Russland sondiert nach versenkten U-Booten | Polarjournal
Die Kursk ist das einzige der fünf gesunkenen Atom-U-Boote sowjetischer Bauart, das gehoben wurde. Mit Hilfe des Pontons Giant-4 schleppte der Hochseeschlepper Singapur die Kursk in den Hafen von Rosljakowo. Dort wurde die Kursk in ein Schwimmdock gebracht und abgewrackt.

In der Arktis existiert das giftige Vermächtnis des Kalten Krieges auch weiterhin. Die ehemalige Sowjetunion hatte dazumal ihre nuklearen Abfälle tonnenweise in den Tiefen des Meeres versenkt. Seit mehr als fünfzehn Jahren haben westliche Staaten Russland dabei geholfen, nuklearen Brennstoff von ausgemusterten U-Booten zu entfernen und zu entsorgen. Nicht ganz ohne Eigennutz, denn die Kola-Halbinsel ist die am nächsten zu Skandinavien gelegene russische Region.

Nachdem bereits in den ersten fünf Jahren immer wieder Probleme mit den Reaktoren aufgetreten waren, gab es am 24. Mai 1968 einen ernsten Unfall. Das Boot wurde nie dekontaminiert und der Reaktor nie repariert. 1980 wurde dann entschieden, den Rumpf mit beiden Reaktoren in der Karasee vor Nowaja Semlia zu versenken.

Aber weiter östlich liegt ein beinahe intaktes nuklear-betriebenes U-Boot, die K-27, auf dem Grund der Kara-See und sein hoch angereicherter Brennstoff, nämlich Uranstäbe, sind eine potentielle Zeitbombe. Die K-27 war ein Versuchs-U-Boot, das erste der sowjetischen Marine, welches von zwei Reaktoren angetrieben wurde. Das Unglück ereignete sich 1968 während Reparaturarbeiten, als radioaktive Gase aus einem der Reaktoren entwichen und Besatzungsmitglieder vergifteten. Neun Seeleute starben durch Strahlenkrankheit. Die Marine versuchte vergeblich die K-27 zu reparieren und versenkte das U-Boot 1982 illegal vor Nowaja Semlja.  Das sowjetische Militär behielt das Unglück für Jahrzehnte unter Verschluss. Das Boot liegt nur rund 30 Meter unter der Oberfläche im Stepovogo-Fjord, obwohl internationale Richtlinien verfügen, dass ausgemusterte Schiffe mindestens in 3‘000 Meter Tiefe versenkt werden müssen. Im Sommer 2012 haben die russischen Behörden mal nachgesehen, ob die K-27 sicher geborgen werden kann. Im Januar 2016 wurde angekündigt, dass das in Italien hergestellte Bergungsschiff «Itarus» für die Bergung des U-Bootes und der Atommüllcontainer genutzt werden soll. Passiert ist bis heute noch nichts. Die Uranbrennstäbe liegen noch im «Versiegelten» Inneren des Reaktors.

Die Behörden planen auch weitere zahlreiche Nuklearabfalldeponien in der Kara-See zu inspizieren, da dort der russische Energiekonzern Rosneft nach Gas und Öl suchen will. Daher möchte Russland keine radioaktive Bedrohung, welche diese Pläne überschatten könnte. Denn es geht um viel: Rosneft schätzt, dass die vor der Küste liegenden fossilen Reserven rund 21.5 Milliarden Tonnen umfassen. In einer Erklärung sagten die Behörden, dass vor einer Offshore-Bohrung «es in der Branche üblich ist, extensive Untersuchungen auf und unter dem Meeresboden durchzuführen», um nach möglichen Risiken zu suchen. Dabei werden Techniken wie Fernecholotung und ein Magnetometer benutzt. Weiter habe auch eine Untersuchung stattgefunden, die sich mit dem Nuklearabfall in der Kara-See befasst. «Man sei zuversichtlich, dass wir sicher in der Kara-See bohren können und keine Gefahren durch radioaktives Material auf dem Meeresboden bestehe».

1: 2 Reaktoren ohne verbrauchte Kernbrennstoffe
2: 2 Reaktoren ohne verbrauchte Kernbrennstoffe und 60% der Kernbrennstoffe des Eisbrechers Lenin in Containern
3: 6 Reaktoren mit Uran, 10 ohne Kernbrennstoffe, 11.000 Container mit radioaktiven Abfällen
4: Unterseeboot K-27 mit zwei Reaktoren
5: 3 Reaktoren mit und 3 ohne Kernbrennstoffe

Geheime Deponien in der Kara-See

Die westliche Seite der Kara-See, der Nowaja Semlja-Archipel, ist immer noch militärisches Sperrgebiet. Hier hatte die UdSSR ihr Wasserstoffbomben-Testgelände, zuerst noch oberirdisch, später unterirdisch. Hier liegt auch die K-27. Neben diesem U-Boot belegen offizielle Zahlen auch, dass die militärische Führung hier auch riesige Mengen an Nuklearabfällen entsorgt hatte: 17‘000 Container und 19 Schiffe mit radioaktiven Abfällen und 14 Kernreaktoren, von denen 5 noch mit gefährlichen abgebrannten Kernstäben versetzt sind. Daneben wurden schwach radioaktive Flüssigkeiten einfach ins Meer gekippt. Norwegische Experten und die IAEA (Internationale Atomenergiebehörde) sind zurzeit zufrieden, dass es keine Hinweise gibt auf ein oder mehrere Lecks – die radioaktiven Isotopenwerte in der Kara-See sind normal. Aber Ingar Amundsen, ein Mitarbeiter der norwegischen Strahlenschutzbehörde (NRPA), sagt, dass weitere Kontrollen nötig seien. Das Risiko eines Lecks aufgrund von Korrosion durch das Salzwasser hänge wie ein Damokles-Schwert über dem Ganzen – und das wäre im Falle der K27 besonders schwerwiegend, sagte er. «Man kann nicht die Möglichkeit ausschliessen, dass da unten noch mehr Abfall liegt, von dem wir gar nichts wissen», meinte er.

Die K-159 war ein Atom-U-Boot der sowjetischen und später der russischen Marine. 2003 sank das ausser Dienst gestellte Boot mit neun Besatzungsmitgliedern während dem Abschleppen zur Abwrackung. Das U-Boot liegt nun in 238 Meter Tiefe.

Weitere Wracks möglich

Mit internationaler Hilfe gelang es Russland, das Wrack des U-Bootes «Kursk» zu bergen, nachdem es in der Barents-See während einer Übungsfahrt im Jahr 2000 gesunken war. Eine Torpedo-Explosion und ein Feuer kostete damals 118 Seeleute das Leben. Die russische Marine geriet wegen ihrer schleppenden Hilfe stark unter Kritik. Aber ein weiteres gesunkenes U-Boot, die K-159, liegt immer noch in internationalen Gewässern auf dem Grund der Barents-See. Und in der Norwegischen See liegt die K-278 Komsomolets seit 1989 inklusive atomare Brennstäbe und Sprengköpfe, zu tief für eine Bergung. Am 5. Juli 2019 haben Wissenschaftler mit einem Roboter eine Tauchfahrt zur K-278 Komsomolets unternommen. Die von Norwegen und Russland gemeinsam durchgeführte Expedition zum Wrack hat erfolgreich erste Proben vom U-Boot und der Umgebung nehmen können. Die Resultate zeigen, dass teilweise sehr hohe Konzentrationen von Radioaktivität austreten. Diese werden jedoch gemäss Aussagen der Expeditions-Leiterin Hilde Elise Heldal von den Wassermengen sehr schnell und stark verdünnt. Doch das Wrack muss weiter unter Beobachtung bleiben.

Die K-278 Komsomolets war ein sowjetisches Atom-U-Boot. Es wurde 1984 in Dienst gestellt und sank am 7. April 1989 nach einer schweren Explosion. Das Boot liegt 180 km südöstlich der Bäreninsel im europäischen Nordmeer vor der Küste Norwegens in einer Tiefe von etwa 1‘858 Metern.

Heiner Kubny, PolarJournal

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