Borchgrevink – Erster! (und Dritter) | Polarjournal
Carsten Egeberg Borchgrevink ist 1. Dezember 1864 in Christiania, dem heutigen Oslo geboren. Am Ende des 19. Jahrhundert widmete er sich intensiv der Antarktisforschung und betrat 1895 als einer der ersten Menschen das antarktische Festland. Borchgrevink verstarb am 23. April 1934 in Oslo im Alter von 79 Jahren.

Entgegen seiner Ansicht war Carsten Borchgrevink nicht der erste Mensch auf dem antarktischen Kontinent. Aber der erste, der dort überwinterte.

«Mit gemischten Gefühlen blickten die zehn an der öden Küste zurückbleibenden Männer dem Schiff nach, das sich gegen den nördlichen Horizont entfernte. Unsere isolierte Stellung

wurde uns erst klar, als wir die ‹Southern Cross› fortdampfen sahen.» Jetzt gab es kein Zurück mehr. Zehn todesmutige Männer standen an der Küste der Adare-Halbinsel in der Robertson-Bucht am Rande der Antarktis und winkten dem Schiff zum Abschied. Ob sie die «Southern Cross» je wiedersehen würden, stand in den Sternen geschrieben. Denn sie würden die allerersten Menschen sein, die in der Antarktis überwintern, und ob das überhaupt möglich war, wusste eigentlich niemand. Konnte man auf so ein Vorhaben überhaupt vorbereitet sein? Es war auch das erste Mal, dass Hunde in die Antarktis mitgenommen wurden.

Baumaterialien werden im Februar 1899 am Southern Cross in Ridley Beach beim Cape Adare entladen. Der flache Strand war im Sommer gut zugänglich und Borchgrevink hielt ihn für einen guten Ausgangspunkt, um den Kontinent zu erkunden.

Aber natürlich waren «die Zehn», als die sie in die Geschichte eingehen sollten, wild entschlossen – allen voran ihr Anführer Carsten Egeberg Borchgrevink, der die eingangs zitierten Worte in seinem später veröffentlichten Buch «First on the Antartic Continent» niederschrieb. Auch wenn das Experiment nur ein Jahr dauern sollte, hatte die Mannschaft Proviant für drei Jahre mitgebracht, dazu Baumaterial für zwei Holzhütten, 90 Schlittenhunde, 20 Schiffstonnen Kohle, 2 Walfängerboote und etliche wissenschaftliche Instrumente. Dazu Karten- und Brettspiele, Bücher und eine Spieldose für die zu erwartenden langen Tage der antarktischen Dunkelheit. Plus Waffen zur Verteidigung gegen Eisbären – man wusste damals nicht, dass es in der Antarktis keine Eisbären gibt.

Zehn Tage lang hatten die Männer und die 31-köpfige Mannschaft der «Southern Cross» die Kisten an Land gebuckelt. Es war der 2. März 1899. Im Team: der Chef, fünf Wissenschaftler, ein Arzt, ein Koch, zwei Hundeführer. Das Abenteuer konnte beginnen.

Die Überwinterer und ein Teil der Schiffs-Crew posieren für ein Erinnerungsfoto.

Erste Erfahrung

Carsten Borchgrevink war endlich am Ziel seiner Träume angelangt. Denn sein Weg bis hierher war lange und beschwerlich, und wenn man es genau nimmt, begann dieser Weg schon sehr viel früher. Borchgrevink in eigenen Worten: «Mit der grössten Leidenschaft warf ich mich schon in meinen Schuljahren auf die gesamte arktische du antarktische Literatur.» Zu dieser Zeit lebte der am 1. Dezember 1864 in adliger Linie geborene Sohn einer Engländerin und eines Norwegers noch in Christiania, wie das heutige Oslo damals hies. Er studierte Geologie, Forstwirtschaft und Geodäsie an der Forstakademie im deutschen Tharandt, wanderte nach Australien aus und arbeitete dort für die Universität in Sydney als Landvermesser und Geologe und ab 1888 als Lehrer in Melbourne.

So half er zwar, den fünften Kontinent zu erforschen. Seine Leidenschaft aber galt der Eroberung des sechsten Kontinents, der Antarktis. «Hier waren Kräfte nötig, hier war ein Ziel zu erreichen.» Obwohl Borchgrevink über keinerlei Erfahrung auf hoher See verfügte, drängte er 1894 den Kapitän des Walfängers «Antarctic», ihn mit auf eine Erkundungsfahrt zu nehmen. Dieser willigte nur ein, weil kurz vor der Abfahrt des Schiffes ein Matrose alkoholisiert ins Wasser gestürzt und ertrunken war. Borchgrevink musste alle niederen Arbeiten des verstorbenen Matrosen übernehmen.

Die Mission der «Antarctic», nämlich ausfindig zu machen, ob der Grönlandwal auch in den südlichen Polargewässern vorkommt, missglückte – der Grönlandwal lebt nur in den Gewässern um Grönland. Aber auf der Rückreise entdeckte Borchgrevink am 23. Januar 1895 einen kleinen Streifen Strand inmitten der endlosen Gletscherwände. Er überredete den Kapitän, ein Ruderboot auszusetzen und an Land zu gehen. Das Boot war noch nicht angelandet, sprang Borchgrevink ins Wasser und stapfte zum Strand. Der Überlieferung nach soll er gejubelt haben, er sei der erste Mensch, der die Antarktis betrete, doch da irrte Borchgrevink: Zwei Menschen betraten die Antarktis vor ihm, auch wenn diese beiden Ereignisse bis heute nicht einwandfrei gesichert sind.

Am 23. Januar 1895, um 13.14 Uhr hatte mit Carsten Egeberg Borchgrevink vermeintlich erstmals ein Mensch einen Fuß auf das antarktische Festland gesetzt.

Abgeblitzt, Sponsor gefunden

Nichtsdestotrotz war für Borchgrevink in diesem Moment klar, dass er hierher zurückkehren wollte: «Der Plan, den ich bereits auf dem Wege nach Melbourne ausarbeitete, bestand darin, dass ich eine grössere wissenschaftliche Expedition bilden wollte, die auf dem grossen unbekannten Südpolarlande landen und dort überwintern sollte. Im nächsten Jahr sollte dann die Expedition so weit als möglich nach Süden vordringen, um das Land und Meer zu untersuchen», schrieb Borchgrevink später in seinem Buch.

Doch die Finanzierung seines Vorhabens wurde schwieriger als erwartet: Die englische Royal Geographical Society, damals die massgebende Instanz in Sachen Polarexpeditionen, war gerade selber mit der Organisation der geplanten Discovery-Expedition von Robert Falcon Scott beschäftigt. Schlimmer noch: Borchgrevink verfügte weder über Offizierswürde noch über Rang und Namen in der Gesellschaft: Die edlen Herren von der Society nahmen den Lehrer und einfachen Seemann aus Australien schlicht nicht ernst.

Schliesslich erklärte sich der englische Verleger Sir George Newnes bereit, Borchgrevinks Vorhaben vollständig zu finanzieren – unter den Bedingungen, dass erstens das Unternehmen unter englischer Flagge durchgeführt wurde und zweitens den Namen British Antarctic Expedition tragen sollte. Kein Problem für Borchgrevink – allerdings eines für die Royal Geographical Society, wie sich später zeigen sollte. Newnes sponserte übrigens 40’000 Englische Pfund, was auf den heutigen Kurs umgerechnet rund 4,5 Millionen Euro entspricht.

Die Männer errichteten zwei vorgefertigte Hütten. Die Bausätze bestanden aus Kiefernholz, die sie aus Norwegen mitgebracht hatten. Jede Hütte war etwa 25 Quadratmeter groß. Eines diente als Lagerraum, das andere als Wohnraum.

Bescheidene Hütte

Am 22. August 1898 stach die «Southern Cross» in London endlich in See, fuhr nach Tasmanien und von dort direkt in die Robertsonbucht, wo sie am Abend des 17. Februar 1899 vor dem Kap Adare vor Anker ging. Was Borchgrevink und seine neun Männer erwartete, machten Wind und Wetter schon sechs Tage später klar, als während des Löschens der Ladung ein heftiger Sturm die Ankerkette zerriss und das Schiff beinahe an den Klippen zerschellen liess. Ein spektakulärer Auftakt für eine Überwinterung, die noch nicht mal richtig begonnen hatte.

Was keiner von der Crew wissen konnte: Die Gegend um die Robertsonbucht ist eine der windigsten und sturmgeplagtesten Gebiete der Antarktis überhaupt. Ein Umstand, er den Männern einige beinahe tödliche Abenteuer und vor allem viele langweilige Tage in der Hütte bescheren sollte.

Schnell waren aus dem mitgebrachten Baumaterial zwei Hütten von 5 mal 5 Metern Grundfläche und 2,5 Metern Höhe gezimmert. Die eine Hütte war das Wohnhaus für die ganze Mannschaft, in der anderen sollten die geplanten Sammlungen von Steinen, Pflanzen und Tieren untergebracht werden. In einem separaten Zelt 200 Meter entfernt wurden eine permanente meteorologische Messstation und ein magnetisches Observatorium installiert.

Obwohl nur ein einziges Fenster spärlich Licht spendete und die Luft im Raum schnell stickig wurde, «so waren wir im Großen und Ganzen doch recht gemütlich eingerichtet», rapportierte Borchgrevink. Die übereinander an den Wänden angebrachten Schlafkojen allerdings waren «in Bezug auf Gemütlichkeit und Ausstattung etwa wie in einem – modernen Sarg». Der Arzt ordnete an, vor jede Koje einen Vorhang zu ziehen, damit wenigstens ein kleines bisschen Privatsphäre möglich sei.

Die beiden Samen Ole Must und Per Savio waren Hundeführer, (links). Die Daten der Wetterstation mussten bei jedem Wetter abgelesen werden, (rechts).

In der Hütte war es zugig und kalt. Der kleine Feuerherd auf Rädern konnte nur halbwegs Abhilfe schaffen: «Wenn wir richtig feuerten, so wurde es in der Hütte bis zur Höhe unserer Schultern warm, unten am Fussboden aber blieb es kalt.» Neben der Kohle verfeuerten die Männer auch den Speck der Robben, die sie draussen jagten.

Gefährliche Stürme

Schon nach zwei Wochen begab sich Borchgrevink mit zwei Männern auf eine erste Erkundungstour – und geriet prompt in einen Sturm, der so heftig war, dass der Wind den Schnee durch die engen Maschen des Seidenzelts presste. Eine weitere Expedition Ende April endete für Borchgrevink und die diesmal drei mitgeführten Männer beinahe tödlich: Sie hatten ihr Nachtlager in einem kleinen Stück Strand aufgeschlagen, den sie über dünnes Eis erreichten. Ein Sturm brach jedoch dieses Eis auf, die Männer waren gefangen zwischen Eiswänden und dem Meer mit seinen meterhohen Sturmwellen. Erst nach Tagen am Rande des Erfrierungstods gelang es den Männern, über die Eiswände zu entkommen, indem sie Tritt um Tritt in die Eiswand hackten und den glitschigen Aufstieg schafften. Die Schlittenhunde mussten sie unten am Strand ihrem Schicksal überlassen.

Das Leben in der engen Hütte war oft monoton und langweilig. Anton Fougner, Hugh Evans und William Colbeck bei der Arbeit.

Der südliche Winter kam schnell, am 15. Mai erschien die Sonne zum letzten Mal am Horizont, und die dunklen Monate zogen sich träge und zermürbend dahin bei Temperaturen von minus 35 bis minus 50 Grad. Sturm um Sturm fegte über die meterhoch zugeschneite Hütte, in der die Männer ausharren mussten. «Bei solchem Wetter erschien uns das Leben in unserem kleinen Raum fast unerträglich», schrieb Borchgrevink. «Wir hatten weder Luft noch Bewegung noch Licht. Es war, als sässen wir da und sähen uns selbst alt werden. … Das Dunkel und die Eintönigkeit bedrückten unseren Sinn. Die Stille donnerte bisweilen in unseren Ohren, jede Unterbrechung in der fürchterlichen Einsamkeit und Öde war eine Erleichterung.» Die einzigen «Unterbrechungen» bestanden aus einem gelegentlichen Glas Grog oder zwei und einer Musikdose, wobei sich die Männer gerne darum stritten, welches Lied als nächstes gespielt werden sollte.

Die Hütten bei Cape Adare waren die ersten, die je auf dem antarktischen Kontinent errichtet wurden. Der «Antarctic Heritage Trust» arbeitet daran, die Gebäude und die darin befindlichen Objekte zu konservieren, damit die Geschichte der ersten antarktischen Überwinterung auch in den kommenden Jahren noch erhalten bleibt. (Foto: Heiner Kubny)

Zwischenfälle

Es gab auch unliebsame Überraschungen: Immer wieder blies der starke Sturmwind Hunde ins offene Meer, wo sie ertranken. Einmal wurde der englische Zoologe Hugh Blackwell vom Sturmwind weggeweht, als er nach draussen ging, um im Instrumentenzelt die meteorologischen Daten abzulesen. Drei Stunden lang krochen die übrigen Männer in Zweierteams auf allen Vieren durch den Sturm, bis der fast erfrorene Evans wieder gefunden war. Ein andermal kam der australische Physiker und Astronom Louis Bernacchi von derselben Tour zum Observatorium mit einer eingefrorenen Hand zurück. Der Arzt Herluf Klövstad wollte Bernacchis Hand amputieren, dieser wehrte sich dagegen, und schliesslich konnte die Hand doch noch gerettet werden.

Am 3. Juli schlief der englische Meteorologe und Proviantmeister William Colbeck in seiner Koje ein, ohne das Licht der Tranlampe gelöscht zu haben. Sein Bett fing Feuer, nur mit Glück konnte der Brand in der Hütte gelöscht werden. Ein andermal entgingen drei Männer nur knapp einer Rauchvergiftung.

Immerhin: Es ereignete sich in diesen Monaten aber auch Erfreuliches. Der lappländische Hundeführer Per Savio baute, wenn möglich eine Sauna in den Schneeverwehungen an der Hütte. Am 1. Juni kamen von mehreren Schlittenhunden insgesamt 16 Welpen zur Welt. In dieser Zeit tauchte auch der Schlittenhund Chapras wieder auf, wohlgenährt und gesund: Er war zwei Monate zuvor auf einer Eisscholle ins offene Meer abgetrieben und galt als verloren. Offensichtlich trieb die Scholle zurück ans Land, und Chapras frass sich wochenlang an Robben und Pinguinen satt, ehe er zurück ins Lager fand.

Die Hütten sind noch heute gut erhalten. Die wenigen Touristen welche jedes Jahr vorbei kommen können diese besichtigen. (Foto: Heiner Kubny)

Endlich Frühling

Die Mannschaft konnte es kaum erwarten, bis der Frühling endlich anbrach. Schon Ende Juli unternahm das Team mehrere Schlittenfahrten in die nahe und weite Umgebung, sammelte Gesteins- und Pflanzenproben, vermass die Umgebung, erfasste Daten und beobachtete ausführlich die Tierwelt. Mit grossem Erstaunen stellten die Männer fest, dass im Wasser und auf dem Meeresgrund eine Vielfalt von Leben existierte. Bisher galt die Lehrmeinung, dass bei so kalten Temperaturen im Meer kein dauerhaftes Leben möglich sei. Borchgrevink und seine Männer aber fanden Polypen, Quallen, Seesterne – und Fische, die man sogar essen konnte. Was für eine unerwartete und erfreuliche Abwechslung, «ein Umstand, der uns nach dem immerwährenden Genuss von Konserven in hohem Grade entzückte».

Auch Pinguine schmeckten lecker, wenn man ihr Fleisch in Essig einlegte und vor dem Verzehr das Fett auskochte. Pinguineier mundeten «vortrefflich», sie waren, «wie die Vögel selbst, sehr ‹fettig› und schmeckten nach Speck».

Nur der norwegische Präparator Nicolai Hanson kam nicht richtig in die Gänge. «Er hatte das ganze Jahr gekränkelt», stellte Borchgrevink fest. Am 15. Oktober starb Hanson an einem Darmverschluss. Man vermutet heute, dass er an Mangelernährung litt, vielleicht Skorbut, vielleicht die Vitamin-B1-Mangelkrankheit Beriberi. Er wurde auf seinen eigenen Wunsch bei einem Wanderstein 1000 Fuss über dem Meeresspiegel beigesetzt.

Nicolai Hanson’s Grab bei Cape Adare.

Heimkehr mit Umweg

Am 28, Januar 1900 erschien die «Southern Cross» wie vorgesehen am Horizont. Es war Nacht, die Männer schliefen in ihrer Hütte. Der Schiffskapitän Bernhrd Jensen gönnte sich den Scherz, lautlos an Land zu rudern, in die Hütte zu schleichen, heftig auf den Tisch zu klopfen und lauthals «Post» zu rufen. Die ersten Antarktis-Überwinterung in der Geschichte der Menschheit war überstanden.

Das Abenteuer selbst war aber noch nicht zu Ende. Die Männer hinterliessen einen grossen Haufen Unrat am Kap Adare und brachen nur vier Tage später mit dem Schiff wie geplant Richtung Süden auf. Entlang der grossen Eisbarriere sammelten sie weitere Proben, entdeckten Inseln und erkundeten das Rossmeer. Borchgrevink segelte bis zu einer südlichen Breite von 78 Grad 50 Minuten und übertraf den 59 Jahre zuvor aufgestellten Rekord von James Clark Ross um 72.5 Kilometer.

Am 28. Januar 1900 kann die «Southern Cross» um die Überwinterer abzuholen, damit war die erste Antarktis-Überwinterung in der Geschichte der Menschheit überstanden.

Am 18. Februar 1900 trat die Mannschaft mit der «Southern Cross» die Heimreise an, am 1. April landete das Schiff in Neuseeland. Fazit und Erkenntnisse der British Antarctic Expedition: Eine Überwinterung in der Antarktis ist möglich – auch für Grönlandhunde – es gibt organisches Leben auf dem kalten Meeresgrund – auf dem Festland existieren sogar Insekten – neuer Süd-Rekord – die Vielfalt an pflanzlichem Leben ist grösser als angenommen – der magnetische Südpol ist lokalisiert, wenn auch nicht abschliessend definiert – mehrere Inseln entdeckt und erstmals betreten – die Antarktis ist sehr sehr kalt und windig – das nächste Mal mehr Tabak mitnehmen. Zehn Jahre später wird Roald Amundsen an der flachen Stelle, die Carsten Borchgrevink in der Eisbarriere entdeckte, für seine Anlandung nutzen und in der Nähe ein Basislager zur Eroberung des Südpols einrichten.


Wenig Ehre

Carsten Borchgrevinks glorreiches Experiment fand allerdings in Europa nicht die gebührende Beachtung. Die Royal Geographical Society war immer noch schwer beleidigt, dass ein einfacher Matrose ihnen den Rang abgelaufen hatte, und diffamierten ihn als überheblich und seinen Bericht als reisserisch. Borchgrevinks Vortragsreise durch Schottland und England fand daher kaum Beachtung. Auch sein Buch «First on the Antartic Continent», erschienen im Verlag von George Newnes, wurde nicht zum Bestseller – obwohl Polarberichte bisher immer hundertprozentige Verkaufsschlager waren. Louis Bernacchi, der Mann, dem fast die Hand amputiert werden musste, warf Borchgrevink in seinen Memoiren fehlende Führungsqualität und fehlendes wissenschaftliches Know-how vor. Er bezeichnete Borchgrevink wörtlich als «selbstsüchtigen Kerl mit einem kolossalen Ego», «taube Nuss» und «Feigling».

Einzig Roald Amundsen lobte seinen Landsmann in den verdienten höchsten Tönen. Erst 1930 überreichte die Royal Geographical Society dem Pionier die goldene Patronatsmedaille, ihre höchste Auszeichnung, und fand blumige Worte für eine Entschuldigung. Vier Jahre später starb Carsten Borchgrevink in Oslo. Er kehrte nie mehr in die Antarktis zurück, obwohl er mehrmals weitere Expeditionen angekündigt hatte.

Die Überwinterungsmannschaft ging als «The Ten» in die Geschichte ein. Louis Bernacchi und William Colbeck schlossen sich der 1901 Expedition von Robert Falcon Scott an. Die beiden Hundeführer Ole Must und Per Savio starben unabhängig voneinander bei einem Unfall zu Hause in Finnland beim Fischen. Hugh Blackwell Evans, der manche langen Tage in der Hütte mit seinem Talent fürs Geschichtenerzählen gerettet hatte, starb als letzter der Zehn am 8. Februar 1975 in den USA. Er wurde 101 Jahre alt. Nicolai Hanson gebührt die Ehre, der erste Mensch zu sein, der in der Antarktis beerdigt wurde.

Text: Christian Hug

Bilder: University of Cambridge Geography

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