Für Astronomen, die mit ihren Teleskopen den Geheimnissen des Universums auf die Spur kommen wollen, sind Orte wie Chile oder Hawaii das Mass aller Dinge auf der Erde. Hoch gelegen, keine Verschmutzungsquellen sind die Hauptkriterien gewesen, dass man an diesen Orten die leistungsfähigsten Teleskope hingestellt hatte. Nun zeigt ein internationales Forschungsteam, dass eine Stelle mitten in der Ostantarktis genauso gut oder noch besser für einen ungetrübten Blick ins Weltall ist: Der Dome A, rund 1’200 Kilometer vom geographischen Südpol entfernt.
«Die Durchschnittsdicke der Grenzschicht am Dome A beträgt gerade einmal 13.9 Meter, was es viel einfacher macht, darüber ein Teleskop zu bauen.»
Dr. Zhaoshui Shang, Chinesische Akademie der Wissenschaften
Das Forschungsteam aus China, Australien und Kanada untersuchte mithilfe eines Beobachtungssystems auf einem 8 Meter hohen Turm, in wieweit atmosphärische Störungen durch das Wetter die Sicht auf die Sterne beeinflussen würden. Diese Störungen sind beispielsweise für das Aufblitzen von Sternen verantwortlich und verfälschen somit die Sicht. Dabei spielt die unterste Grenzschicht der Atmosphäre eine wichtige Rolle. «An einer gemässigten Stelle ist die Grenzschicht normalerweise mehrere hundert Meter hoch oder noch höher, womit man die freie Atmosphäre nicht erreichen kann», erklärt Studienleiter Zhaohui Shang von der chinesischen Akademie der Wissenschaften. «Doch die Durchschnittsdicke der Grenzschicht am Dome A beträgt gerade einmal 13.9 Meter, was es viel einfacher macht, darüber ein Teleskop zu bauen.»
Gemessen wurden die Winkelsekunden, um ein Bild zu erhalten. Je kleiner dieser Wert, desto besser das Bild. Das System machte zwischen April und August 2019, also mitten in der Polarnacht, jede Minute ein Bild. So wurden insgesamt 45’930 Werte gemessen, die dann mit den Werten von anderen, bereits bestehenden Teleskopstandorten verglichen werden konnten. Dabei zeigte sich, dass bei Dome A rund 0.31 Winkelsekunden gemessen wurden, im Vergleich zu 0.6 und 0.8 bei den Stationen in Chile und auf Hawaii. Damit konnte gezeigt werden, dass hier der Bau eines Teleskopes durchaus Sinn machen würde.
Der Dome A, der Teil des ostantarktischen Eisschildes ist, ist bereits seit 11 Jahren der Sitz einer automatischen Beobachtungsplattform für das Universum namens PLATO (PLATeau Observatory). Diese wurde von der Universität von New South Wales entwickelt und mit verschiedenen Messinstrumenten für astronomische Beobachtungen ausgerüstet. Denn der Dome A (auch Dome Argus genannt) ist die höchste Erhebung des Eispanzers in der gesamten Antarktis. Mehr als 4’096 Meter ragt hier der Eispanzer in den Himmel. Unter dem Eis liegen die bekannten Gamburtsev-Bergketten, die noch höher als die Alpen sind.
«Unser System beobachtetet den Himmel voll automatisch an einer unbemannten Station während sieben Monaten bei Temperaturen bis zu -75° C.»
Dr. Bin Ma, Universität von British Columbia
Auch der inoffiziell kälteste Punkt der Erde liegt auf dem Dome A. Und genau dieser Faktor macht den Bau eines Teleskops an dieser Stelle zu einer echten technischen Herausforderung. Doch die Forscher sind zuversichtlich, dass diese Probleme gelöst werden können. «Unser System beobachtetet den Himmel voll automatisch an einer unbemannten Station während sieben Monaten bei Temperaturen bis zu -75° C», erklärt Bin Ma von der Universität von British Columbia und Hauptautor der Studie. «Das alleine ist schon ein technischer Durchbruch.»
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
Link zur Studie: Ma et al. (2020), Nature 583 (771-774)Night-time measurements of astronomical seeing at Dome A in Antarctica