Vivian Fuchs – Ein erster und ein vierter Rang | Polarjournal
Sir Vivian Ernest „Bunny“ Fuchs war ein britischer Geologe und Polarforscher. Auf einer Expedition zwischen 1949 und 1950 blieben er und sein Team aufgrund besonders schwieriger Wetterlage für zwei Sommer ohne Außenkontakt in der Antarktis. Während dieser Zeit fasste er den Plan, eine Durchquerung der Antarktis zu versuchen und damit den Plan von Ernest Shackleton zu erfüllen, den dieser aufgeben musste.

19. Januar 1958: Man hatte extra Journalisten zur US-amerikanischen Station am Südpol eingeflogen, weil die ganze Welt gespannt war, ob das grosse Abenteuer gelingt: Vivian Fuchs, 40 Jahre alt, der berühmte englische Geologe mit deutschen Wurzeln, von der National Geographic Society mit der Goldmedaille ausgezeichneter Armeemajor und verdienter Afrikaforscher, dieser Vivian Fuchs also war seit Wochen mit 12 Mann, Traktoren, Raupenfahrzeugen, Schlittenhunden und begleitet von Flugzeugen in der Antarktis unterwegs, und es sah ganz so aus, als würde er es tatsächlich schaffen, als erster Mensch den Weissen Kontinent auf dem Landweg zu durchqueren. Vivian Fuchs musste jeden Moment am Südpol eintreffen. Die Journalisten waren aber auf etwas ganz anderes gespannt: Würde es einen heftigen Streit geben zwischen Vivian Fuchs und Sir Edmund Hillary?

Die Trans-Antarctic Expedition von Vivian Fuchs war eine Materialschlacht und nicht immer ungefährlich. Bei der Durchquerung der Antarktis legte Fuchs in genau 99 Tagen eine Strecke von 3.440 Kilometern zurück.

Es war nämlich so: Die Commonwealth Trans-Antarctic Expedition unter der Leitung von Vivian Fuchs sah vor, dass Fuchs von der Küste des Weddell-Meeres startete, zum Südpol vorstiess und von dort zur gegenüberliegenden Küste am Rossmeer weiterzog. Am Zielpunkt an der Ross-Meerküste war Sir Edmund Hillary, jawohl, der Mann, der fünf Jahre zuvor als erster Mensch auf dem Gipfel des Mount Everest gestanden hatte, Edmund Hillary also war mit seinem Team bereits eingerichtet und fuhr, ebenfalls mit Traktoren und Raupenfahrzeugen, Fuchs entgegen: Das Team Hillary hatte nämlich die Aufgabe, Nahrungs- und Materialdepots einzurichten, damit das Team Fuchs die letzten paar hundert Kilometer sicher über die Runden kommt. Hillary erledigte seinen Job problemlos, und weil er grad so nah am Südpol war, entschloss er sich spontan und gegen den Expeditionsplan, zum Südpol vorzurücken und Fuchs dort in Empfang zu nehmen. Dumm nur: Edmund Hillary war somit der dritte Expeditionsleiter überhaupt, der den Südpol zu Fuss erreichte – nach dem spektakulären Wettlauf von Roald Amundsen und Robert Falcon Scott sagenhafte 47 Jahre zuvor. Und diese Ehre hätte eigentlich Vivian Fuchs zugestanden. Verständlich also, dass Fuchs allen Grund hatte, auf Hillary sauer zu sein.

Sir Edmund Hillary und Sir Vivian Fuchs am Südpol. Sie lieferten sich aus zwei unterschiedlichen Richtungen einen freundschaftlichen Wettlauf zum Südpol, welchen Hillary knapp für sich entschied. Damit führte Hillary die dritte Expedition – nach Amundsen und Scott – erfolgreich zum Pol, Fuchs die vierte.

Die Begegnung verlief dann allerdings friedlich: «Hallo Bunny», schrieben die Journalisten Hillarys Worte mit (Bunny war Fuchs’ Spitzname aus Studententagen). «Verdammt froh, dich zu sehen, Ed», entgegnete Fuchs entspannt. Der Rest war Friede, Freude, Eierkuchen, Fuchs lobte sogar das Engagement von Hillary und hatte keine Mühe damit, «lediglich» der vierte Expeditionsleiter zu sein, der je zu Fuss den Südpol erreichte. Vivian Fuchs brach bald wieder auf, er musste ja noch zum Rossmeer weiter. Sein Tross nahm exakt die Route, auf der Hillary zuvor die Depots angelegt hatte. Hillary selbst bevorzugte für seinen Retourweg den Flieger. Am 2. März 1958 erreichte Vivian Fuchs mit seinen Mannen die Scott-Basis am Rossmeer – und war somit der erste Mensch, der die Antarktis auf dem Landweg durchquert hatte. 3‘473 Kilometer in 99 Tagen. Zwei Jahre minutiöse Vorbereitung, zwei Überwinterungen unter widrigsten Wetterverhältnissen und Tonnen von verlorengegangenem Material hatten sich gelohnt. Noch in der Basis informierte ihn die englische Königin Elizabeth II., unter deren Schirmherrschaft die Commonwealth Trans-Antarctic Expedition durchgeführt wurde, dass sie Fuchs für diese Leistung zum Ritter zu schlagen gedenke.

Sir Edmund Hillary und Vivian (Bunny) Fuchs treffen sich nach Abschluss der Transantarktis-Expedition auf dem Meereis außerhalb der Scott Base.

Im gleichen Jahr wurde Fuchs auch zum Direktor des British Antarctic Survey ernannt. Auf heutige Massstäbe umgerechnet, hatte die Expedition rund 13 Millionen Franken gekostet; es war eine Zusammenarbeit des Vereinigten Königreichs mit Neuseeland, Australien und Südafrika, die ausschliesslich über Spenden finanziert wurde. Da war es tröstlich, dass Vivian Fuchs von unterwegs auch viele geologische Forschungsergebnisse mitbrachte. Unter anderem zündete er alle 30 bis 50 Kilometer eine Bombe im Eis und mass mittels seismografischer Messungen die Eisdicke und die Beschaffenheit des Bodens unter dem Eis. Aus heutiger Sicht scheint es einfach, die Antarktis mit Traktoren und Raupenfahrzeugen, mit der Unterstützung von Flugzeugen und einem zweiten Team, das Depots einrichtete, zu durchqueren. Tatsächlich könnte man Fuchs’ Expedition auch als Materialschlacht bezeichnen. Das wird aber der erbrachten Leistung keineswegs gerecht angesichts des Umstands, dass die zweite Durchquerung der Antarktis auf dem Landweg nach mehreren erfolglosen Versuchen erst 1981 gelang, 23 Jahre nach Vivian Fuchs.

Autorin: Greta Paulsdottir

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