Virtuelle Polarregion lindert chronische Schmerzen | Polarjournal

Einmal die Polargebiete zu sehen und zu spüren ist für viele Menschen ein Herzenswunsch. Die raue Schönheit des hohen Nordens oder des tiefen Südens, die Abgeschiedenheit und das Gefühl der Ruhe, welches von Bildern aus diesen Regionen ausgeht, lässt einem selbst zur Ruhe kommen. Deswegen sind Reisen dorthin sehr beliebt geworden. Doch Bilder aus der Kälte haben auch einen positiven Effekt auf unsere Gesundheit, wie eine Studie britischer Forscher zeigt. Das Abtauchen in die virtuelle Realität der Arktis und Antarktis reduzierte bei Probanden die Intensität von chronischen Schmerzen.

Für die Studie, die am Imperial College London durchgeführt worden war, liessen sich 15 Probanden eine mit Capsaicin versetzte Crème auf ihre Beine auftragen. Dieser Stoff, der Chilischoten ihre Schärfe verleiht (und je nach Schote eine brennende Mundhöhle), liess die Haut sensitiver gegenüber kleinen Elektroschocks werden und sollte chronische Schmerzen wie Arthritis, Nervenreizungen oder Rückenschmerzen simulieren. Der Leiter der Studie, Dr. Sam Hughes, erklärt die Hintergründe dazu: «Eine der Hauptmerkmale von chronischen Schmerzen ist die gesteigerte Sensibilität gegenüber Schmerzstimuli. Das bedeutet, dass die Nerven eines Patienten ununterbrochen «feuern» und dem Gehirn melden, dass sie sich in einem gesteigerten Zustand des Schmerzes befinden.» Die Teilnehmer mussten danach den gefühlten Schmerz auf einer Skala von 0 bis 100 einteilen. Gleichzeitig wurde ihnen zuerst ein Bild einer polaren Szenerie gezeigt, danach gleich lang ein 360°-Video von National Geographic durch eine VR-Brille.

Das von National Geographic gedrehte interaktive Video lässt den Betrachter direkt in die Polarregionen abtauchen. Das Bild ist frei bewegbar und verleiht ein Gefühl des Mittendrin. Paul Nicklen war massgeblich an der Produktion beteiligt. Video: Youtube / National Geographic

Die Probanden beschrieben danach, dass durch das Abtauchen in die polare Szenerie der Videos das Schmerzempfinden und die Sensibilität gegenüber weiteren Schmerzen merklich abgenommen habe. Bei der Fotografie sie jedoch keine Wirkung zu spüren gewesen. «Unsere Resultate weisen darauf hin, dass VR Prozesse im Gehirn, im Gehirnstamm und im Rückenmark beeinflussen, die dafür bekannt sind, als Schlüsselelemente im körpereignen Schmerzbekämpfungssystem zu wirken und die wichtig in der Ausbreitung von gesteigertem Schmerzempfinden sind», erklärt Dr. Hughes. «Virtuelle Realität ist schon länger in der Schmerzforschung dafür bekannt, Patienten mit chronischen Schmerzen eine gewisse Linderung zu liefern. Die Resultate dieser Studie zeigen auch, dass es sich nicht um eine einfache Ablenkung des Patienten von den Schmerzen handelt, sondern eine Stimulierung des Körpers, die Schmerzen zu lindern, ist.

Die Forscher sind sich jedoch bewusst, dass die kleine Zahl an Probanden und die Tatsache, dass keiner von ihnen unter echten chronischen Schmerzen leidet, die Resultate der Studie noch etwas limitieren. Weitere Arbeiten wie beispielsweise die Untersuchung über die Dauer des Effekts und der Stimulierung sollen helfen, das Thema zu vertiefen. «Es gibt noch einiges zu erforschen. Doch ein aufregender Aspekt unserer Arbeit ist, dass das genutzte VR-Design komplett passiv ist, d.h. ohne die Nutzung der Extremitäten des Patienten. Das bedeutet, dass potentiell Patienten, die in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, aber chronische Schmerzen empfinden, auch von einem solchen Behandlungsansatz profitieren können», meint Dr. Hughes. Das Team entwickelt nun neue Experimente zur Weiterverfolgung ihrer Arbeit.

Quelle: Mathiew Leiser, Eye of the Arctic

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