Ringelrobben helfen Wissenschaftlern bei Gletscherforschung | Polarjournal
(C) Kim Kovacs / Christîan Lydersen / Framsenter

Der Einsatz von Tierarten im Rahmen wissenschaftlicher Forschung kann auf verschiedenste Art geschehen. Mittlerweile haben Forscher erkannt, dass Tiere als Beobachter und Probennehmer durchaus geeignet sind, die richtigen Instrumente vorausgesetzt. Ein Team des Norwegischen Polarinstituts hat sich Ringelrobben ausgesucht, die für sie an den Gletscherfronten Svalbards tauchten und Messungen vornahmen. Dabei erhielt das Team neue Erkenntnisse aus einer verborgenen Welt.

Direkt an den Wänden eines aktiven Gletschers zu tauchen, ist nichts für Touristen und Forscher und auch andere Menschen. Plötzliche Abbrüche verursachen mehr als nur ein paar Kopfschmerzen. Doch viele wichtige Prozesse, die für Forscher wichtig sind, Gletscher und ihr Verhalten in Zeiten des Klimawandels besser zu verstehen, finden genau an diesen Stellen statt. Man könnte nun die Hilfe von Unterwasserfahrzeugen und Robotern beantragen. Doch diese Geräte sind selten und teuer. Auf der anderen Seite sind einige Tierarten wie beispielsweise Dreizehenmöwen und andere Meeresvögel und auch verschiedene Robben- und Walarten häufige Besucher der Gletscherkanten, da sie dort reichhaltige Nahrungsgründe finden. Diese Tatsache ist auch den Wissenschaftlern des Norwegischen Polarinstituts bekannt, die im Kongsfjord an der Westküste der Insel Spitzbergen arbeiten. Dort werden seit 2012 an Ringelrobben kleine Messsonden auf dem Rücken angebracht (ohne die Tiere zu verletzen) und entsprechend den Geräten Daten gesammelt. Im Bereich der Gletscherzungen des Kronebreen und Kongsvegen sammelten die Wissenschaftler um Alistair Everett und Christian Lydersen Daten über die sogenannten «Roten Wolken». Diese Gebilde aus rotem Sediment entstehen durch Gletscherschmelzwasser, welches unter dem Gletscher entlang fliesst und den eisenreichen Boden langsam abträgt. Weit unter dem Wasserspiegel kommt dieses sediment- und nährstoffreiche Süsswasser ins Meer und steigt dann langsam als Wolke an die Oberfläche aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften.

Die beiden Gletscher, die im hinteren Teil des Kongsfjord liegen, weisen eine markante Rotfärbung vor ihrer Kante im Wasser auf. Diese «Rote Wolke» und das Wasser darin waren das Hauptziel der Studie. Bild: Michael Wenger

Solche Wolken sind bei Wissenschaftlern verschiedenster Richtungen ins Zentrum des Interesses gerückt. Denn diese Wolken bringen grosse Mengen an Tiefenwasser, sogenannte Spitzen, mit an die Oberfläche und treiben dadurch komplexe Kreisläufe an. Davon profitieren auch Tiere wie eben Ringelrobben und andere Arten. Um mehr über diese Spitzen, ihre Bedeutung für die Tiere und die Gletscher zu erfahren, versahen sie 5 Robben mit Datenloggern, die auf dem Rücken aufgeklebt waren und später, beim nächsten Fellwechsel wieder abfallen würden. Die Logger notierten bei den Tauchgängen Tiefe, Temperatur, Leitfähigkeit (für Salzgehalt) und die Position. Dadurch konnten die Forscher herausfinden, dass zum einen diese Spitzen zum einen für die Tiere wichtige Orte zur Jagd waren; zum anderen konnten sie erkennen, dass die Austrittstellen unter dem Gletscher sich immer weiter entlang der Gletscherfront verschoben hatten. Bis anhin hatte man angenommen, dass die Stellen, an denen das Schmelzwasser unter dem Gletscher hervortritt, an Ort bleiben. Dies hat gemäss der Forscher Konsequenzen für die Fliessbewegungen der Gletscher. Das Team folgert auch, dass mit dem gegenwärtigen Rückgang der Gletscher die Robben und andere Tiere einen der wichtigsten Nahrungsgründe verlieren werden. Denn gemäss den Resultaten verbringen Robben rund 70 Prozent ihrer Zeit an den Gletscherfronten. Der Verlust der Gletscher hätte also schwerwiegende Folgen.

Die knapp 80 – 100 Kilo schweren Tiere sind zwar immer noch sehr häufig. Doch auch ihnen macht der Schwund ihres Lebensraumes zu schaffen. Und von Ringelrobben ernähren sich hauptsächlich Eisbären. Bild: Michael Wenger

Dr. Michael Wenger, PolarJournal / Quelle: Fram Senteret

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