Während der Bergbauzeit auf Spitzbergen wurde dem Einschleppen von fremden Arten auf den abgelegenen Archipel nicht viel Bedeutung beigemessen. Daher kamen verschiedene Pflanzen- und Tierarten als Neuankömmlinge in die Hocharktis. Die meisten von ihnen konnten sich nicht anpassen und starben wieder aus. Doch ein paar wenige Generalisten schafften es, Fuss zu fassen. Darunter auch die osteuropäische Feldmaus. Forscher der Arktis-Universität von Tromsø untersuchen nun, wie weit sich der kleine Nager ausgebreitet hat und ob er unliebsame blinde Passagiere im Schlepptau hat.
Das Forscherteam bestehend aus Eva Fuglei, Rolf Anker Ims und Dominique Favieux hat sich am Rande von Longyearbyen eingerichtet und untersucht von Einwohnern eingefangene Mäuse auf deren Gesundheit und vor allem auf Parasiten. Ims, der schon seit 30 Jahren die Mäusepopulation auf Spitzbergen untersucht, erklärt, dass die Mäuse eigentlich nach Osteuropa gehören, sich aber auf Spitzbergen sehr wohl fühlen. «Es bedeutet, dass die Mäuse ziemlich anpassungsfähig sind. Doch wir haben die Mäuse mit denen aus Russland verglichen und es weist nichts darauf hin, dass die Spitzbergen-Mäuse andere Eigenschaften entwickelt haben.» Knapp 10 Kilometer westlich von Longyearbyen liegt die ehemalige russische Bergbausiedlung Grumantbyen. Die Siedlung wurde 1965 zwar aufgegeben, doch einen Bewohner liessen die Russen zurück: die osteuropäische Feldmaus Microtus levis. Der nur 20 – 40 Gramm grosse Nager kam sehr wahrscheinlich als blinder Passagier an Bord von sowjetischen Schiffen nach Grumantbyen und fand dort einigermassen passende Bedingungen.
Im Laufe der Jahre wanderten die kleinen Tiere immer weiter nach Osten und erreichten Longyearbyen, wo sie letztes Jahr öfters von Einheimischen gesehen worden war. Nach zahlreichen Meldungen in sozialen Medien kamen Ims und seine Kollegen auf die Idee, die Tiere zu erfassen. «Wir möchten die Zahl der Mäuse genauer kennen und auch, um sie auf Parasiten, besonders auf den Bandwurm Echinococcus multilocularis, zu untersuchen», erklärt Eva Fuglei. Daher rief die Umweltschutzabteilung der Sysselmannen auf, die Mäuse zu fangen. Insgesamt 52 Mäuse, die zwischen Oktober 18 und April 19 in Longyearbyen und Umkreis gefangen worden sind, kamen zusammen. Die Untersuchungen zeigten, dass alle Tiere Parasiten-frei waren. «Das ist nicht überraschend, eher das Gegenteil. Wir haben den Parasiten vorher häufig in Vögeln am Vogelberg (Vogelfelsen bei Grumant) gefunden, aber noch nicht bei Longyearbyen selber», meint Ims dazu. Die Mäuse können als Träger andere Tiere infizieren, wenn sie gefressen werden oder andere Tiere bei Grasen den Kot der Mäuse mitaufnehmen. Besonders Polarfüchse, bei denen die Mäuse auf dem Speiseplan stehen, können sich so infizieren. Der Bandwurm selbst gibt dann Eier mit dem Fuchskot ab und bleibt in seinem Wirt. Gelangen die Eier in Menschen, kann das zu Infektionen führen, die unbehandelt auch für ihn gefährlich werden kann. Auch Hunde können sich infizieren und man hat Mäuse nahe der Hundezwinger und der Farmen ausserhalb entdeckt. Dort sind die Bedingungen für die Mäuse noch besser, da sie das Hundefutter auch fressen.
Bis 2006 hatte man die Mäuse bei Grumant bereits erforscht. Die Arbeit musste durch Bergsturzgefahr aufgrund des schmelzenden Permafrostes dort eingestellt werden. Der Klimawandel dürfte auch dafür gesorgt haben, dass die Mäuse sich von dort aus langsam überall hin ausbreiten werden. «Die Tiere sind prinzipiell Vegetarier und potentielle schädlich für die Pflanzenwelt. Doch der Parasit ist das Hauptproblem», sagt Ims. Doch von einer Ausrottung des Neozoen ist man weit entfernt. In guten Jahren können mehrere zehntausend Tiere auf Spitzbergen sein. Doch genaue Zahlen hat man nicht. Daher haben Ims und seine Kollegen einen neuen Plan bereits umgesetzt. Mit Hilfe von Kameraboxen an den Orten, an denen die Mäuse häufig auftreten können, soll eine bessere Schätzung erreicht werden. Ein erstes Resultat zeigt, dass in diesem Sommern keine Spuren von Tieren entdeckt worden sind. Dies könnte mit dem letzten Winter zusammenhängen, wo die Nahrungsquelle der Tiere, das Gras häufig eingefroren war. Dadurch könnte die Population gelitten haben. Die Forscher sind gespannt, ob im kommenden Winter wieder Mäuse gefangen werden.
Quelle: Siri Åbø Wiersen, Svalbardposten