Schon länger ist bekannt, dass auf der Taimyr-Halbinsel in der russischen Arktis die wahrscheinlich grössten Kohlelager weltweit liegen. Seit 2016 ist nun die russische Firma Vostok Coal dabei, in der Region nahe der Stadt Dikson im Tagebau die qualitativ hochstehende Kohle abzubauen. Ausserdem hat Vostok Coal hochfliegende Pläne für den Ausbau von Dikson und dem Abbaugebiet. Diese Pläne erhalten nun Unterstützung von der russischen Zentralregierung. Das Problem dabei: Das grösste russische Arktis-Naturreservat und der Umweltschutz werden dabei das Nachsehen haben.
Das Gebiet, in dem Vostok Coal durch die Gesellschaft Arctic Mining Company die Kohle abbaut, liegt buchstäblich mitten im Nirgendwo. Sämtliche Infrastruktur musste deshalb zuerst erstellt werden. Zwar gibt es in der Nähe die Kleinstadt Dikson, ein 500-Seelen-Ort und die nördlichste Ortschaft auf dem Festland. Doch das Abbaugebiet selber liegt mitten in der Tundra, so dass eine Strasse und Unterkünfte für die Arbeiter erstellt werden mussten. Mittlerweile ähnelt das Ganze einem Dorf. Doch auch Dikson selbst profitierte von den Investitionen rund um den Abbau. Vostok Coal liess einen ziemlich schick aussehenden Spiegelglasbau als lokales Hauptquartier errichten. Weiter soll eine Eisenbahnverbindung zwischen der Grube und Dikson erstellt werden. Ausserdem sind zwei Verschiffungshafenanlagen geplant, die südlich von Dikson angelegt werden sollen. Denn Vostok Coal plant, bis zu 20 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr von dort aus zu verschiffen.
Genau diese beiden Hafenanlagen bildeten bisher ein Problem. Denn sie liegen mitten im Gebiet des «Great Arctic State Nature Reserve», eines von Russland’s grössten Naturschutzgebieten. Das zentrale Ministerium für Rohstoffe hatte lange den Bau der Anlagen aus umwelttechnischen Gründen verboten. Schon 2016, bei Beginn der Abbauarbeiten hatte Vostok Coal das Projekt vorgestellt. Das Ministerium argumentierte u.a. mit der Anwesenheit der russisch-niederländischen Forschungsstation «Willem Barentz», die seit 1995 im Park Forschungsarbeiten unternommen hat. «Wir sind nicht gegen die Entwicklung von Dikson, aber wir und unsere staatlichen Verantwortlichen sind der Ansicht, dass die Entwicklung der Stadt nicht durch Verstoss gegen die Bundesgesetze und Vorschriften und unter Beschädigung von Naturschutzgebieten erfolgen darf», heißt es in der Erklärung von der Forscher im Ministerium von 2016. Doch scheinbar ist der Widerstand geschmolzen, denn gemäss Berichten russischer unabhängiger Medien ist die Regierung dabei, die Grenzen des Naturreservates zu verschieben, und zwar zugunsten von Vostok Coal. Die Firma steht in den Startlöchern, um die Anlagen errichten zu lassen und den Abbau in der Tundra zu verstärken. Geplant ist, bis 2024 kanpp 19 Millionen Tonnen Glanzkohle zu verschiffen. Dazu sind auch bereits Gespräche für Transporte im Gange und Rosatom hat den Einsatz von Nukleareisbrechern entlang der Nordostpassage bestätigt. Damit würde Putins Plan, bis zum Ende seiner Amtszeit 2024 rund 80 Millionen Tonnen an Gütern entlang der Nordostpassage zu transportieren, weiteren Auftrieb erhalten.
Scheinbar läuft also alles gut für Vostok Coal? Doch nicht ganz, wie unabhängige Medien berichten. Vor zwei Jahren hatte die staatliche Naturschutzbehörde Rosprirodnadzor die Firma vor Gericht gezogen wegen Verstössen gegen Umweltauflagen. Auch der mächtige russische Inlandsgeheimdienst FSB ging in diesem Jahr gegen Vostok Coal gerichtlich vor. Scheinbar hatte der FSB Beweise, dass die Firma nicht nur illegal Kohle abgebaut hatte, sondern diese auch noch unrechtmässig ins Ausland verkauft hatte. Ein Gericht in Moskau verurteilte im Juni die Firma zu einer Zahlung von rund € 8 Millionen Strafe. Die Firma hat daraufhin umgehend Berufung eingelegt. Die ganze Geschichte zieht sich bis nach Europa hinein. Denn die Reederei, die an den Transporten der Kohle beteiligt ist, sitzt in Dänemark und hatte zwei Frachtschiffe zur Verfügung gestellt. Die dänische Reederei hat in einer Stellungnahme bekannt gegeben, dass «die Gerüchte rund um Vostok Coal uns zwar bekannt sind, aber nicht unsere Firma oder unsere Schiffe betreffen.» Die Zusammenarbeit mit Vostok Coal werde weitergehen.
Quelle: Atle Staalesen, The Independent Barents Observer