Wale sind für lange Wanderungen bekannt. Grauwale beispielsweise wandern jährlich von der Baja California bis in die Beringsee oder den Arktischen Ozean, eine Wanderung von 10’000 Kilometer. Viele Walarten ziehen ab dem Frühling von ihren Fortpflanzungsgebieten im Süden ab in den hohen Norden, wo genügend Nahrung auf sie wartet. Nur Belugas, auch Weisswal genannt, verbringen ihre ganze Zeit im hohen Norden. Ein Exemplar hat sich nun aber wohl verlaufen, pardon, verschwommen. Denn es wurde vor San Diego, an der Küste von Südkalifornien entdeckt.
Die ersten, die den Beluga entdeckt hatten, waren Lisa LaPointe, eine US-amerikanische Biologin, Fotografin und Polarguide und Chris Faist, ein Lehrer. Beide waren auf einem Boot vor der Küste, als sie den Wal entdeckt hatten. Lisa kontaktierte den Kapitän eines anderen Bootes, da sie selber Schwierigkeiten hatten, sich dem Tier zu nähern. Domenic Biagini, der Kapitän des anderen Bootes, war gerade selber auf Tour. «Ich weiss, dass Lisas Kenntnisse unübertroffen sind. Sie sagte mir, dass sie ihn immer wieder sehen würde, aber nicht nahe genug rankommt», sagte Biagini in einem Interview. Zuerst zögernd, entschied sich Biagini dann doch für einen Versuch und brach seine ursprüngliche Tour ab. Nach mehreren Versuchen erschien der Wal dann plötzlich knapp 200 Meter vor seinem Boot. «Meine Kinnlade fiel auf den Boden und ich musste sie wieder aufsammeln, denn ich wusste genau, was ich hier sehe», meinte Biagini weiter. Er nutzte seine Drohne und machte gestochen scharfe Aufnahmen des Wals. Diese sind seither viral gegangen und erstaunen die Experten.
Experten der National Ocean and Atmosphere Administration (NOAA) bestätigten, dass das Tier in einem relativ guten Zustand sei, obwohl es rund 4’000 Kilometer von den südlichsten bekannten Beluga-Populationen entfernt ist. Gemäss Robert Brownell, einem Wissenschaftler der NOAA, ist die südlichste bekannte Gruppe im Cook-Inlet, nahe Anchorage Alaska, zuhause. Die meisten Belugapopulationen leben aber viel weiter nördlich. Belugas sind eigentliche hochpolare Wale, die sich von wärmeren Gebieten fernhalten. In den vergangenen Jahren sind aber verschiedentlich Belugas an ungewöhnlichen Orten aufgetaucht: 2019 erschienen je ein Wal in der Themse nahe London und ein weiteres Tier erschien nahe Hammerfest in Norwegen. An der Ostseite Nordamerikas wurden Belugas bisweilen im St. Lorenzstrom (Kanada) gesichtet. Doch das Auftauchen dieses 5 Meter langen Tieres vor der Küste von Südkalifornien ist bisher einmalig.
Belugas sind in praktisch allen arktischen Regionen zuhause und sind an ein Leben in der Kälte und Dunkelheit angepasst. Sie haben eine dicke Speckschicht, die sie vor der Kälte schützt und einen ausgeprägten Echolokationssinn, um in der Dunkelheit sich zu orientieren. Sie gehören auch zu den wenigen Tieren, die eine Mimik i besitzen, da sie ihre Lippen zuspitzen können. Aufgrund der Pfeiftöne, die sie zur Kommunikation verwenden, nennt man die Tiere auch «Kanarienvögel des Meeres». Belugas werden bis zu 6 Meter lang und können bis 1.5 Tonnen wiegen. Die Kälber sind grau, wenn sie zur Welt kommen und werden dann im Laufe der Entwicklung weiss. Inuit jagen Belugas als Teil ihre Lebensgrundlage. Der Speck (Muktuk, Mattak) ist reich an Vitamin C und verhindert so Skorbut.
Michael Wenger, PolarJournal AG