Bereits Anfang April liess die Australian Antarctic Division (AAD) vermelden, dass ihr Programm für die kommende Saison massive Einschnitte in den Bereichen Forschung, Ausbau und Versorgung der Stationen erleiden wird. «Wir werden uns in erster Linie auf die Grunudversorgung unserer Stationen und der Teams konzentrieren», erklärt Kim Ellis, der Leiter der AAD. «Als Resultat daraus werden keine grösseren Bauvorhaben realisiert und die Forschungsprojekte werden auf die automatisierte Sammlung von Daten beschränkt.» Weiter meint Kim Ellis, dass die Planung in der kommenden Saison ein Einschleppen von COVID-19 in den australischen Sektor Antarktikas verhindern soll. «Projekte, die den Einsatz von engagierten Expeditionsteilnehmern oder Logistik ausserhalb der wesentlichen Aktivitäten erfordern, werden für die Zukunft neu bewertet.»
Auch Neuseeland hat sein Programm für die kommende Saison geändert. Gemäss den Angaben von Antarctica New Zealand (ANZ) werden nur Langzeitstudien, essentielle Versorgungs- und Betriebsaktivitäten und geplante Unterhaltsarbeiten an der Station Scott Base durchgeführt. Reisen zur Station sollen so weit wie möglich eingeschränkt werden. Die Leiterin der ANZ, Sarah Williamson, erklärt, dass der Schlüssel zur Vermeidung von COVID-19-Erkrankungen in Antarktika die Einschränkung der Zahlen von Leuten auf dem Kontinent und ein strikter Isolationsplan sei. Auch der Leiter der Abteilung „Operations“, Simon Trotter meint zur Entscheidung: «Wir wissen um den Einfluss dieser CVID-19-Antwort auf die Forschung in der kommenden Saison, doch dies sind beispiellose Zeiten. Unser Fokus muss sein, Antarktika virus-frei zu halten und der beste Weg dazu, ist die Reduzierung der Möglichkeiten, auf den Kontinent zu gelangen.» Neuseelands Entscheidung wurde auch in Absprache mit anderen Ländern, deren nationale Antarktisprogramme im Rossmeer stattfinden, abgesprochen. Denn Scott Base, die einzige neuseeländische Station liegt nahe dem Flugplatz McMurdo. Das United States Antarctic Program (USAP) hat noch keine konkreten Massnahmen verlauten lassen, will jedoch einem Bericht von Ende April sicherstellen, dass die Stationen und die Forschungsprogramme adäquat unterhalten und weitergeführt werden können. Doch auch hier steht die Sicherheit des Personals und die Vermeidung einer Einschleppung im Vordergrund. Ähnliche Töne schlagen auch andere Länder an.
Die British Antarctic Survey (BAS), zuständig für das britische Polarprogramm, hat in einer Pressemitteilung verlauten lassen, dass die Sicherheit des Stationspersonals und Antarktikas absolute Priorität haben. Obwohl zwei Szenarien bestehen, die je nach COVID-Situation und den entsprechenden Massnahmen in Grossbritannien, den Falklandinseln und den internationalen Flugverbindungen in Kraft treten sollen, werden die normalerweise eingesetzten Personenzahlen reduziert. Das habe Konsequenzen auf die wissenschaftlichen Arbeiten im Inneren Antarktikas. «Bei der BAS geben wir unser Bestes, die kritisch wichtigen Betriebs- und Wissenschaftsprogramme so weit wie möglich aufrechtzuerhalten», schreibt die Leiterin der BAS, Professor Dame Jane Francis. Das bedeutet für die wissenschaftlichen Studien, dass lediglich die Langzeitprogramme weiter betrieben werden und die wichtigsten Versorgungs- und Betriebsarbeiten an den Stationen an der Küste durchgeführt werden. Nur wenn die Situation es erlaubt, würden Depots und Material im Inneren gewartet, die Station Halley VI unterhalten und gewisse Ausbauarbeiten an der Station Rothera unternommen.
Für die deutsche Antarktisstation Neumayer III soll nach Angaben des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) die gewohnte Versorgung per Schiff und sicherlich der Austausch des Überwinterungsteams durchgeführt werden. Auch die Langzeitbeobachtungen sollen weiterhin am Laufen gehalten werden. Doch inwieweit neue oder saisonale Projekte gemanagt werden sollen, will das AWI mit dem COMNAP (Council of National Antarctic Programs) koordinieren. Denn nur so kann eine einheitliche Strategie verfolgt werden, um sicherszustellen, dass der Schaden an den Forschungsprogrammen so gering wie möglich ist.
Trotzdem stellen die Massnahmen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht nur von den hier vorgestellten Ländern für ihre Antarktisprogramme vorgenommen werden, einen schweren Schlag für die Wissenschaft in der Antarktis dar. Denn neben dem Datenverlust bzw. den Löchern in den Datensammlungen, sind viele der Projekte zeitlich gebunden. Ausserdem sind die Finanzierungen an den einzelnen Institutionen teilweise gefährdet aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie. Doch vielleicht können die Kooperationen, die durch die aufwändige Logistik geschmiedet werden, helfen, den Schaden zu minimieren. Auf die Nachfrage dazu bei den Stellen hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit in der Antarktis nicht unter COVID-19 geschadet hat und alle am gleichen Strang ziehen wollen. Schutz und gleichzeitig Wissenschaft sollen weiterhin im Vordergrund stehen.
Quelle: Pressestellen der AAD, ANZ, BAS, AWI