Stellen Sie sich vor, ganz Belgien brennt und es sind fast keine Menschen da, die all die Brände bekämpfen könnten. Ungefähr so stellt sich zurzeit die Situation in vielen arktischen Regionen Russlands, Kanadas und Alaskas dar. Seit Juni lodern hunderte von Feuer in Tundra- und Taigaregionen, häufig weit weg von der Zivilisation und daher schwer zu bekämpfen. Doch die gesundheitlichen Auswirkungen sind auch in entfernten Städten und Dörfern zu spüren. Und die Behörden scheinen machtlos dagegen zu sein.
Genährt werden die Feuer durch die lange anhaltende Trockenheit, aussergewöhnlich hohe Temperaturen und ungewöhnliche Wettersituationen. Forscher der WMO (World Meteorological Organization) haben bereits im Juni darauf hingewiesen, dass dies deutliche Anzeichen des sich ändernden Klimas in der Arktis seien. Das Copernicus Atmosphärenbeobachtungsprogramm CAMS der EU notierte den wärmsten Juni 2019 seit Aufzeichnungsbeginn. Obwohl das nicht der Hauptgrund für die Brände ist, feuern die trockenen Gegebenheiten jede noch so kleine Zündung an. Diese wird durch Blitzeinschläge, gebündeltes Sonnenlicht durch herumliegende Abfälle oder durch verantwortungsloses Verhalten von Wanderern, Jägern und Fischern verursacht. Wenn das Feuer dann lodert, hat es genügend Nahrung, um bis zu mehreren Wochen zu brennen. Mehr als 30,000 Quadratkilometer arktischen Landes ist bereits verbrannt und ein Ende scheint nicht in Sicht zu sein.
Alleine in Russland sind die Regionen Krasnojarsk, Irkutsk, Sacha und Burjatien von den Feuern betroffen und hunderttausende von Menschen in Städten wie Irkutsk, Krasnojarsk, Novgorod von dicken Rauchschwaden gesundheitlich bedroht. Doch die offiziellen Behörden liessen verlauten, dass zurzeit keine Gefahr für Menschen bestehen würde. Greenpeace Russland widerspricht dieser Darlegung. Die Regierung hat nun das Militär beauftragt, den zivilen Behörden jede Unterstützung zu gewähren. Gegenwärtig sind beinahe 3,000 Männer und Frauen mit rund 50 Flugzeugen dabei, Brände in den verschiedenen Regionen zu löschen. Auch in Kanada und Alaska sind hunderte von Feuerwehrleuten und Löschflugzeugen dabei, die Brände zu löschen und auch hier haben die Rauchschwaden grössere Ortschaft richtiggehend zugedeckt.
Brände in arktischen und subarktischen Regionen sind keine Seltenheit und gehören sogar zum Lebenszyklus von Pflanzen dazu, um eine Verdichtung und Verbuschung des Unterwuchses zu verhindern. Dabei handelt es sich aber um kurze Brände, die bald wieder ausgehen. Dieses Jahr sind jedoch Brände um Brände ausgebrochen und haben lange gelodert. Dadurch ist die Vegetation auf lange Sicht geschädigt worden. Forscher des WMO schätzen, dass seit Juni zwischen 100 und 130 Megatonnen an Kohlendioxid alleine durch die Brände in die Atmosphäre geraten sind. Damit sind auch CO2-Senken (Pflanzen) auf Jahre hinaus verschwunden. Ausserdem gelangen Tonnen von Schadstoffen in die Atmosphäre und werden mit den Windsystemen, die auch die Trockenheit auch unter Veränderungen stehen, verdriftet. Damit können diese gesundheitsschädlichen Gase auch noch hunderte Kilometer weiter die Luftqualität massiv verringern, wie das Beispiel in Russland klar zeigt.
Die Brände sind nur eines von mehreren ungewöhnlichen meteorologischen Ereignissen in diesem Jahr. Besonders im Juni und Juli haben sich die Temperaturrekorde in Europa und der Arktis überschlagen. Beispielsweise wurden 900 Kilometer vom Nordpol entfernt, an der nördlichsten Station der Welt sagenhafte 16°C gemessen; auf Grönland wurden über 20°C auf 71° Nord gemessen und die Station Summit Camp auf 3,200 m.ü.M mass 0° mitten auf dem Eisschild. Die Menge an arktischem Eis insgesamt ist auf dem besten Weg, den Negativrekord von 2012 zu unterbieten und auf Grönland schmilzt das Eis so schnell wie noch nie zuvor gemessen. Für die Forscher ist klar, dass solche extremen Ereignisse das neue Normal werden kann, sollten die Klimaschutzziele von Paris nicht doch noch eingehalten werden. Betrachtet man aber die gegenwärtige globale Situation, sieht es eher düster dafür aus.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal