Große Ölkatastrophen wie in Norilsk Ende Mai diesen Jahres oder im Golf von Mexiko in 2010 kommen glücklicherweise nicht häufig vor, aber dennoch zu häufig und dann sind sie verheerend für die Natur. Solange Öl gefördert wird, auf See oder an Land, solange besteht auch die Gefahr für die Verschmutzung der Natur durch Lecks, durch einen Unfall, durch eine Katastrophe. Und darauf müssen wir vorbereitet sein, um die Natur mit all ihren Lebewesen vor dem Schlimmsten zu bewahren. Ein kleines Unternehmen aus dem sachsen-anhaltinischen Elsteraue hätte die Lösung parat.
Die jüngste schwere Umweltkatastrophe in der Arktis, bei der am 29. Mai 2020 in der sibirischen Großstadt Norilsk etwa 21.000 Tonnen Diesel aus dem Tank eines Heizkraftwerks ausgetreten sind, ist weder auf technisches noch (direktes) menschliches Versagen zurückzuführen, sondern ist den veränderten klimatischen Bedingungen zuzuschreiben. Angesichts immer neuer Hitzewellen und Temperaturrekorde ist es nur eine Frage der Zeit, wann der auftauende Permafrostboden an anderen Stellen in der arktischen Tundra nachgibt und die nächste ähnlich geartete Katastrophe auslöst.
Dann sind hoffentlich umfassende Notfallvorbereitungen wie das Bereithalten von ausreichend Material zur Eindämmung und Reinigung von Öl- und Chemikalienunfällen bereits getroffen. Und wenn abermals der Ernstfall eintritt, muss eine großflächige Ausbreitung wie jetzt wieder geschehen unter allen Umständen verhindert werden. Die fragile Flora und Fauna der Tundra wird mit jedem Unfall auf Jahrzehnte geschädigt, da sich das Ökosystem aufgrund der rauen Bedingungen mit einer sehr kurzen — wenn auch länger werdenden — Wachstumsperiode im Sommer nur sehr langsam wieder erholen kann.
Eine Kombination von Eindämmungs- und Reinigungsmaßnahmen ist daher unerlässlich. Nach dem Einrichten von Ölsperren auf Gewässern und dem Abpumpen des Wasser-Öl-Gemischs ist eine «Feinsäuberung» der Uferzonen und Wasserkörper für die empfindlichen Tiere und Pflanzen von immenser Bedeutung. Denn auch kleine Mengen an Öl oder Ölprodukten können für die Wasser- und Bodenorganismen tödlich sein und das ökologische Gleichgewicht über viele Jahre stören oder aushebeln.
«Zauberwatte» zur Schadensbegrenzung und -behebung
Die Rettung für durch Ölverschmutzung potentiell gefährdete Ökosysteme könnte die zufällige Erfindung des patentierten watteähnlichen Ölbindemittels PURE von der deutschen Firma DEUREX sein. Effektiv und vor allem umweltschonend entfernt es sowohl Rückstände von Öl und Chemikalien als auch mittelgroße Verschmutzungen aus Gewässern, Uferzonen und Böden. Die Vorteile des Materials liegen auf der Hand:
- es bindet Verschmutzungen im Süß- und Salzwasser ohne dabei Wasser aufzusaugen
- es kann in kurzer Zeit bis zur zehnfachen Menge des Eigengewichts adsorbieren
- es ist sehr gut umweltverträglich, da es im Wasser keine Rückstände hinterlässt und sogar wiederverwendet werden kann
Insbesondere die Umweltverträglichkeit ist ein wichtiger Faktor bei der Anwendung in fragilen Lebensräumen, andernfalls würde man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben wie beispielsweise mit flüssigen Fettlösern oder pulverförmigen Ölbindemitteln, die kaum mehr aufzunehmen sind.
In einem Fall, bei dem Getriebeöl an einer Trafostation auslief, konnte sogar der verschmutzte Boden gereinigt werden, indem PURE in einem Meter Tiefe unter den belasteten Abschnitt gelegt und nach etwa einem Jahr wieder entfernt wurde. Regen hatte das Öl durch den Boden gewaschen, das dann die PURE-Schicht auffing.
Es gibt eine Vielzahl weiterer Beispiele, wo PURE bereits erfolgreich im Einsatz ist und (Umwelt-)Verschmutzung verhindert bzw. beseitigt: an Windkraftanlagen, in Marinas, in Maschinenräumen von Schiffen, bei Hochwassern, bei Havarien, in den Ölfeldern Nigerias, etc.
Es verwundert also nicht, dass diese Erfindung, die auf einer irrtümlichen Einstellung der Produktionsmaschine beruht, im Jahr 2017 den Europäischen Erfinderpreis gewann.
Ein gravierendes Problem bleibt jedoch, wie Roland Micklich, Mitglied der Geschäftsleitung bei der DEUREX AG beschreibt:
«PURE ist zu selten zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Kaum ein Unternehmen möchte PURE zur Sicherheit vorhalten und bei einer akuten Ölkatastrophe wird nicht nach Neuheiten recherchiert, sondern auf bekannte Ölbindemittel zurückgegriffen.»
Die Verantwortlichen scheuen demnach die Kosten für präventive Maßnahmen, die in der Gesamtrelation allerdings geringer ausfallen als für herkömmliche Bindemittel, von denen viel größere Mengen nötig sind. Auch wenn die Lager der DEUREX AG gut gefüllt sind und PURE rasch nachproduziert werden kann, ist eine adhoc-Lieferung nur in seltenen Fällen und bei kleineren Verschmutzungen realisierbar. Mehrere Tonnen Material, wie sie für einen Ölunfall der Größenordnung von Norilsk nötig wären, lassen sich nicht innerhalb kürzester Zeit zum Unglücksort transportieren.
Roland Micklich hat hierfür die Lösung parat: eine mobile Produktionsanlage für PURE, die an den entsprechenden Standorten aufgestellt werden kann, selbst auf Schiffen. Doch dafür wäre die Unterstützung eines Investors nötig.
Im Notfall schwer erreichbar
Für die Ölindustrie in der Arktis wäre eine Produktionsanlage vor Ort die ideale Lösung, um auf Katastrophen vorbereitet zu sein. Denn das größte Problem ist die schwere Erreichbarkeit der abgelegenen Anlagen und potentiellen Unfallstellen, was ein schnelles Eingreifen im Notfall durch Hilfe von außen quasi unmöglich macht. Norilsk beispielsweise liegt inmitten der Tundra etwa 300 Kilometer nördlich des nördlichen Polarkreises und 80 Kilometer östlich des Flusses Jenissei und ist während der Sommermonate nur auf dem Luftweg zu erreichen, da der saisonal angetaute Permafrostboden Straßenbau kaum erlaubt. Das heißt, große Mengen an Material sowie schweres technisches Gerät können nur während der kalten Jahreszeit über Land in die Region gebracht werden, wenn der Boden fest gefroren und befahrbar ist. Für andere industriell genutzte Gebiete in der Arktis, auch in Alaska und Kanada, gilt ähnliches. Allein die große Anzahl von Ölförderanlagen im arktischen Raum spricht für das hohe Gefahrenpotenzial und technische Vorsorge ist dringend erforderlich.
Die fragile arktische Fauna und Flora braucht nicht nur dringend eine Lobby – dieser einmalige Lebensraum benötigt angesichts der rasant fortschreitenden Erschließung lagernder Energieressourcen unbedingt technische Prävention und umweltschonende Intervention für den Katastrophenfall. In unser aller Interesse bleibt zu hoffen, dass eine so großartige Erfindung wie PURE in Zukunft überall dort zur Hand sein wird, wo Öl (oder seine Produkte) extrahiert, transportiert, verarbeitet, gelagert, genutzt wird, um die Ökosysteme, von denen die gesamte Menschheit abhängig ist, vor weiteren Katastrophen zu bewahren.
Julia Hager, PolarJournal
INFO-BOX PURE
Eigenschaften:
- hohes Adsorptionsvermögen
- Verunreinigungen werden innerhalb weniger Minuten aufgesaugt
- große Oberfläche von bis zu 3 m²/g
- löst keine chemischen Reaktionen mit anderen Produkten aus
- elektrischer Nichtleiter
Eignung:
- bindet Verschmutzungen an der Wasseroberfläche und auf dem Gewässergrund
- für ruhige Wasseroberflächen und raue Gewässer
ökologische Vorteile:
- wasserunlöslich
- nimmt Wasser nicht auf
- Langzeitadsorptionsmittel
- schwimmt auch im vollgesogenen Zustand
- witterungsbeständig
- einfach vom Wasser zu trennen
- dauerhafte Lagerstabilität
- kein Gefahrgut
- wiederverwendbar
- Öl/Ölprodukt kann wieder von PURE getrennt und weiterverwendet bzw. entsorgt werden
Entsorgung:
- thermische Verwertung des Öl-PURE-Gemischs oder der einzelnen, voneinander getrennten Komponenten