Bohrprojekt in Grönland sucht Klimageschichte im Gestein | Polarjournal
Der Eispanzer, der einen grossen Teil der Insel bedeckt, pulsiert durch Schmelze und Eisbildung wie ein lebender Organismus. Das darunterliegende Gestein ist nach Ansicht der Forschungsgruppe GreenDrill ein ebenso spannendes Archiv wie das Eis selbst. Bild: Michael Wenger

Der Eisschild Grönlands ist schon seit vielen Jahren als Klimaarchiv der Erde bekannt. Aus den zahlreichen Eisbohrkernen konnten Forscher bereits eine Menge an Wissen über das Klima der Vergangenheit erfahren. Daraus liessen sich auch Vorhersagen über den zukünftigen Verlauf des globalen Klimas erstellen. Doch nun will ein neues Projekt einen neuen Weg gehen, um herauszufinden, wann und wie schnell der Eisschild das letzte Mal komplett verschwunden war. Dazu untersuchen die Wissenschaftler aber nicht das Eis, sondern das Gestein unter dem Eisschild.

Das Projekt mit dem Namen «GreenDrill» möchte ab dem kommenden Jahr an vier verschiedenen Orten im Norden von Grönland versuchen, das unter dem Eis liegende Gestein anzubohren und Proben zu nehmen. Die Idee dahinter ist es, mithilfe von geochemischen Analysen und radioaktiven Uhren zu bestimmen, wann das Gestein das letzte Mal an der Luft war. Denn damit könnte sowohl bestimmt werden, wie schnell der Eisschild tatsächlich abschmilzt, was wiederum den Klimamodellen zugutekommt. Ausserdem hofft das Team zeigen zu können, ob Grönlands Norden tatsächlich der neue Hotspot für die Eisschmelze werden wird. «Der ganze Untergrund ist ein Archiv», erklärt Jörg Schaefer von der Columbia Universität, Assistenzleiter des Projekts. «Die Frage war nur, wie wir an diese spannenden Proben unter dem Eis rankommen.»

Forscher machen sich Sorgen, dass der Norden von Grönland, der bisher nur sehr träge auf die allgemeine Erwärmung der Insel reagiert hat, zu einem neuen Schmelz-Hotspot werden könnte. Bereits jetzt zeigen erste Gletscher starke Rückgänge. Bild: Michael Wenger

Das Projekt wird sich nicht durch die dicksten Stellen des Eisschildes bohren, um an das Gestein zu kommen, sondern wird an den vier Orten entlang einer Linie in Richtung Küste in 300 Metern, 100 und auf dem nackten Felsen in das Gestein hineinbohren. Die Proben sollen dann auf radioaktive Isotope untersucht werden, die zur Erstellung einer Uhr verwendet werden könne. Denn wenn kosmische Strahlung auf Gestein trifft, entstehen Kleinstmengen a solchen Isotopen. Da Eis die Strahlung blockiert, kann durch die Zerfallsrate des Isotopen berechnet werden, wann das Gestein zuletzt an der «frischen Luft» war. So kann indirekt bestimmt werden, wie schnell sich das Eis gebildet und wieder zurückgezogen hatte. Für den Norden Grönlands ist das wichtig, da hier Klimaforscher den nächsten Hotspot vermuten, wo das Eis besonders stark durch die Klimaerwärmung beeinflusst werden könnte. Ausserdem hoffen die Forscher auch, mehr darüber zu erfahren, wann und wie schnell der Eisschild Grönlands das letzte Mal gesamthaft abgeschmolzen ist und so Rückschlüsse über den Meeresspiegelanstieg gewinnen können.

An den vier Orten im Norden Grönlands wollen die Forscher ihr GreenDrill-Projekt durchführen. Dies wären die nördlichsten Bohrstellen auf Grönland bis dato. Eine der Stellen liegt auch an einem vermuteten Einschlagkrater eines Meteoriten.

Einen Nebenaspekt, den die Forscher im Zuge ihres Projekts mituntersuchen wollen, ist der Hiawatha-Krater an der Nordwestküste der Insel. Hier vermutet man den Einschlag eines Meteoriten, weiss aber nicht mit Bestimmtheit den Zeitpunkt. Der Meteorit könnte für eine Phänomen aber verantwortlich sein, das als «Junge Dryas» bekannt ist, eine Abkühlung des globalen Klimas vor rund 13’000 Jahren. Untersuchungen des Gesteins unter dem Eis in der Nähe des Kraters könnte Hinweise auf das Alter des Kraters und das Ausmass des Einschlages liefern und somit noch ein weiteres Rätsel lösen, das sich unter dem Eisschild Grönlands verbirgt…. wie so viele andere.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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