Wo Methan aus dem Boden Antarktikas sickert | Polarjournal
Die weissen Flächen am Boden sind Bakterienrasen, die ein Anzeichen für austretendes Methan darstellen. Nicht einmal 10 Meter unter dem Eis scheint hier das Treibhausgas aus dem Boden zu sickern. Bild: Andrew Thurber

Der Meeresboden rund um Antarktika ist nur zu kleinen Teilen erforscht. Meist liegen die bekanntesten Stellen im Umkreis von Forschungsstationen und bieten den Wissenschaftlern einen kleinen Einblick in die ozeanische Vielfalt unter dem Eis. Doch was beinahe direkt an der Türschwelle der grössten Antarktis-Station McMurdo entdeckt worden war, ist doch eine grosse Überraschung: eine Stelle, an der Methan direkt aus dem Meeresboden sickert. Das potente Treibhausgas bildet hier die Grundlage einer grossflächigen Bakterienwelt.

Die Bakterienrasen rund um die Quelle wurden zum ersten Mal 2012 von Assistenz-Professor Andrew Thurber von der Oregon State Universität besucht und eine erste Probe entnommen. Davor war an dieser Stelle bisher kein solcher Rasen beschrieben worden. Thurber entdeckte den Grund dafür auch relativ rasch: eine Öffnung im Meeresboden, aus der Methan sickerte. Als Thurber 2016 noch einmal an dieselbe Stelle kam, hatte sich bereits an einer zweiten, höher gelegenen Stelle weitere Rasen gebildet. «Die Bakterienrasen sind wie ein Strassenschild, das die Methansickerquelle an der Stelle anzeigt», erklärt Thurber. «Wir wissen nicht, was diese Sickerquellen gestartet hat. Wir brauchten echten Dusel, um überhaupt eine aktive Quelle zu finden. Und den hatten wir.»

Aufgrund von Druck und Kälte ist Methan am Meeresboden fest («Methaneis»). Wenn diese Faktoren nicht mehr gegeben sind, verflüchtigt sich das wasserunlösliche Methan. Dabei wird es entweder durch Blasen an die Oberfläche gehoben oder wird durch Bakterien zur Energiegewinnung verwendet. Bild: Andrew Thurber

Die Untersuchungen von Thurber und seinem Team sind in einem weiteren Punkt bemerkenswert. Denn zum ersten Mal kann man die Entwicklung der bakteriellen Lebensgemeinschaften rund um solche Quellen untersuchen. Das ist besonders wichtig, da die Bakteriengemeinschaft das austretende Methan filtern und zur Energiegewinnung verwenden. Fehlt dieser Filter, gerät das Methan an die Oberfläche und in die Atmosphäre. Und Methan ist ein rund 25-mal stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid. Obwohl Methan unter dem Meeresboden weitverbreitet zu sein scheint, sind aktive Sickerquellen nur wenig bekannt. Im Südpolarmeer kannte man bisher nur eine Stelle, die bei ihrer Entdeckung bereits versiegt war.

Das Video fasst die Entdeckung der Sickerquelle und die Bedeutung des Fundes zusammen. Das Video ist in Englisch, Untertitel können dazugeschaltet werden via Leiste. Video: Oregon State University

«Was aber wirklich spannend und aufregend war, war, dass die entdeckte Bakteriengemeinschaft sich nicht so entwickelt hatte, wie wir es aufgrund von Studien an anderen Quellen auf der Welt vorhergesagt hatten», meint Thurber weiter. «Die Bakterien, die wir entdeckt hatten, waren die letzten, die wir an dieser Stelle erwartet hätten.» Die Kategorie an Bakterien, die weltweit am häufigsten an solchen Stellen beobachtet worden war, fand sich hier erst nach fünf Jahren, aber trotz der Kälte des Wassers. Doch die Bakteriengemeinschaft war noch nicht derart ausgeprägt, dass das austretende Methan gefiltert würde. Die Menge an entweichendem Methan, das wahrscheinlich in die Atmosphäre gelangt, war immer noch hoch. Aus diesen Resultaten folgert das Team, dass es sich bei den gefundenen Bakterien entweder um neue Typen von Methan-verarbeitenden Bakterien handelt oder dass eine Sukzession existiert, bei der immer besser Methan-verwertende Bakterien aufeinanderfolgen. «Mit dieser Entdeckung können wir jetzt herausfinden, ob Sickerquellen in Antarktika nur anders funktionieren oder ob es Jahre braucht, bis sich die Bakteriengemeinschaft angepasst hat», folgert Thurber.

Der Meeresbiologe und Ozeanograph Andrew Thurber ist Assistenzprofessor an der Oregon State University und untersucht das Zusammenspiel von Bakterien und mehrzelligen Lebewesen in Lebensräumen wie Tiefseemethanquellen und polaren Meeresökosystemen. Bild. The Pew Charitable Trust

Methan ist eine natürliche und global vorkommende Ressource. Gleichzeitig ist der gasförmige Stoff auch ein potentes Treibhausgas. Die gesamte Menge an Methan unter dem Meeresboden wird auf 1’800 Gigatonnen geschätzt, den südlichen Ozean nicht eingerechnet. Denn hier sind nur grobe Schätzungen bekannt. Thurber und seine Kollegen nehmen an, dass nochmals zwischen 80 und 400 Gigatonnen Methan unter den Eisschelfs und den Küsten Antarktikas liegen. Forscher gehen davon aus, dass substantielle Teile der Kontinentalabhänge aus Methaneis bestehen. Doch wo der Ursprung dieser neu entdeckten und nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche liegenden Sickerquelle liegt, ist nicht bekannt. Sollte sie aber zeigen, dass Mengen von Methan unter den Eisschelfs und eisbedeckten Küsten Antarktikas liegen, müssten diese und auch die Geschwindigkeit, mit der die Bakteriengemeinschaften sich bilden, um das Methan vor der Atmosphäre abzufangen, auch in die Klimamodelle miteingebaut werden, meint Thurber abschliessend. Doch wie lange letzteres dauert, bleibt bis auf weiteres ein Geheimnis Antarktikas.

Die Fundstelle der Sickerquelle liegt nahe der US-amerikanischen Antarktisstation McMurdo auf der Ross-Insel. Der südlichste aktive Vulkan, Mt. Erebus, liegt nördlich davon. Rechts sind die Ausläufer des Ross-Eisschelfs, des grössten seiner Art.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Thurber et al (2020) Proc R Soc B 287 (20201134) Antarctic endemism and microbial succession impact methane cycling in Southern Ocean

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