Die Schweiz präsentiert erste Arktis-Strategie an der Arctic Circle Assembly 2019 | Polarjournal
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Die Schweiz hat eine lange polare Tradition, vor allem in der Arktis. Schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts waren Schweizer an der Front im Bereich Wissenschaft. Zahlreiche Kooperationen und Beteiligungen an internationalen Projekten zeugen davon. Doch auch politisch engagiert sich die Eidgenossenschaft verstärkt in der Arktis. Am Treffen der Arktisratsstaaten 2017 wurde die Schweiz als Beobachter in den erlauchten Kreis der Arktis- und Naharktisstaaten aufgenommen. Nun hat der Leiter für Sektionelle Aussenpolitik des Eidgenössischen Aussendepartements, Botschafter Stefan Estermann, die Eckpfeiler der zukünftigen Schweizer Arktispolitik vorgestellt

Am letzten Tag der jährlichen Arctic Circle Assembly standen zuerst Schottland, vertreten durch den Energieminister Paul Wheelhouse, und danach die Schweiz mit Botschafter Stefan Estermann im Mittelpunkt des Interesses. Während Schottland bereits im Vorfeld sein Strategiepapier für eine zukünftige Arktispolitik einige Wochen zuvor präsentiert hatte, konnte die Schweiz mit einem Überraschungsauftritt glänzen. In seiner rund 20-minütigen Präsentation hob Botschafter Estermann zuerst die Ähnlichkeiten zwischen der Schweiz und der Arktis hervor und präsentierte danach die Stärken der Schweiz als Partner für Arktische Belange. Dabei lenkte er die Aufmerksamkeit vor allem auf die Innovationsstärke und auf die Schweizer Beteiligungen an wissenschaftlichen Projekten wie beispielsweise die Leitung an der Arbeitsgruppe Klima des Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC durch Professor Thomas Stocker von der Uni Bern oder das seit bereits über 30 Jahren bestehende Forschungscamp Swiss Camp im Herzen von Grönland.

Der Leiter der Abteilung Sektionelle Aussenpolitik im EDA, Stefan Estermann, präsentierte die Arktis-Politik der Schweiz und warum es für beide Seiten wichtig ist, dass die Schweiz Teil der arktischen Gemeinschaft ist. Bild: Arctic Circle 2019

Die Politik der Schweiz in Bezug auf die Arktis umfasst sechs Eckpfeiler, die von Botschafter Estermann vorgestellt worden sind: Unterstützung der Schweizer Arktisforschung und Lehrinstitutionen; Förderung internationaler Forschungskooperationen; Unterstützung von Stiftungen und privaten Sektoren zur Förderung von Polarforschung; Einbringung in den internationalen Dialog über und mit der Arktis; Förderung von Massnahmen zur Bewältigung von Umweltproblemen; Solidarität mit indigenen Völkern und arktischer Bevölkerung. Insgesamt läuft die Strategie der Schweizer Arktispolitik nicht auf politische oder wirtschaftliche Ziele hinaus, sondern vor allem auf die Stärkung des Forschungsplatzes Schweiz in der Arktis hinaus. «Das Ziel, das wir in unserer Polarpolitik verfolgen, ist in erster Linie, dass wir einen Rahmen für unsere Forschungsgemeinschaft bieten wollen, damit sie sich noch besser präsentieren können. Forscher sind sehr unabhängig und unsere Arktispolitik wird von unserer Forschungsgemeinschaft getrieben, nicht vom Staat. Und darauf können wir sehr stolz sein, denn das entspricht etwas der Bottom-Up-Politik, die wir in der Schweiz in vielen Bereichen betreiben. Wir möchten daher, dass der Polarforschungsstandort Schweiz stärker wahrgenommen wird», sagt Botschafter Estermann im persönlichen Gespräch mit PolarJournal.

Botschafter Stefan Estermann im Gespräch mit Frederik Paulsen, der die Session leitete. Bild: Arctic Clircle 2019

Politisch ist für die Schweiz gemäss Botschafter Estermann für die Schweiz vor allem wichtig, den Dialog der arktischen Interessenvertreter mitverfolgen zu können, die Richtung politischer Entwicklungen zu verfolgen und antizipieren zu können. Auch im Bereich des Umgangs mit indigenen Völkern der Arktis sieht die Schweizer Politik vor allem die Stärkung des Respekts beim Umgang durch Schweizer Interessenvertreter. «Wir möchten nicht Dinge über die Köpfe der indigenen Bevölkerung hinweg realisieren, auch bei Forschungsprojekten. Sie sollen wahrgenommen und einbezogen werden», erklärt der Botschafter weiter. Zum Schluss seiner Präsentation verwies Stefan Estermann noch auf die GLACE-Expedition, die Forschungsfahrt rund um Grönland, ein Schweizer Projekt. Dieses wurde kurzfristig offiziell von den dänischen Behörden kurz vor dem Start gestoppt. Inoffiziell wird spekuliert, dass die kanadischen und US-amerikanischen Behörden Druck auf Grönland und Dänemark ausgeübt hatten, weil die eingesetzten Schiffe der Expedition russisch waren.

Der Arktisrat ist in den letzten Jahren stark angewachsen durch die Vergrösserung der Beobachterstaaten. Als letzter Staat wurde 2017 die Schweiz in den erlauchten Kreis aufgenommen. Bild: Thomas Nielsen, The Independent Barents Observer

Die Bekanntgabe der Schweizer Arktispolitik war gespannt erwartet worden. Denn die Schweiz ist das jüngste Mitglied im Arktisrat, dem Gremium, welches sich um die Interessen der Arktis kümmert. Als Beobachter darf die Schweiz zwar nur in der zweiten Reihe Platz nehmen. Doch in 3 Arbeitsgruppen des Rates ist die Schweiz aktiv vertreten, wie Grégoire Hauser, Vertreter des EDA, gegenüber PolarJournal hervorhebt. «Wir sind in den Arbeitsgruppen für Umweltüberwachung, Naturschutz und nachhaltige Entwicklung vertreten. Dort sind verschiedene Experten aus der Schweiz mit dabei, die mit ihrer Expertise Beiträge leisten», sagt er. Und dort sieht Botschafter Estermann auch die Stärke der Schweiz als Nicht-Arktisstaat. Sowohl in seiner Präsentation wie auch im Gespräch hebt er die Gemeinsamkeiten der beiden Regionen hervor und bezeichnet die Schweiz als «vertikaler Arktis-Staat: «Es ist toll, dass wir zwischen unserem hochalpinen Raum, der so wichtig ist für die Identität der Schweiz, eine Brücke bauen können zur Arktis. So können wir auch unserer Bevölkerung zeigen (und dem Rest der Welt im Verlauf der Präsentation, Anm. d. Red.), dass wir im gleichen Boot sitzen. Denn wenn unsere Gletscher verschwinden, dann verschwindet auch ein essentielles Stück Schweiz, verschwindet ein zentraler Teil unseres Selbstverständnisses. Und ich sehe, wie wichtig das Eis und die Tundra für die Menschen dort sind. Und damit kann man das Bewusstsein in den Menschen für den Klimawandel stärken.»

In seiner Präsentation zeigte Botschafter Estermann, wie ähnlich sich die arktischen Regionen und die Schweiz sein können und wie vielfältig die Beiträge der Schweiz in der Arktis seit je her waren.
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