Auslöser für Meereisverlust in der Antarktis gefunden | Polarjournal
Meereis, hier gepaart mit Bruchstücken von Eisbergen, ist im Weddellmeer über die letzten fünf Jahre um ein Drittel zurückgegangen. Foto: Julia Hager

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das sommerliche Meereis im Weddellmeergebiet der Antarktis in den letzten fünf Jahren um eine Million Quadratkilometer abgenommen hat – ein Gebiet, das doppelt so groß ist wie Spanien – mit Auswirkungen auf das Meeresökosystem. Die Ergebnisse werden noch im Juni in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters veröffentlicht.

Das Meereis, das die Antarktis umgibt, bietet einen wichtigen Lebensraum für viele Arten, darunter Pinguine und Robben, die für die Nahrungssuche und zur Fortpflanzung auf das Meereis angewiesen sind.

Ein internationales Forscherteam untersuchte seit Ende der 1970er Jahre Satellitenaufzeichnungen über die Ausdehnung des Meereises und Wetteranalysen, um zu verstehen, warum das sommerliche Meereis im Weddellmeergebiet der Antarktis in den letzten fünf Jahren um ein Drittel zurückgegangen ist. Sie stellten fest, dass der Eisverlust durch eine Reihe schwerer Stürme im antarktischen Sommer 2016/17 zusammen mit der erneuten Entstehung einer Polynya (ein Gebiet mit offenem Wasser mitten im Packeis), die seit Mitte der 1970er Jahre nicht mehr auftrat, hervorgerufen wurde.

Der Hauptautor der Studie Professor John Turner, ein Klimawissenschaftler des British Antarctic Survey, sagt dazu: „Das antarktische Meereis überrascht uns weiterhin. Im Gegensatz zur Arktis hatte das Meereis rund um die Antarktis seit den 1970er Jahren an Umfang zugenommen, ging dann aber rasch auf ein Rekordtief zurück, wobei der stärkste Rückgang im Weddellmeer zu verzeichnen war. Im Sommer hat dieses Gebiet nun ein Drittel weniger Meereis, was Auswirkungen auf die Ozeanzirkulation und die Meerestiere der Region haben wird, die für ihr Überleben davon abhängen.”

Robben und Pinguine nutzen das Meereis zum Ausruhen, als Nahrungsquelle – denn ihre Beute hält sich unter dem Eis auf – und um sich vor Raubtieren wie Orcas und Seeleoparden zu schützen. Außerdem gebären Robben ihre Jungen auf dem Eis. Foto: Julia Hager

Der Ozean um die Antarktis gefriert im Südwinter und verdoppelt somit die Größe des Kontinents. Die Ausdehnung des Meereises erreicht dabei bis Ende September über 18 Millionen Quadratkilometer. Im Laufe des Frühjahrs und Sommers schmilzt das Meereis in den meisten Teilen der Antarktis fast vollständig ab, nur im Weddellmeer verbleibt eine bedeutende Menge Meereis.

Im Südsommer gibt es nur wenige Stürme rund um die Antarktis, aber im Dezember 2016 entwickelte sich im Weddellmeer eine Reihe von intensiven und saisonunabhängigen Stürmen, die warme Luft in Richtung Antarktis zogen und eine große Menge Meereis zum Schmelzen brachten. Das eisfreie Wasser absorbierte Energie von der Sonne und erzeugte dann eine warme Temperaturanomalie des Ozeans, die bis heute anhält.

Kaiserpinguine (Aptenodyptes forsteri) sind für die Fortpflanzung zwingend an Meereis gebunden. Das Ei wird über den antarktischen Winter vom Männchen ausgebrütet, das das Küken dann so lange versorgt, bis das Weibchen zum Ende des Winters zurückkehrt. Wenn das Küken alt genug ist für ein selbständiges Leben, ist das Meereis bereits soweit geschmolzen, dass der Weg bis zur Eiskante nicht mehr weit ist. Foto: Heiner Kubny

Im Winter 2016 entwickelte sich im Weddellmeer eine Polynya, die ebenfalls zum allgemeinen Rückgang der Meereisausdehnung beitrug. Diese Polynya wurde durch die starken Winde während der Stürme und die beispiellos warmen Wassertemperaturen verursacht.

Dieser jüngste rapide Meereisverlust beeinträchtigt sowohl das Ökosystem des Weddellmeeres als auch insgesamt die antarktische Tier- und Pflanzenwelt. Viele Arten, von winzigen Eisalgen und Krill, bis hin zu Seevögeln, Robben und Walen, sind in hohem Maße an das Vorhandensein von Meereis angepasst. Wenn die beobachteten drastischen Veränderungen anhalten, werden sie Auswirkungen auf die gesamte Nahrungskette haben, vom Einfluss auf Nährstoffe bis hin zur Verringerung des für die Fortpflanzung und Ernährung wichtigen Lebensraums für eine große Zahl von Tieren, wie z.B. Eis-assoziierten Robben und einigen Pinguinarten.

„Der im Weddellmeer beobachtete dramatische Rückgang des Meereises wird wahrscheinlich erhebliche Auswirkungen auf die Funktionsweise des gesamten marinen Ökosystems haben. Das Verständnis dieser weiterreichenden Konsequenzen ist von größter Bedeutung, insbesondere wenn die Eisausdehnung weiter abnimmt”, so Co-Autor und Ökologe Professor Eugene Murphy vom British Antarctic Survey.

Wegen der großen Variabilität der antarktischen Meereisausdehnung von Jahr zu Jahr können die Wissenschaftler nicht sicher sein, ob sich das Eis im Weddellmeer kurzfristig wieder auf die Werte vor 2016 erholen wird oder ob sie den Beginn des erwarteten langfristigen Rückgangs des Meereises sehen.

Quelle: British Antarctic Survey

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