Die US-amerikanische Arktis-Politik hat in den letzten Monaten an Schwung gewonnen, nachdem sie zuvor jahrelang von der Trump-Regierung vernachlässigt worden war. Die Aufrüstung Russlands und die wirtschaftlichen Interessen Chinas haben Washington dazu gebracht, sich verstärkt den sicherheitspolitischen Aspekten der Arktispolitik zu widmen. Nach einem ersten Manöver im Januar/Februar dieses Jahres hat nun ein amerikanisch-britischer Flottenverband ein weiteres U-Boot-Manöver im Europäischen Nordmeer nahe Norwegen durchgeführt und ist nun in die Barentssee hineingefahren. Brisant dabei: Norwegen selbst ist nicht an den Aktionen beteiligt.
Der Flottenverband, der aus drei US-amerikanischen Lenkwaffen-Zerstörer, einer britischen Fregatte, einem Aufklärungsflugzeug und einem Atom-U-Boot der US Navy und insgesamt 1’200 Mann bestand, führte die Übung gemäss norwegischen Berichten in internationalen Gewässern durch. «Wir nahmen nicht am Manöver teil. Die Übung wurde in internationalem Gewässer durchgeführt», sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums gegenüber The Barents Observer. Das Manöver sei Teil eines kombinierten Trainings zusammen mit dem britischen U-Boot-Flottenkommando gewesen, hiess es auf der Webseite der US-Flotte. Die Kommandantin der 6. US-Flotte, zu der die US-amerikanischen Schiffe gehören, Vizeadmiral Lisa Franchetti, liess in einer Erklärung verlauten, dass die Übung zur Wahrung der Navigationsfreiheit in allen Gewässern und zur Demonstration der nahtlosen Einbindung zwischen Alliierten gedient hatte. «Wir setzen und weiterhin für die Förderung der regionalen Sicherheit und Stabilität ein, bauen gleichzeitig Vertrauen auf und stärken die Grundlage für eine Bereitschaft in der Arktis.»
In einer früheren Erklärung zum Manöver hiess es: «Die USA sind eine Arktisnation (…). Wir arbeiten mit unseren Arktischen und europäischen Partnern zusammen, um eine offene Arktis zu gewährleisten, indem wir das Recht auf freie Navigation und auf Überflug durch die Region aufrechterhalten (…). Das Statement der Flottenleitung überrascht ein wenig, denn die US-Streitkräfte hatten sich erst vor zwei Monaten aus einer grossen NATO-Übung zurückgezogen und ihre eigene Übung mit den Briten und anderen Alliierten im Norden von Alaska durchgeführt. Die gegenwärtige Regierung unter Präsident Trump hatte bisher auch keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber des US-Engagements innerhalb des Verteidigungsbündnisses gemacht. In der Erklärung auf der Webseite der 6. US-Flotte steht auch, dass «bilaterale Engagements die internationale Sicherheit stärken und das Recht auf freie Navigation entlang gefährdeter Schifffahrtsrouten fördern werden.»
Trotzdem überrascht die Nicht-Teilnahme der Norweger am Manöver vor ihrer eigenen Haustür. Denn erst vor zwei Wochen hatte der norwegische Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen erklärt, dass Norwegen eine regelmässige und sichtbare Präsenz im Norden zeigen müsse. Denn ansonsten «könnte eine Lücke entstehen, in die entweder ein Alliierter oder jemand anderes reinspringen könnte. Eine solche Entwicklung könnte negative Folgen für die Stabilität haben und Norwegen könnte seinen Einfluss auf die sicherheitspolitischen Entwicklungen in seiner eigenen Nachbarschaft verlieren.» Gemäss der Angaben der US-Flotte sind die US-Schiffe nun in die Barentssee hineingefahren und es sei zum ersten Mal seit Ende des Kalten Krieges, dass US-Schiff so weit im Norden sind.
Russland, an dessen Adresse die Manöver gehen, ist wahrscheinlich nicht sehr angetan von der Tatsache, dass nicht-norwegische Schiffe in der Barentssee jetzt operieren. In der Vergangenheit waren die Übungen Norwegens, das sich selber als «NATO im Norden» bezeichnet, von Russland als Nachbarstaat akzeptiert worden. Die beiden Länder hatten sich auch immer über die entsprechenden Manöver informiert. Ob die 6. Flotte Russland über die Manöver im Europäischen Nordmeer in Kenntnis gesetzt hatte, ist nicht bekannt. Der Vorstoss in die Barentssee jedoch wurde bereits am 1. Mai an die russischen Stellen weitergeben, um «Missverständnissen vorzugreifen, Risiken zu reduzieren und unangemessene Eskalationen vorzubeugen», wie die Flotte schreibt. Unmissverständlich dürften zumindest die Wahl zwei der Schiffe des Flottenverbandes sein: Sowohl die USS Porter wie auch die USS Donald Cook waren bereits 2014 im Schwarzen Meer mit dem russischen Militär aneinandergeraten und dürften der militärischen Führung in Moskau bekannt sein.
Doch es ist sicher, dass Russland diesen Vorstoss als eine weitere Herausforderung sehen wird. Sowohl Russland wie auch die USA haben sich in den letzten Monaten mit Aktionen auf verschiedenen Ebenen einen Schlagabtausch um die Arktis geliefert. Doch während Russland vor allem mit Überflügen und U-Booten in Nordeuropa und Alaska militärische Stärke markierte, hatten sich die USA mit markigen Worten an Russland und Wirtschaftshilfen für Grönland auf dem politischen Parkett zurückgemeldet. Nachdem nun vor einigen Tagen Russland statt Muskeln für einmal Worte auf dem politischen Parkett verwendet hatte, ist das Entsenden US-amerikanischer Kriegsschiffe an die Haustüre von Vladimir Putin eine klare militärische Herausforderung Seitens der USA. Der Spiess hat sich für einmal gedreht, doch der Verlierer dieser Aktion ist einmal mehr die Arktis, die wieder zum Schauplatz eines kleinen wortwörtlichen «Kalten Krieges» wird.
Quelle: The Independent Barents Observer / US Naval Forces Europe-Africa (US 6. Fleet)