Himmelfahrtskommando im arktischen Eis | Polarjournal

Am 20. November 1931, hat ein ehrgeiziges Abenteuer sein vorzeitiges Ende gefunden: Die «Nautilus», ein umgebautes US-U-Boot aus dem Ersten Weltkrieg, mit dem der australische Abenteurer Sir Hubert Wilkins den Nordpol unterqueren wollte, musste vor der norwegischen Küste schwer havariert versenkt werden.

Beim Umbau wurden alle militärischen Komponenten entfernt und die Nautilus auf die Polexpedition vorbereitet. (Foto: Ohio State University Libraries)

Die Idee, den Nordpol zu unterqueren, sei eigentlich schon während Wilkins’ erster Arktisexpedition im Jahr 1913 entstanden, heisst es in einem Text der American Philosophical Society zur «Nautilus»-Expedition. Konkret wurde sie aber erst 1930 während eines gemeinsamen Urlaubs Wilkins’ mit dem wohlhabenden US-Arktisforscher Lincoln Ellsworth in der Schweiz. Der Abenteurer hatte zuvor bereits mit einem Flugzeug 1928 die Arktis überquert und an mehreren Forschungsexpeditionen teilgenommen. Seine «Nautilus»-Mission geriet allerdings nur zu einem Teilerfolg – begleitet von extremen Wetterbedingungen, technischen Pannen und Sabotageverdacht.

Das U-Boot konnte mit 20 Mann Besatzung maximal fünf Tage unter Wasser bleiben. (Foto: Ohio State University Libraries)

Anders als heute, wo etwa militärische Atom-U-Boote wochenlang unter Wasser bleiben können, hatte die «Nautilus» beim Tauchen noch recht begrenzte Kapazitäten. Das 1916 gebaute und als OS-12 bzw. SS-73 im Ersten Weltkrieg in Dienst gestellte U-Boot wog bei einer Länge von rund 53 Metern knapp 560 Tonnen. Die maximale Tauchtiefe betrug rund 60 Meter. Bei einem Umbau wurden alle militärischen Komponenten aus dem Schiff entfernt und es stattdessen für die Polexpedition mit Laborgeräten auf dem damals neuesten Stand versehen. Auf dem Deck wurde eine Bohrvorrichtung angebracht, mit der die «Nautilus» sich durch das Polareis mit Luft versorgen sollte.

Die Besatzung der «Nautilus»-Expedition bestand aus einer 17-köpfiger Crew. (Foto: Ohio State University Libraries)

Laut Materialien der Ohio State University Libraries, die dem 75. Jahrestag der «Nautilus»-Expedition 2006 eine ausführliche Sonderausstellung unter dem Titel «Unter dem Nordpol. Die Reise der Nautilus» gewidmet hatten, konnte das U-Boot mit 20 Mann Besatzung maximal fünf Tage unter Wasser bleiben bzw. rund 200 Kilometer auf Tauchfahrt zurücklegen, bevor Luftvorräte und Batterieleistung erschöpft waren. Gerade unter der dicken Eisdecke der Arktis brachte das ein damals noch kaum kalkulierbares Risiko für die Crew mit sich. Zeitgenossen, die dem Abenteuer kritisch gegenüberstanden, bezeichneten den Australier und seine Crew als «Selbstmordclub».

Billig war die Expedition auch nicht. Allein die notwendigen Umbau- und Reparaturarbeiten am Schiff machten knapp 28.400 Dollar aus, wie eine Rechnung aus den Beständen der Ohio State University zeigt – eine damals stolze Summe. Insgesamt beliefen sich die Aufwendungen für die ehrgeizige Mission wahrscheinlich auf gut das Zehnfache. Wilkins war auf Sponsoren und Kreditgeber wie seinen Freund Ellsworth und den US-Magnaten und Zeitungsherausgeber William Randolph Hearst angewiesen. Hearst erwarb die Rechte für das Abenteuer, das allerdings auch Sir Hubert selbst recht plakativ mit Slogans wie «6.000 Fuss Nervenkitzel» und «Über, unter und im Eis. Eskimos, Eisbären …» vermarktete. Ihren Namen hatte die «Nautilus» aus Jules Vernes utopischem Roman «20.000 Meilen unter dem Meer».

Während der Expedition wurden wissenschaftliche Daten und Proben aus dem Eis und der Tiefe gesammelt. (Foto: Ohio State University Libraries)

Nachdem die Finanzierung seiner Expedition gesichert war und Wilkins samt 17-köpfiger Crew mehrere Testfahrten vor der US-Nordostküste unternommen hatten, stach die «Nautilus» am 4. Juni 1931 von New York aus in See. Die Expedition stand allerdings von Anfang an offenbar unter keinem guten Stern. Bereits nach dem Auslaufen gab es Maschinenschäden, wenige Tage danach musste die «Nautilus» im Atlantik SOS funken. In England musste das Schiff zu Reparaturen in eine Werft geschleppt werden. «Die ‚Nautilus‘ war mit Pech und Pannen von Anfang an gestraft», heisst es in einem Text der Ohio State University Libraries.

Den grössten Rückschlag erlitt die Expedition, als das U-Boot im August, nicht einmal 1.000 Kilometer von ihrem Ziel, dem Nordpol, entfernt in arktischen Gewässern sein Tiefenruder verlor, was ein kontrolliertes Ab- und Auftauchen unmöglich machte. Wilkins’ Kapitän Sloan Danenhower gelang es dennoch, mittels eines waghalsigen Manövers unter das Eis zu tauchen. Der Kapitän hatte zuvor das fehlende Ruder bei einer Routineinspektion ganz plötzlich entdeckt.

Nachdem aber auch die Bohrvorrichtung für die Luftversorgung ihren Dienst versagte, wurden alle Versuche abgebrochen. Dennoch war es gelungen, wissenschaftliche Daten und Proben aus dem Eis und der Tiefe zu sammeln – und zum ersten Mal überhaupt mit einem U-Boot unter das arktische Eis zu tauchen.

Das endgültige Aus für die Nautilus. Das U-Boot wurde in Norwegen versenkt. (Foto: Ohio State University Libraries)

Beim vorzeitigen Ende des Abenteuers war die «Nautilus» bereits so ramponiert, dass sich Wilkins’ Unterstützer ernsthafte Sorgen um seine Sicherheit machten und an eine Fortsetzung der Expedition nicht mehr zu denken war. Schliesslich musste der Australier sein Polabenteuer abbrechen und holte sich vom US-Militär die Erlaubnis, das für eine symbolische Summe von einem Dollar pro Jahr geliehene Schiff in einem Fjord vor der norwegischen Küste zu versenken – was am 20. November 1931 auch geschah. Wegen der Häufung der Pannen soll Wilkins davon überzeugt gewesen sein, dass ein oder mehrere Besatzungsmitglieder die Expedition sabotiert hatten.

Heiner Kubny, PolarJournal

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