Container als medizinische Einrichtung auf Versorgungsschiff | Polarjournal
Der Container sieht von aussen nicht sehr spektakulär aus. Doch im Inneren entpuppt sich die Einheit als wahres Platzwunder und bietet Ärzten und medizinischem Personal weitreichende Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten. Bild: Wendy Pyper / AAD

Die medizinische Versorgung in der Antarktis ist eine echte Herausforderung, nicht erst seit der COVID-Krise. Neben den Stationen sind es auch die Forschungs- und Versorgungsschiffe, die immer wieder an Grenzen stossen, wenn es um die Gesundheitsversorgung der Menschen an Bord geht. Zwar haben praktisch alle Schiffe eine Krankenstation und eine medizinisch ausgebildete Person an Bord. Doch die Möglichkeiten bei Unfällen und Krankheiten sind beschränkt, auch aufgrund des Platzes. Nun hat die Australian Antarctic Division eine Idee umgesetzt und eine 20-Fuss-Container in eine medizinische Einheit umgebaut mit viel mehr Möglichkeiten zur Diagnose und Behandlung.

Der Container soll auf dem Ersatzschiff der Australian Antarctic Division (AAD), der MPV Everest für die kommenden Zeit eingesetzt werden. Die einfach «Containerised Medical Facility» (CMF) genannte Einheit in dem 15 Jahre alten Container ist ein echter Lebensretter an Bord eines Schiffes. Denn in seinem Inneren sind alle notwendigen Teile für Notfalloperationen inklusive einer Anästhesiemaschine eingebaut. Auch Beatmung, Defibrillation und Herz-Kreislaufüberwachung und sogar ein Röntgenapparat inklusive Betrachtung und Auswertung sind mit drin. «Viele Schiffe besitzen nicht die Ausrüstung, die wir als Standard bei uns benötigen», erklärt Dr. Clive Strauss, der Leiter der medizinischen Abteilung der AAD. «Daher haben wir gemerkt, dass wir selbstversorgend sein müssen, um weiterhin unsere Standards der medizinischen Versorgung aufrechtzuerhalten. Das Ganze ist etwas eng für Operationen, aber es ist ein echter Lebens- und Gliedmassenretter.»

Das Innere des Containers ist so ausgestattet, dass auch chirurgische Eingriffe und Röntgenaufnahmen erstellt werden können. Auf den knapp 12 Quadratmetern können auch schwerere Fälle behandelt werden. Dr. Clive Strauss (im Bild) ist der Leiter der Medizin-Abteilung der AAD. Bild: Wendy Pyper / AAD

«Diese Einheit widersteht extremen Temperaturen und Schneestürmen, auf See oder an Land.»

Dr. Clive Strauss, Leiter Medizin AAD

Insgesamt besitzt der Container dieselbe Ausrüstung wie die australischen Antarktis-Stationen. Denn es ist für die AAD enorm wichtig, dass Notfälle auch adäquat behandelt werden können und gegebenenfalls auch Not-OPs durchgeführt werden können. Dazu sind alle notwendigen Ausrüstungsgegenstände vorhanden, auch für die Hygiene. Ein Heisswassertank, ein separates Luftfiltersystem mit HEPA-Filtern und ein kleiner Autoklav zur Sterilisierung von Operationsbesteck sind drin. Die Anästhesiemaschine funktioniert ohne Strom, für die restlichen Maschinen, inklusive des digitalen Röntgenapparates steht ein Notstromgenerator zur Verfügung, wenn die normale Stromversorgung ausfällt. «Diese Einheit widersteht extremen Temperaturen und Schneestürmen, auf See oder an Land. Sie kann auch in einem Notfall eingesetzt werden, sollten wir wichtige medizinische Infrastruktur in einer unserer Stationen verlieren», erklärt Dr. Strauss. «Unsere Spezialberater wissen, was unsere Ärzte leisten können und verstehen die Musterbeispiele von Medizin in der Wildnis.»

Die MPV Everest ist das Ersatzschiff der AAD, bis der neue Eisbrecher die RV Nuyina fertiggestellt ist. Denn die Auslieferung von Australiens Prestigeprojekt ist durch die COVID-Krise verschoben worden. Der Ersatz stammt von einer niederländischen Firma und ist eisverstärkt. Bild: Maritime Construction Services

Die Containereinheit ist eine Lösung für die Schwierigkeiten medizinischer Versorgung an Bord eines Schiffes. Die AAD arbeitet aber an der Entwicklung einer neuen, noch besser ausgestatteten Einheit. Doch bis dahin wird diese hier immer noch ihren Dienst erfüllen. Die CMF soll auf dem Ersatzschiff der AAD, der MPV Everest, eingesetzt werden. Dieses knapp 140 Meter lange Multifunktionsschiff einer niederländischen Firma musste von der AAD gechartert werden, nachdem der alte Eisbrecher Aurora Australis im Januar ausser Dienst gestellt worden war und durch das Prestigeschiff RV Nuyina ersetzt werden sollte. Doch die COVID-Pandemie machte Australien einen Strich durch die Rechnung und verzögerte die Auslieferung des neuen Eisbrechers. Das neue Schiff ist eisgängig bis zu einer Dicke von 1 Meter und kann bis zu 100 Passagiere aufnehmen. Neben einem Hubschrauber können auch 96 Container untergebracht werden. Einer davon wird in Zukunft Leben retten.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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