Tausende von Tonnen Flusseis drängen fast zwei Wochen früher als normal durch die sibirische Wasserstraße in Richtung Arktischer Ozean. Einheimische in Dudinka bereiten sich auf die diesjährige spektakuläre Show auf dem Jenissei vor. Jeden Frühling bricht der große sibirische Fluss auf und schiebt riesige Eismassen den Fluss hinunter in Richtung der arktischen Küste der Karasee.
In diesem Jahr findet das Spektakel früher statt, als man sich erinnern kann. Nach Angaben der lokalen Behörden wird das Auseinanderbrechen des Jenissej in Dudinka voraussichtlich in der Zeit vom 19. bis 22. Mai stattfinden. Das ist bis zu 12 Tage früher als normal. Der Jeniseei hat seinen Ursprung in der Mongolei und fliesst durch Sibirien den ganzen Weg nach Norden bis zum Arktischen Ozean. Die wichtige Verkehrsverbindung misst vom Ursprung bis zum Nordpolarmeer, ohne Nebenflüsse, zirka 3.487 Kilometer.
Zu warmes Wetter
Das rekordverdächtige Auseinanderbrechen kommt nach einem außergewöhnlich warmen Winter und Frühling. „Im Zusammenhang mit dem ungewöhnlich warmen Wetter findet die Öffnung des Jenissei und seiner Nebenflüsse außergewöhnlich früh statt“, sagt der örtliche Hydrologe Igor Suchow in einem Kommentar. Er glaubt, dass der gesamte Fluss bis zum 28. und 30. Mai eisfrei sein wird.
Der nuklearbetriebene Eisbrecher „Tajmyr“ hat in den letzten Tagen dazu beigetragen, das Eis in dem Gebiet zu öffnen, um das Aufbrechen zu erleichtern. Der Eisbruch in Dudinka führt normalerweise zu einer Anhebung des Flusses um bis zu 15 Meter. In diesem Jahr könnte die Situation noch schlimmer werden. Nach Angaben der Stadtverwaltung war der Fluss bis zum 13. April bereits um 8,3 Meter gestiegen. Die Bevölkerung in Teilen der Stadt werden darauf vorbereitet, im Falle einer extremen Situation evakuiert zu werden.
Der Klimawandel
Es ist nicht nur der Jenissei, der eine anormale Eislage hat. Nach Angaben des russischen Wetterdienstes Roshydromet bricht das Eis auf einer großen Anzahl der großen Flüsse des Landes früher als normal auf. Dazu gehören die nördliche Dvina, die Pechora und der Ob, informiert der Dienst in seinem Klimabericht.
Der Trend kommt vor dem Hintergrund eines deutlichen Anstiegs der Temperaturen in der Region. Laut Roshydromet hatte das Jahr 2020 das wärmste Frühjahr seit Beginn der Messungen im Jahr 1936. Die durchschnittlichen Frühlingstemperaturen im russischen Norden, über dem 60. Breitengrad, lagen im selben Jahr sogar um 3,8 Grad Celsius höher als normal.
Und auch zu anderen Zeiten des Jahres waren die Temperatur-Abweichungen signifikant. Im gesamten Jahr 2019 lag die Durchschnittstemperatur im russischen Norden oberhalb des 60. Breitengrades um 2,8 Grad über dem Normalwert. Damit ist 2019 das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.
Extremstes Gebiet
Es ist die nördliche Uralregion, einschließlich des Gebiets der Jamal-Halbinsel und der Kara Sea, die den dramatischsten Temperaturanstieg in der gesamten Arktis aufweist. Laut Roshydromet haben diese Gebiete in den letzten 30 Jahren einen durchschnittlichen Temperaturanstieg von bis zu 1,58 Grad Celsius pro Jahrzehnt verzeichnet.
Russland als solches hatte im gleichen Zeitraum einen durchschnittlichen Anstieg von 0,47 Grad pro Jahrzehnt, was etwa doppelt so viel ist wie der globale Durchschnitt.
Quelle: Eye on the Arctic