Die antarktischen Ökosysteme waren während Jahrmillionen von der restlichen Welt dank der Konvergenzlinie abgeschnitten. Dadurch konnte sich eine einmalige und hochspezifische Tier- und Pflanzenwelt entwickeln und gedeihen. Doch durch den Klimawandel und menschliche Aktivitäten ist die Gefahr gestiegen, dass neue, fremde Arten schneller in die Antarktis eingeschleppt werden, bzw. einwandern und die Spezialisten verdrängen. Eine internationale Forschungsgruppe unter der Leitung der British Antarctic Survey (BAS) hat nun eine Liste mit den wahrscheinlichsten Invasoren erstellt und veröffentlicht.
In der Arbeit, die in der Fachzeitschrift Global Change Biology veröffentlicht wurde, sind von insgesamt 103 untersuchten Arten dreizehn als besonders wahrscheinliche invasive Arten identifiziert worden. Dazu gehören acht wirbellose Meerestiere, zwei Landpflanzenarten, zwei Landwirbellose und eine Algenart. Das Gebiet, das dabei als Eintrittsort am ehesten in Frage kommt, ist die antarktische Halbinsel. Dazu meint Hauptautor Dr. Kevin Hughes von der BAS: «Die antarktische Halbinsel ist die mit Abstand geschäftigste und am stärksten besuchte Region Antarktikas aufgrund des wachsenden Tourismus und der wissenschaftlichen Forschungsarbeiten. Invasive Arten können auf verschiedensten Wegen nach Antarktika gelangen. Besucher können Samen und nicht steriles Bodenmaterial an ihren Kleidern und Schuhen tragen», erklärt er. «In eingeführten Waren, Fahrzeugen und frischen Nahrungsmitteln können sich Tiere und Pflanzen verstecken, darunter Insekten und sogar Ratten und Mäuse. Meeresarten sind ein besonderes Problem, da sie an Schiffen und in Ballasttanks stecken können. Wenn einmal etabliert, sind solche Arten schwer wieder wegzukriegen», sagt Dr. Hughes weiter.
Die Forschungsgruppe erstellte ihre Liste nach der Untersuchung von hunderten von wissenschaftlichen Arbeiten, Berichten und Datenbanken und berechnete dabei die Wahrscheinlichkeit verschiedener Arten, in der Antarktis Fuss fassen zu können. Dr. David Barnes, Mitautor der Studie sagt dazu: «Wirbellose Meerestiere wie Krabben und Muscheln stehen auf der Liste zuoberst der möglichen Invasoren der antarktischen Halbinsel. Doch auch Landpflanzen, Milben und Springschwänze sind auf der Liste. Besonders aber Muscheln sind eine Gefahr. Denn falls sie sich etablieren können, dominieren sie schnell die Lebensräume durch das Verdrängen einheimischer Tierarten vom Meeresboden.» Solchen Generalisten-Arten kommt zugute, dass sie eine breitere Spanne von Faktoren aushalten und sich schneller an neue Gegebenheiten anpassen können als die hochspezialisierten Einheimischen. Einige Arten hatten sich bereits im Umfeld von Antarktis-Stationen angesiedelt und konnten nur mit massivem finanziellem und logistischem Aufwand wieder entfernt werden. Dank der Umsetzung des Madrider Protokolls und der IAATO-Regeln für Besucher in der Antarktis, ist die Gefahr etwas zurückgegangen.
Professor Helen Roy vom britischen Zentrum für Hydrologie und Ökologie relativiert auch die Gefahr durch verschiedene Arten: «Wir glauben, dass die Bedingungen auf der antarktischen Halbinsel zu extrem für höhere Säugetiere wie Ratten und Mäuse bleiben werden. Doch die Tiere könnten sich in den Stationsgebäuden verstecken und so überleben. Daher müssen alle aufmerksam bleiben und Ausschau nach Hinterlassenschaften und Bissspuren halten in den Stationen und darum herum.» Die Gefahr geht auch eher von weniger komplexen Arten wie beispielsweise Gräsern, Moosen oder Meerestieren aus. Daher warnt Professor Roy: «Es ist wichtig sicherzustellen, dass umfangreiche Biosicherheitskontrollen für alle Besucher eines Areals eingeführt werden, um ein Eindringen von nicht-einheimischen Arten nach Antarktika zu verhindern. Nur so können wir die Risiken minimieren und diese wundervolle, aber verletzliche antarktische Landschaft vor einer Invasion schützen», erklärt sie abschliessend.
Quelle: British Antarctic Survey
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