Die Permafrostregionen der Arktis werden häufig als natürliche Tiefkühltruhe bezeichnet, in der eine riesige Menge Kohlenstoff lagert, hauptsächlich in Form von über Jahrtausende angesammelte Tier- und Pflanzenresten. Diese werden jedoch von Mikroorganismen zersetzt, sobald der bisher dauergefrorene Boden auftaut. Dabei entstehen klimaschädliche Treibhausgase wie Methan und Kohlendioxid.
Ein internationales Forscherteam hat jetzt herausgefunden, dass das Tempo des Auftauens einen entscheidenden Einfluss auf die Art und Menge der freigesetzten Treibhausgase hat. Wie die Forschenden im Fachmagazin Nature Geoscience berichten, könnten abrupte Auftauprozesse, wie sie in etwa fünf Prozent der arktischen Permafrost-Landschaften möglich sind, die Gesamtemissionen um 40 Prozent erhöhen – ein Plus, welches aktuelle Klimamodelle bislang nicht berücksichtigen.
Schnelle Auftauprozesse verändern bereits jetzt die Landschaft und Ökosysteme der Arktis. Darunter versteht man zum Beispiel das zügige Auftauen und Absinken großer Permafrost-Flächen. Es zählen aber auch sogenannte Taurutschungen in Hanglagen dazu und die Entstehung von Senken, in denen sich Regen- und Schmelzwasser sammelt, sodass sich Tümpel und Seen bilden. Diese sogenannten Thermokarstseen nehmen an ihrer Oberfläche viel mehr Sonnenenergie auf als die umgebende Landfläche. Die im Wasser gespeicherte Wärme wird anschließend auf besonders effektive Weise an den gefrorenen Untergrund abgegeben – am Gewässergrund ebenso wie an den Uferrändern, weshalb der Permafrost im Umfeld des Sees schnell auftaut. Oft zerfällt der Uferbereich und unter bestimmten Umständen läuft der See sogar aus. Mikroorganismen haben dann beste Ausgangsbedingungen, um die einst im Permafrost eingeschlossenen Tier- und Pflanzenreste zu zersetzen und dabei Treibhausgase wie Methan und Kohlendioxid zu produzieren.
„Ein schnelles Auftauen des Permafrostes stellt immer eine dramatische ökologische Veränderung dar. Permafrost-Landschaften, in denen man eben noch mit Wanderschuhen laufen konnte und die trocken genug waren, dass Bäume wachsen konnten, verwandeln sich innerhalb kürzester Zeit in ein schlammiges Durcheinander“, berichtet Hauptautorin Prof. Merritt Turetsky, Direktorin des Instituts für Arktis- und Alpenforschung (INSTAAR) an der Universität Colorado Boulder.
Schnelles Auftauen setzt sehr viel Methan frei
Die arktischen Dauerfrostböden enthalten schätzungsweise 1440 bis 1600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von organischen Resten – verteilt auf eine Gesamtfläche von 18 Millionen Quadratkilometer. Die Wissenschaftler gehen in ihrer neuen Studie davon aus, dass ein Fünftel dieser Landschaften so viel Eis im Untergrund enthält, dass ein schnelles Auftauen des Erdreiches begünstigt wird. „Wie wir jetzt wissen, wird bei diesem schnellen Auftauen sehr viel Kohlenstoff in Form von Methan freigesetzt, welches als Treibhausgas etwa 25-mal klimawirksamer ist als Kohlenstoffdioxid. Das heißt, schnelle Auftauprozesse auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche entfalten langfristig eine enorme Wirkung“, sagt Mitautor Prof. Guido Grosse, Leiter der Sektion Permafrostforschung am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Potsdam.
Für die neue Studie hatte das internationale Forscherteam in verschiedenen Modellstudien verglichen, welche Menge Treibhausgase derzeit und bis zum Jahr 2300 freigesetzt wird, wenn der Permafrost allmählich auftaut – gemeint sind Zeiträume von mehreren Jahrzehnten – und welche Emissionen entstehen, wenn die Tauprozesse innerhalb weniger Tage oder Jahre ablaufen. „Diese Unterschiede zu kennen, ist von großer Bedeutung, denn noch können unsere Klimamodelle nur das allmähliche Auftauen des Permafrostes abbilden. Sie unterschätzen damit das Emissions- und Erwärmungspotenzial tauender Permafrost-Landschaften auf substantielle Weise“, erläutert Guido Grosse.
Würde man die schnellen Tauprozesse mit einbeziehen, fiele die Schätzung zum Erwärmungspotential durch Emissionen aus den arktischen Permafrost-Region doppelt so hoch aus, berichten die Autoren. Damit könnten die Treibhausgas-Emissionen in Permafrost-Regionen zwar nicht als Klimabombe bezeichnet werden, fest stehe jedoch, dass sie den vom Menschen verursachten Klimawandel weiter verschärfen werden.
Die Ergebnisse der neuen Studie verdeutlichen die Dringlichkeit, Permafrost und die verschiedenen Mechanismen seines Auftauens in alle Klimamodelle einzubauen. Gleichzeitig aber müsse die Menschheit den Klimaschutz verstärken, um die Erderwärmung zu begrenzen. „Wenn wir in diesem Jahrzehnt handeln, können die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch abgewendet werden“, sagt Merritt Turetsky.
Quelle: AWI, Bremerhaven