Deutschland’s neue Arktispolitik | Polarjournal
Die deutsche Arktis-Station Koldewey (C) Bjoertvedt – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Deutschland gehört zwar nicht zu den Arktisnationen, hat aber den Beobachterstatus im Arktisrat und finanziert und organisiert einen beträchtlichen Forschungsanteil im hohen Norden. Wie bei vielen Staaten, hat das Bewusstsein um die Wichtigkeit der Arktis im globalen System auch in Berlin mittlerweile Einzug gehalten. Bundeskanzlerin Merkel hatte nun im Rahmen eines Ministertreffens mit den fünf Nordischen Staaten die neue Arktis-Politik Deutschlands angekündigt.

Die Reaktionen auf die Ankündigungen Merkels in Bezug auf die zukünftige Ausrichtung der deutschen Arktis-Politik waren gemischt und reichten von Warnungen bis offene Zustimmung. Merkel hob in ihrer Ankündigung hervor, dass Deutschlands Beiträge in die Arktis bis anhin wissenschaftlicher Natur war und in Zukunft auch die strategische Wichtigkeit der Region beinhalten werde. Dieser Aspekt sei in der Vergangenheit zu wenig beachtet worden, gab sie zu. Man wolle in Zukunft mehr Verantwortung für die Arktis übernehmen und bei der Gestaltung ihrer Zukunft mitarbeiten. Vor allem die Umweltbelange und der Klimawandel stehen im Fokus der Bundesregierung und ihrer Richtlinien der Arktis-Politik. Und genau diese zentralen Punkte haben bereits für Warnungen und Kritik bei Interessenvertreter gesorgt.

Das Ministertreffen der fünf Nordischen Länder wurde in Reykjavik abgehalten, da Island zurzeit das Präsidium des Rates hält. Deutschland war am Rande des Meetings zu Gesprächen über eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Ministern zusammengekommen. Bild: Bundesregierung / Bergmann

Vor allem aus Norwegens Energieindustrie kam die Kritik, dass mit dem Papier und den Richtlinien die neue EU-Strategie für die Arktis gebildet werden soll. Erling Kvadsheim, der Vizepräsident des Arktischen Wirtschaftsrates und Internationaler Leiter des Norwegischen Öl- und Gasverbandes warnte: «Die Europäische Kommission hat ein Dokument vorbereitet, in dem eine neue Strategie gefordert wird. In diesem Dokument unterstreicht die Kommission nicht nur den Schutz der Arktis, sondern auch einen vorsichtigeren Umgang mit den Ressourcen in der Region», sagte er gegenüber den Medien. Bisher hatte die EU-Strategie den Erhalt der Arktis im Zentrum. Doch dies werde sich wohl in den kommenden Monaten ändern und ein stärkerer Schutz vor wirtschaftlicher Entwicklung und Geschäftsmöglichkeiten in der Arktis werde in den Fokus rücken. Seiner Meinung nach sehe die EU die Arktis als einen Ort, an dem die Aktivitäten der Energieindustrie grösseren Schaden anrichte als anderswo. «Die Industrie stimmt dem nicht zu. Es gibt keinen Beweis, dass die Industrie in der Arktis mehr Schaden anrichtet als an anderen Orten», argumentiert Kvadsheim. Doch sicher, ob seine Vorhersage eintreffen werde, ist sich Kvadsheim nicht. «Vorhersagen sind schwer zu machen. Das Papier ist sehr gut geschrieben. Es schlägt keine Türen zu.» Doch er meint: «Sollten diese Ansichten (die Deutschen Richtlinien, Anm. d. Red.) von der EU übernommen werden, wird es noch schwieriger und teurer, über dem Polarkreis Geschäfte zu tätigen und zu leben.»

Seit über zwei Jahren leitet Erling Kvadsheim bei Norsk Olje & Gass die Abteilung für Internationale Zusammenarbeit. Seine Erfahrungen im Energiesektor gehen über 30 Jahre zurück und machen ihn zu einem Experten auf dem Feld. Bild: NorskOlje & Gass

Doch Deutschlands Positionspapier findet auch Zustimmung und Lob bei arktischen Interessensvertreter, die darin eine Chance sehen, dass grosse Industrienationen sich für mehr Schutz statt mehr Ausbeutung der Ressourcen einsetzen können. Nach Ansicht von Professor Elana Wilson Rowe vom Norwegischen Institut für Internationale Beziehungen spiegelt das Papier Deutschlands Wille wider, sich sowohl zuhause wie auch global für einen stärkeren Umweltschutz einzusetzen. Sie hebt auch hervor, dass Deutschland durchaus bis dato eine wichtige Rolle in der Arktis gespielt habe. In einer Studie der Universität Tromsø zeige sich, dass Deutschland zwischen 2006 – 2015 mehr Forschungsprojekte in der Arktis finanziert habe als Schweden oder Finnland. Sie sieht das Problem des Papiers in der Sprache, die als «belehrend» angesehen werden kann, besonders bei arktischen Nationen, die ja schon seit Jahren Anstrengungen im Umweltbereich unternommen haben. Aber sie glaubt nicht, dass die Aussagen gegen Einzelne gerichtet seien. Denn es sei politisch und strategisch nicht sinnvoll, spezifische Akteure in einem solchen Dokument zu benennen.

Aussenstehende sähen die Arktis immer nur global und homogen, statt regional und heterogen, monieren viele arktische Interessenvertreter. Dabei ist die Arktis ein hochkomplexes Netzwerk unterschiedlichster Bedingungen, Wünsche und Ziele. Bild: Michael Wenger

Ein Kritikpunkt, der von beiden Lagern geäussert wurde, ist der Eindruck, Deutschland (und viele andere Nicht-arktischen Staaten) hätten zwar das Wohl der Arktis im Blick, aber betrachteten sie als homogene Einheit und missachteten die verschiedenen regionalen Wünsche, Ziele und Gegebenheiten. Man wünsche sich einen differenzierteren Blick und Position innerhalb der Diskussion um die Zukunft der Arktis. Doch Experten teilen diese Ansicht nicht ganz. Deutschland habe sehr wohl die regionalen Unterschiede bei der Umsetzung der Richtlinien eingeplant, heisst es von deren Seite. Doch für ein strategisches Papier müsse ein vereinfachter Ansatz und allgemeinere Formulierungen verwendet werden. Die fünf Kernpunkte des Positionspapieres sind:

  • Deutschland will im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen auf einen weltweiten Klima- und Umweltschutz hinarbeiten.
  • Die Bundesregierung fordert den Einsatz umweltfreundlicher Technologien sowie die Anwendung höchster Umweltstandards und die Ausweisung von Schutzgebieten zur Erhaltung der Artenvielfalt in der Arktis.
  • Die Interessen der indigenen Bevölkerung sowie die Wahrung ihrer Rechte auf Freiheit, Gesundheit und Selbstbestimmung in ihrem Lebensraum sollten gestärkt werden.
  • Deutschland setzt sich für freie und verantwortungsvolle Forschung ein, um mehr über die Arktis zu erfahren.
  • Für die Zukunft der Arktis ist eine enge und regelbasierte Zusammenarbeit mit anderen Ländern innerhalb eines gestärkten internationalen Rechtsrahmens erforderlich. Deutschland setzt sich daher im Arktischen Rat sowie innerhalb der EU und der NATO für den Schutz der Arktis als weitgehend konfliktfreie Region ein.

Quelle: Siri Gulliksen Tømmerbakken, High North News

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