In Grönland über Land unterwegs zu sein, ist eine Herausforderung für sich. Denn gerade an der Westküste, wo der Grossteil der Bevölkerung lebt, sind Strassen zwischen den Orten nicht existent. Grosse Distanzen, schwieriges Gelände und vor allem die klimatischen Bedingungen lassen die Kosten für den Bau und den Unterhalt in horrende Höhen schiessen. Doch nun will die Kommunalverwaltung von Qeqqata Kommunia einen ersten Schritt zur Lösung machen und hat den Bau einer Strassenverbindung zwischen Kangerlussuaq und Sismiut genehmigt.
Mitte Juni unterzeichnete die Verwaltung der Kommune Qeqqata, zu der die beiden Ortschaften gehören, einen Vertrag mit der dänischen Firma MT Højgaard über den geplanten Bau. Begonnen soll mit dem Bau der ersten 21 Kilometer ab Kangerlussuaq in Richtung Kangerluasuk Tulleq, dem Fjord nördlich von Sisimiut, bereits im kommenden Juli. Die Firma ist im Strassenbau keine Unbekannte: Am Bau der Øresund- und der Kleine-Belt-Brücken war die Firma massgeblich beteiligt. «MT Højgaard freut sich, beim Start des Strassenbaus zwischen Kangerlussuaq und Sismiut beteiligt zu sein. Hoffentlich werden die 21 Kilometer nur der Start sein. Wir von MT Højgaard sind bereit, bis nach Sismiut mitdabeizusein», erklärt Geschäftsführer Sune Bastrup von MT Højgaard. «Wir sind nun dabei, den Start-Up zu planen, der in der zweiten Hälfte des Julis stattfinden soll.»
Dem Baubeginn der Strasse ging eine langwierige Planungsphase voraus und das Projekt fand nicht überall Zustimmung. Besonders die Strassenführung stiess auf Kritik, da befürchtet wurde, dass der bekannte Arctic Circle Trail und allgemein das Wildniserlebnis von Wanderern durch die geplante Strasse beeinträchtigt werden würde. Daher wurde eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen, bevor das Projekt vertraglich abgeschlossen wurde. Die Prüfung, die von unabhängiger Stelle vorgenommen worden war, kam zum Schluss, dass die beiden Strecken weit genug auseinanderliegen, um einander nicht zu beeinflussen. Trotzdem muss die Baufirma bereits für die ersten 21 Kilometer grosse Umweltauflagen berücksichtigen, um die fragile Natur nicht zu stark zu beeinträchtigen. Am Ende rechnet die Kommunalverwaltung bis ins Jahr 2030 mit einem Verkehrsaufkommen von knapp 1’600 Fahrzeugen pro Jahr. Das würde während der Hochsaison einen täglichen Schnitt von 35 Fahrzeugen und 15 ATVs bedeuten.
Obwohl nur die ersten 21 Kilometer ab Juli in Angriff genommen werden sollen, um ist die Verwaltung sicher, dass die Verbindung zwischen den beiden Orten bald stehen wird und für die wirtschaftliche Leistung der Region einen Schub darstellt. «Wir fangen jetzt an und ich bin sicher, dass dies ein grosser Gewinn für die Kommune Qeqqata und für Grönland sein wird, wenn diese grosse Region zwischen Kangerlussuaq und Sisimiut besser erschlossen sein wird», erklärt Malik Berthelsen, Leiter der Kommunalverwaltung in einem Schreiben. Die Gesamtkosten der kompletten Strasse betragen rund € 67 Millionen Euro und die Verwaltung hat berechnet, dass pro Jahr rund € 6.7 Millionen Euro durch Tourismus und Handel eingenommen werden können. Da aber die Deckung der Kosten noch nicht komplett gesichert sind, wurde beschlossen, den Bau etappenweise durchzuführen. Die erste Etappe soll Kangerlussuaq mit dem Tasersuaq-Gebiet verbinden, einer Region, die auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes steht. Dies würde für Touristen eine weitere Besucherattraktion sein, neben der Fahrt zum Inlandeis. «Die Strasse wird neue Möglichkeiten für die Menschen und den Tourismus in Kangerlussuaq bieten und wenn sie Sisimiut erreicht, werden sich noch weitere Möglichkeiten öffnen», ist sich Berthelsen sicher. «Ich selbst freue mich darauf, zukünftig auf dieser Strasse Rad fahren zu können», meint er zum Schluss.
Michael Wenger, PolarJournal