Chemikalien-Cocktail im Blut der Eisbären | Polarjournal
Eisbären leben in einer der abgeschiedensten Regionen der Erde – sind aber trotzdem stark mit Umweltgiften belastet. (Foto: Heiner Kubny)

Der König der Arktis ist noch immer überraschend stark mit Umweltgiften kontaminiert. Laut neuen Analysen finden sich neben bereits früher nachgewiesenen Substanzen viele weitere schädliche Chemikalien im Körper der Eisbären. Besonders erschreckend dabei ist die hohe Konzentration einiger dieser Substanzen. Erwartet wurde ein Rückgang der Vergiftung. Dies traf jedoch nicht ein, sondern nahm sogar zu.

Den Hauptbestandteil ihrer Nahrung machen Robben aus, sowie junge oder geschwächte Walrosse. Wohlgenährte Eisbären fressen vom frisch erlegten Beutetier nur Haut und Speck, der Rest bleibt liegen. Über die Beutereste machen sich schwächere Bären oder Polarfüchse her, aber auch aasfressende Seevögel wie Möwen. (Foto: Heiner Kubny)

Nahezu überall sind Menschen und Tiere potenziell den schädlichen Chemikalien ausgesetzt, die aus der Umwelt in die Nahrungskette gelangen. Auch längst verbotene Substanzen wie das Insektenvernichtungsmittel DDT und die krebserregenden PCBs lassen sich noch heute praktisch auf der ganzen Welt nachweisen, selbst in der Arktis finden sich solche langlebigen organischen Schadstoffe.

In die entlegene Polarregion gelangen die Substanzen zum Leidweisen der dort lebenden Eisbären vor allem über Luft- und Meeresströmungen. Seit den ersten Untersuchungen in den 1980er Jahren ist bekannt, dass die weißen Giganten sehr stark mit Umweltgiften belastet sind. Als Endkonsument der Nahrungskette konsumieren sie Fische, Robben und andere Meeresbewohner die die Gifte ebenfalls aufnahmen und letztendlich in ihrem Körper angereichert werden.

Die jungen Eisbären werden 1½ bis 2½ Jahre gesäugt. Während dieser Zeit lernen sie das Jagdverhalten der Mutter und werden schliesslich von ihr verlassen. Unter den harten Bedingungen der Arktis überlebt nur etwa die Hälfte der Jungtiere die ersten fünf Jahre nach der Geburt. (Foto: Heiner Kubny)

Wie sich die Belastung der Bären in den vergangenen Jahren entwickelt hat, haben Jonathan Martin von der University of Alberta in Edmonton und seine Kollegen am Beispiel von zwei Eisbärpopulationen aus der Hudson Bay und der Beaufortsee im Nordpolarmeer untersucht. Dafür analysierten sie Blutserumproben von Tieren beider Gruppen, die in regelmäßigen Abständen zwischen 1984 und 2014 genommen wurden. Die Auswertung mithilfe besonders empfindlicher chromatographischer und massenspektrometrischer Verfahren offenbarte einige Überraschungen. Insgesamt wiesen die Wissenschaftler hunderte Chemikalien aus insgesamt 13 unterschiedlichen Stoffklassen nach. Darunter waren bereits früher in Eisbären gefundene PCBs, aber auch eine Reihe bisher unbekannter PCB-Metabolite.

Den Eisbären macht auch der Klimawandel zu schaffen. Bei dem prognostizierten Rückgang des arktischen Meereises ist zu erwarten, dass bis Mitte des 21. Jahrhunderts bis zu 2/3 der gegenwärtigen Eisbärenpopulation verloren gehe. (Foto: Heiner Kubny)

Zudem entdeckten Martin und sein Team erstmals sogenannte perfluorierte Alkylsulfonsäuren (PFSAs) im Eisbärserum, unter anderem perfluorierte Alkylethersulfate. Diese Substanzen können sich negativ auf die Reproduktion und Entwicklung von Lebewesen auswirken, werden trotz gesundheitlicher Bedenken aber zum Teil immer noch industriell genutzt.

Erschreckenderweise stellten die Forscher fest, dass die Belastung der Eisbären mit PFSAs zwischen 1984 und 2014 sogar kontinuierlich zugenommen hat. Besonders betroffen waren dabei die Tiere aus der Beaufortsee. Der wahrscheinliche Grund: Sie leben näher an den großen Industrieregionen Chinas, die die Chemikalien nach wie vor in großem Maßstab in die Umwelt freisetzen. Vor allem die unerwartete Zunahme einiger Umweltgifte gibt ihnen zufolge Anlass zur Sorge. Denn sie zeigt, dass bisherige Regulierungen und Verbote nicht weit genug gehen: „Gefährdete Tierarten reichern selbst an den Aussenposten der Erde wie im Nordpolarmeer immer mehr von diesen Stoffen an“, konstatiert das Team.

Heiner Kubny, PolarJournal

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