Nachdem 2012 ein Grossbrand die brasilianische Antarktisstation Comandante Ferraz praktisch vollständig zerstört hatte, versprach die Regierung einen schnellen Wiederaufbau und eine bessere, sicherere, grössere Station und einen Ausbau des nationalen Antarktisprogrammes. Einerseits wurde die Station nun nach 4 Jahren Bauzeit offiziell eröffnet und sie ist tatsächlich grösser, besser, sicherer. Doch gleichzeitig bestehen Zweifel, ob die gegenwärtige Regierung von Jair Bolsonaro die finanziellen Mittel für die Ausschöpfung des vollen Potentials der Station freigeben wird.
Die Station, die von der brasilianischen Architektur-Firma Estúdio 41 entwickelt worden ist, wurde innert vier Jahren an derselben Stelle aufgebaut, an der bereits der Vorgänger gestanden hatte. Am vergangenen Dienstag, 15. Januar 2020 wurde die Station nun offiziell im Beisein von Regierungsvertretern und Forschern eröffnet. Als erste wissenschaftliche Aktion wurde ein Wetterballon gestartet. «Das ist eine erstklassige Einrichtung und in vielen Bereichen spektakulär», erklärt Dr. Wim Degrave, Molekularbiologe an der Oswaldo Cruz Stiftung. Er hatte die Station bereits im November 2019 besucht und einen Einblick in die Infrastruktur erhalten. Auch Jefferson Simões, brasilianischer Vizepräsident von SCAR, dem internationalen Wissenschaftskomitee für Antarktisforschung, ist begeistert von der Anlage. «Das Ganze ist ein echter Fortschritt,» erklärt er. Während in den vergangenen acht Jahren das brasilianische Antarktisprogramm zwar fortgeführt worden war, mussten die Wissenschaftler aber stark improvisieren. Beispielsweise mussten alle Proben eingefroren werden und konnten erst in Brasilien untersucht werden. «Es ist ein gewaltiger Unterschied für die Forschung, wenn man mit frischen Proben arbeiten kann,» sagt Simões weiter. Nun stehen 17 voll ausgestattet Labors, ein Heliport und Platz für bis zu 64 Personen zur Verfügung. Die Forschungsgebiete, die nun betrieben werden können, reichen von Klima- und Umweltstudien bis zu Paläontologie und Humanphysiology. Auch die Unterbringung hat dazugewonnen und ähnelt jetzt mehr einem modernen Hotel. Ab kommenden Sommer, nachdem die letzten Systeme eingebaut und getestet worden sind, steht die Station voll funktionstüchtig zur Verfügung.
Doch bei aller Freude und Enthusiasmus über die doppelt so grosse, architektonisch ansprechende Station, bestehen grosse Bedenken über die Zukunft der Anlage. Gemäss Jefferson Simões müssten rund US$ 1.5 Millionen jährlich allein in das brasilianische Antarktisprogramm fliessen, Logistikkosten nicht mit eingerechnet, um die Station und das Forschungsprogramm produktiv am Laufen zu halten. «Wir haben nun die Infrastruktur. Doch es liegt nun an uns, zusammen mit der Regierung, das Geld zu finden, um die notwendige Forschungsarbeit aufrechterhalten zu können. Denn ansonsten wird die Anlage einfach ein hübsches, leeres Haus sein», meint Simões nachdenklich. Und das könnte ein Problem werden. Denn Präsident Jair Bolsonare und seine Regierung haben sich nicht gerade wissenschaftsfreundlich gezeigt in der Vergangenheit. Die Kosten der Station wurden zwar vom Verteidigungsministerium übernommen und von der brasilianischen Marine betrieben. Doch das Antarktisprogramm PROANTAR kämpft seit Jahren um finanzielle Unterstützung und konnte 2018 mit Mühe und Not sein neues Budget sichern. Die US$ 4.5 Millionen wurden dann auf 17 ausgewählte Projekte verteilt und das Geld muss bis 2022 reichen. «Das reicht gerade, um das Programm am Leben zu erhalten. Doch in Kürze werden wir wieder den Eimer rumreichen müssen,» sagt Simões. Die Regierung hat zwar bekräftigt, dass das nationale Forschungsprogramm von strategischem Interesse für Brasilien sei und Mittel auch weiterhin gesprochen werden würden. Doch echte Zusagen über 2022 hinaus wurden keine gemacht.
Quelle: Herton Escobar, Science Magazin
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