AECO kämpft um Fristverlängerung für Naturschutzmassnahmen in Svalbard | Polarjournal

UPDATE: Das Ministerium für Klima und Umwelt hat der Umweltbehörde von Svalbard eine Fristverlängerung von einem Monat (bis 1. Juni 2020) gewährt. Das Ministerium schreibt, dass zurzeit Inputs und Ansichten einfach bereitgestellt werden sollen. Darüber könne dann im Herbst auch noch diskutiert werden. In einer ersten Reaktion zeigt sich Frigg Jørgensen wenig erfreut über die Entscheidung. Das Ministerium verkenne wohl die Realität der Situation, in der sich fast alle Beteiligten in Svalbard befänden. „Wir arbeiten unter Hochdruck daran, dass es überhaupt noch eine AECO geben wird im Herbst. Sie (Das Ministerium) ignorieren völlig die Probleme der Branche.“ Es werde nach der Krise eine neue Situation herrschen, was die Tourismusindustrie und Svalbard betreffe, und dem muss in den neuen Richtlinien Rechnung getragen werden, sagt sie gegenüber Svalbardposten.

Die Zahlen von Menschen, die Svalbard besuchen wollen, sind rasant angestiegen. Doch gleichzeitig sind sowohl lokal wie auch national die Bedenken gestiegen, dass die Natur darunter am meisten leiden würde. Darum sollen neue Massnahmen den Druck auf die Natur mindern. Bild: Michael Wenger

Der Tourismus in Svalbard hat in den vergangenen Jahren einen massiven Anstieg verzeichnet. Immer mehr Kreuzfahrtschiffe wollen die hohe Arktis ihren Gästen zeigen, unabhängig davon, ob die Schiffe für solche Fahrten geeignet sind oder nicht; immer mehr Leute wollen auch als Guide in dieser Region arbeiten, unabhängig davon, ob sie arktische Erfahrungen aufweisen oder nicht. Diese Entwicklung hat auch die norwegische Regierung dazu gebracht, ihre Politik für Svalbard zu überdenken und neue Massnahmen zum Schutz der arktischen Natur zu fordern. Dafür wurden die entsprechenden Verbände wir Svalbard Business Association und die AECO (Association of Arctic Expedition Cruise Operators) aufgefordert, bis heute einen ersten Entwurf vorzulegen.

Die Geschäftsführerin der AECO, Frigg Jørgensen, hatte bereits letzte Woche beim Gouverneur und bei der Umweltbehörde in Longyearbyen eine Verlängerung der Frist schriftlich beantragt. «Doch es wurde uns nur eine Woche mehr gewährt», sagt sie gegenüber Svalbardposten, der lokalen Zeitung. Und sie sagt es mit einer gewissen Frustration und Unverständnis. Denn gleichzeitig mit den von der Verwaltung geforderten Massnahmenentwürfen, muss sich die AECO und ihre Mitglieder auch noch mit den Auswirkungen der Corona-Krise in Svalbard beschäftigen. «Zurzeit wissen wir nicht, wo uns der Kopf steht. Und wir sind sehr frustriert, dass man nicht zumindest diesen einen Prozess verschieben kann. Denn während wir hier mit dem Rücken zur Wand stehen und versuchen zu retten, was zu retten ist, macht die Verwaltung einfach weiter wie bisher», erklärt Jørgensen weiter. Denn der Einreisestopp der norwegischen Regierung und dessen ungewisse Zeitdauer hat bereits massive Auswirkungen auf die Schiffsbetreiber und Reiseveranstalter. Niemand weiss, wann oder ob überhaupt eine Sommersaison starten wird. Sollte sie tatsächlich starten, sind dann auch die Ungewissheiten, welche von der Regierung bereits umgesetzten Massnahmen in Bezug auf Arbeitsverhältnisse, Guide-Qualifikationen, Stellen-spezifische Richtlinien wie, wann und für wen gelten. Im Moment sollte die volle Aufmerksamkeit den Auswirkungen der Virus-Krise gelten und der Dialog mit den entsprechenden Stellen dazu geführt werden. «Wir haben auch nur eine begrenzte Gesprächszeit dafür, wenn wir gleichzeitig versuchen, hier und jetzt Arbeitsplätze zu retten», meint die AECO-Geschäftsführerin.

Die Geschäftsführerin der AECO (rechts im Bild) hat lange Zeit in Longyearbyen gelebt und war Teil der Verwaltung Svalbards. Sie ist eine pragmatische Kämpferin und profunde Kennerin der Expeditionsreiseindustrie, vergisst jedoch nie, wie wichtig Umwelt-, Natur- und Kulturschutz für die Industrie ist. Bild: Michael Wenger

Für die Umweltbehörde und dessen Leiter Knut Fossum ist verständlich, dass sich der Tourismus-Sektor auf Svalbard momentan in einer schwierigen Situation befindet. «Deswegen haben wir die Anfrage zur Fristverlängerung ja auch zugesagt. Wir haben denjenigen, die um Verlängerung gebeten hatten, Zeit bis zum 24. März gegeben. Und wenn weitere Interessenvertreter dies wünschen, werden diese Verlängerung auch erhalten», erklärt er. «Ausserdem werden die Vorschläge ja nicht in ihrer endgültigen Form vorliegen. Wir wollen den Dialog damit dann weiterführen und die Vorschläge aller sammeln und in eine finale Form in einer nächsten Runde bringen», sagt Fossum. «Diese Form soll dann als vorläufiger Vorschlag am 1. Mai beim Ministerium für Klima und Umwelt eingereicht werden. Das Ministerium wird danach entscheiden, wie es weitergehen wird.» Das bedeutet, dass nun der Ball wieder bei der Arbeitsgruppe liegt, in der neben der AECO auch andere Interessenvertreter aus Svalbards Tourismusindustrie zusammengefasst sind. Doch aufgrund der COVID-19-Ausbreitung hat sich die Gruppe bis zum 24. März vertagt. Tatsächlich hatte die Regierung erst am 20. Februar darüber informiert, dass sie Änderungen im Verkehr, in der Eisbärenverhaltensregeln, im Schiffsbereich und für Anlandungen wünscht und die Interessenvertreter Massnahmenvorschläge einreichen sollen. (siehe Box).

Die Landschaft und Natur Svalbards ist einzigartig und gilt als Sinnbild für die Vielfalt der Arktis. Die AECO setzt sich für einen natur- und umweltverträglichen Tourismus ein, um diese Schönheit Interessierten zeigen zu können. Bild: Michael Wenger

Box:
In den vergangenen 10 Monaten hatte sich die Situation rund um den Tourismus in Svalbard verändert. Die norwegische Regierung hatte insgesamt acht Mal über Änderungen der Richtlinien und Regeln für Svalbard informiert, bzw. die Interessenvertreter dazu aufgefordert, neue und griffigere Massnahmen zu präsentieren. Im Vordergrund dabei standen Arbeitsgesetze und Qualifikationen für Guides, Land- und Wohnraumnutzung in Longyearbyen, Umwelt- und Naturschutz in den besuchten Regionen rund um den Archipel. Dazu sollten verschiedene Institutionen wie die Umweltbehörde Svalbards, das Norwegische Polarinstitut und der Gouverneur dem Ministerium Vorschläge unterbreiten. Die Zeitleiste dazu:

  • Mai 2019: Die Arbeitsministerin verkündet bei einem Besuch in Longyearbyen, dass die Arbeitsbedingungen und die Kontrollen dazu dem norwegischen Festland angeglichen werden sollen.
  • Juni 2019: Die Verwaltung Svalbard will neue Naturschutzpläne für weite Bereiche Svalbards ausarbeiten, u.a. auch für das Adventdalen, eine Verkehrsachse von Longyearbyen aus.
  • September 2019: Das Handels- und Fischereiministerium lässt verlautbaren, dass es selber die Landnutzung in Longyearbyen ab April 2020 verwalten wird.
  • Oktober 2019: Die Regierung veröffentlicht in einer Nacht-und Nebelaktion ihre neue Svalbardstrategie und verlangt eine Neuorientierung des Svalbardtourismus von allen Beteiligten.
  • Dezember 2019: Die Regierung will Grössenbeschränkungen für Schiffe in Svalbard und ein Schwerölverbot im gesamten Archipel, inkl. Isfjorden, einsetzen. Weiter werden Ende Dezember neue ortsspezifische Gesetze, inkl. ein Landungsverbot im Bockfjord, für Westspitzbergen veröffentlicht.
  • Januar 2020: Neue Richtlinien und Gesetze, inkl. eine Zertifizierung der Guides auf Svalbard sollen eingeführt werden. Ausserdem sind die Gesetze für das Führen von Kleinbooten verschärft worden. Dies führt zu einer grossen Verunsicherung innerhalb der Guides in Bezug auf das Zodiac-Fahren
  • Februar 2020: Die Regierung will keine Neubauten mehr in Longyearbyen, sondern eine Verdichtung und der Nutzungsänderung der bestehenden Bauten. Dies führt zu einem Konflikt mit der lokalen Verwaltung, die sich für die Landnutzung in der Verantwortung sieht. Ende Februar schreibt dann die Regierung, dass sie verschiedene Verkehrsverbote, strengere Regeln im Umgang mit Eisbären und eine Änderung der Anlandungen in sensiblen Gebieten prüft.

Quelle: Svalbardposten

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