Tiefsee-Korallengarten vor Grönlands Westküste entdeckt | Polarjournal

In den Tiefseegebieten herrscht zwar ewige Dunkelheit, kalte Temperaturen und hohe Drucke. Doch trotzdem hat sich dort in vielen Regionen ein reiches Meeresleben angesiedelt, häufig wirbellose Tiere wie Schwämme, Seegurken und Korallen. Auch aus den wenig erforschten tiefen Bereichen des Arktischen Ozeans sind mittlerweile zahlreiche Tiefseebewohner bekannt. Forschungsfahrten finden immer wieder neue Arten in den kalten Tiefen. Nun hat ein internationales Team vor der Westküste Grönlands Korallengärten entdeckt, die zwischen 500 und 1’000 Meter tief liegen. Ein Gebiet ist besonders ins Zentrum des Interesses gestossen und soll in ein Schutzgebiet umgewandelt werden.

Das Video zeigt einen Zusammenschnitt der Forschungsarbeit und die Aufnahmen aus den Tiefseegebieten. Zahlreiche Organismen, vor allem Korallen, sind auf den Bilder zu sehen. Mit einer derartigen Vielfalt hatte man nicht gerechnet. Video: Zoological Society London / Greenland Institute of Natural Resources

Das vom Forschungsteam, bestehend aus britischen und grönländischen Wissenschaftlern, besonders hervorgehobene Gebiet liegt am Kontinentalhang der Toqqusaq Bank westllich von Nuuk. Hier fanden die Forscher auf einem Gebiet von knapp 500 Quadratkilometer eine Vielzahl von wirbellosen Tieren auf Videoaufnahmen. Die am stärksten vertretenen Gruppen waren dabei die Anemonen und die Blumenkohl-Korallen. Das ist besonders, da diese Tiere in grösserer Zahl nur um Island gefunden worden sind. Insgesamt entdeckten die Wissenschaftler im Laufe ihrer Arbeit mehr als 44’000 Individuen an 18 Standorten in der Davis-Strasse. Diese trennt Grönland von Kanada und ist sowohl verkehrstechnisch wie auch wirtschaftlich wichtig für Grönland.

Das Untersuchungsgebiet der Forscher liegt auf der grönländischen Seite der Davis-Strasse. Der grosse Korallengarten liegt auch mitten in einem Gebiet, in welchem die grönländischen Fischer mit Schleppnetzen auf Heilbuttfang (farbige Bereiche der Karte, je dunkler, desto mehr Schleppnetzfänge) gehen. Das ist eine Bedrohung für die Korallen. Bild: Long et al (2020)

«Wir hoffen, dass Studien wie diese unser Verständnis über die ökologischen Beziehungen vergrössern und zu einer nachhaltigen Fischerei beitragen»

Dr. Martin Blicher, Greenland Institute of Natural Resources

Der Garten, den die Forscher entdeckt hatten, liegt rund 500 Meter tief und zeigt eine enorme Vielfalt an verschiedenen Wirbellosen. Die Wissenschaftler entdeckten neben den Anemonen auch zahlreiche See- und Federsterne, Schlangensterne, Schwämme und sogar Fische und Tintenfische. Eine bisher unbekannte Welt tat sich auf. «Grönlands Meeresboden ist praktisch unerforscht, obwohl wir wissen, dass er von mehr als 2’000 verschiedenen Arten bewohnt ist, die zu komplexen und verschiedenen Lebensräume beitragen und zu einem funktionierenden Meeresökosystem», erklärt Dr. Martin Blicher vom Greenland Institute of Natural Resources. Er war einer der Autoren der Studie und hebt auch hervor, wie wichtig das Wissen um diese Gebiete ist. «Obwohl wir so wenig über diese Lebensräume am Meeresboden wissen, hängt die grönländische Wirtschaft von den wenigen Fischereien ab, die am Meeresboden schleppen. Wir hoffen, dass Studien wie diese unser Verständnis über die ökologischen Beziehungen vergrössern und zu einer nachhaltigen Fischerei beitragen», meint Blicher.

«Wir arbeiten mit der grönländischen Regierung und der Fischereiindustrie zusammen um sicherzustellen, dass dieser zerbrechliche und wunderschöne Lebensraum geschützt wird»

Stephen Long, University College London

Das Team hofft auch auf Verständnis der Fischer und Behörden, da der Garten, den sie als ökologisch wichtig einstufen, auch in einer ökonomisch wichtigen Zone mit reichen Heilbutt-Vorkommen liegt. Diese Fische werden mit Schleppnetzen gefangen, die über den Meeresboden gezogen werden und massive Schäden anrichten. «Wir arbeiten mit der grönländischen Regierung und der Fischereiindustrie zusammen um sicherzustellen, dass dieser zerbrechliche und wunderschöne Lebensraum geschützt wird», meint Stephen Long, Doktorand am University College London und Erstautor der Arbeit.

Die Videobilder zeigen die Reichhaltigkeit und die Dichte der verschiedenen Organismen. Erstellt wurden die Aufnahmen mit einem selbst entwickelten und gebauten Unterwasserschlitten, auf der eine GoPro, Lampen und Laser zur Vermessung angebracht worden waren. Bild: Long et al (2020)

Ein wichtiger Aspekt, den die Forscher in ihrer Arbeit herausheben, ist das Gerät, mit dem der Meeresboden untersucht worden war. Es handelt sich dabei um einen Mini-Cooper-grossen Schlitten, auf dem neben Lampen und Laser auch eine handelsübliche GoPro in einem druckfesten Behälter angebracht worden war. Das Ganze sei eine kostengünstige und praktische Variante, um Tiefseeforschung zu betreiben. «Die Entwicklung eines kostengünstigen Werkzeuges, das der Tiefseeumgebung standhalten kann, eröffnet uns neue Möglichkeiten für unser Verständnis und die Bewirtschaftung mariner Ökosysteme», meint Long. «Unsere Forschungsarbeit ist sicherlich das erste Beispiel eines kostengünstigen Do-it-yourself-Videoschlitten, der zur Erforschung der Tiefseegebiete von Grönlands 2.2. Millionen Quadratkilometer grossem Meeresgebiet benutzt worden ist.»

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Long et al (2020) Fron Mar Scie 7:460, doi.org/10.3389/fmars.2020.00460

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