig, dass diese Regionen vor den potentiellen Auswirkungen der Fischerei geschützt werden. Wir müssen die Dynamik in diesem komplexen Ökosystem besser verstehen, damit es das artenreiche und kommerziell wichtige Nahrungsnetz des Südpolarmeeres stützen kann.»
Quelle: British Antarctic Survey / Perry et al. (2019) PLOS One 0219325