Island wird nicht gerade mit Walrossen oder Eisbären in Verbindung gebracht, obwohl die Insel als Tor zur Arktis gilt. Doch während sich hin und wieder Eisbären auf die Insel verlaufen, haben Walrosse keinerlei Verbindung mit der Insel. Doch das war nicht immer so, wie ein internationales Forschungsteam nun festgestellt hat. Noch bei der Ankunft von Wikingern vor 1,100 Jahren existierte eine eigene Population von Walrossen rund um die Insel. Doch die neuen Bewohner waren wahrscheinlich keine guten Nachbarn gemäss der Forschungsresultaten.
Die Wikinger, die gemäss Überlieferungen 870 auf Island ankamen, waren Bauern und Händler auf der Suche nach neuen Lebensgrundlagen. Und scheinbar war die Insel mitten im Nordatlantik perfekt dafür geeignet. Denn der Walross-Elfenbeinhandel war eines der Standbeine dieser sagenumwobenen nordischen Kultur. Schon lange war der Forschung bekannt, dass um Island Walrosse gelebt haben mussten. Überreste und Überlieferungen der Wikinger hatten davon gezeugt. Doch nun hat ein internationales Team von Wissenschaftlern verschiedene Methoden miteinander kombiniert und dabei Erstaunliches herausgefunden. Durch die Analyse von alter und neuer Walross-DNA, Kohlenstoff-14-Analysen und der genauen Untersuchung von alten Quellen zu den Ortsnamen der Überreste und den entsprechenden Referenzen zur Walrossjagd durch die Wikinger, konnten die Forscher um Xénia Keighley von der Universität Kopenhagen und Dr. Hilmar Malmquist vom Isländischen Museum für Naturgeschichte das Schicksal der isländischen Walrosse beleuchten.
Mithilfe der Kohlenstoff-14-Analyse von Walrossüberresten konnten die Forscher zeigen, dass Walrosse über Jahrtausende auf Island vorgekommen waren und kurz nach der Ankunft der neuen Siedler im Jahr 870 dann verschwanden. Die DNA-Proben, die aus den Knochen der archäologischen Funde gewonnen wurden und mit modernen Walrossproben verglichen wurden, konnten beweisen, dass die isländischen Walrosse eine eigene genetische Linie dargestellt hatten. «Unsere Arbeit stellt eines der frühesten Beispiele lokaler Ausrottung einer Meerestierart nach der Ankunft von Menschen und deren Übernutzung der Art dar. Die Studie trägt weiter zur Diskussion über die Rolle des Menschen beim Aussterben der Megafauna bei und stützt eine steigende Zahl von Beweisen, dass, wo immer der Mensch aufgetaucht ist, die lokale Umwelt und die Ökosysteme gelitten haben», erklärt Morten Tange Olsen, Assistenzprofessor am GLOBE Institut der Universität Kopenhagen und Mitautor der Studie.
Die Wikinger, die auf Island eine neue Heimat gesucht hatten, dominierten den Elfenbeinhandel. Denn das Material war ein Luxusgut und wurde bis nach Indien verkauft. «Wir zeigen in unserer Arbeit, dass schon im Zeitalter der Wikinger, vor über 1,000 Jahren, die kommerzielle Jagd, wirtschaftlicher Antrieb und Handelsbeziehungen ausreichend gross waren, um in signifikanten, irreversiblen ökologischen Schäden an der marinen Umwelt zu enden, die durch klimatische und vulkanische Ereignisse noch verstärkt worden waren. Die Abhängigkeit von Meeressäugern als Nahrung und als Handelsgut ist bis anhin massiv unterschätzt worden», erklärt Xénia Keighley, Hauptautorin der Studie. Obwohl die meisten Beispiel von Handel und menschlicher Übernutzung bis zum Aussterben von marinen Arten neueren Datums sind, wurden offensichtlich auch schon früher ökonomische Überlegungen über die ökologischen gestellt. Früher war scheinbar doch nicht alles besser…
Quelle: Universität Kopenhagen