Seit letztem Herbst wachsen nahe der arktischen Gemeinde Gjoa Haven im kanadischen Nunavut Salat und Tomaten, wenn auch unter etwas anderen Bedingungen als in unseren Breiten. Ein Schiffscontainer dient hier als Gewächshaus und den Strom für Licht und Wärme liefern zwei Windräder und Solarpaneele. Dieser erfolgreiche Anbauversuch ist ein Projekt der Arctic Research Foundation. Jetzt startet auch die Kanadische Raumfahrtbehörde ein Testprojekt.
Frisches Gemüse auf dem Mond oder dem Mars? Die Kanadische Raumfahrtbehörde (CSA) will mit ihrem über vier Jahre angelegten und 450.000 Dollar teuren Gewächshaus-Projekt in Gjoa Haven den Weg für den Anbau frischer Lebensmittel für zukünftige Astronauten ebnen.
Die etwa 1.500 Einwohner große Gemeinde im kanadischen Nunavut eignet sich nach Aussage der CSA bestens für die Entwicklung von Weltraum-Nahrungsmittelproduktionssystemen, da die rauen klimatischen Bedingungen denen im Weltraum ähneln. Zudem liegt Gjoa Haven abgeschieden auf King William Island, es gibt kaum Vegetation, die Sommer sind kurz und meist wolkenverhangen, die Winter dunkel und kalt – alles in allem wohl so, wie man sich eine «Mondlandschaft» vorstellt und der ideale Ort, um Pflanzenproduktionssysteme zu entwickeln und zu testen, so die CSA.
Es gibt viele Ähnlichkeiten mit der rauen und kalten Umgebung des Weltraums, die zeigen können, wie Astronauten bei extremem Wetter unterstützt werden können, sagte Matthew Bamsey, ein leitender Ingenieur im Programmmanagement des CSA, gegenüber Nunatsiaq News.
Die Pflanzen wachsen in einem entsprechend angepassten Schiffscontainer und das Projekt soll laut Bamsey auch zeigen, wie man die Menge der Pflanzen, die man auf kleinstem Raum anbauen kann, maximieren kann. Auf dem Mond oder dem Mars würden sie zwar nicht in Containern wachsen, fügt er hinzu, aber vielleicht in ähnlichen Modulen der Internationalen Raumstation.
Nun arbeitet die kanadische Weltraumbehörde (CSA) gemeinsam mit den Betreibern des Gewächshauses an der Entwicklung eines Lehrplans, der dem Studium der weltraumbezogenen Nahrungsmittelproduktion gewidmet ist. An diesem Programm werden Wissenschaftler und Techniker in Zusammenarbeit mit technischen Ausbildern und der Gemeinschaft Nunavuts teilnehmen. Das Projekt wird es Wissenschaftlern ermöglichen, mehr über die Nahrungsmittelproduktion in einer abgelegenen Umgebung und unter extremen Wetterbedingungen zu lernen. Letztendlich ist es das Ziel, dass diese Forschungsergebnisse im Weltraum Anwendung finden.
Das CSA-Projekt soll jedoch nicht nur zukünftigen Weltraummissionen zugute kommen, sondern auch auf der Erde helfen und so die Ernährungssicherheit der lokalen Bevölkerung verbessern und die lokale Wirtschaft ankurbeln. Fast 70% der Haushalte in Nunavut sehen sich einer Studie von Action Canada zufolge mit mäßiger bis hoher Ernährungsunsicherheit konfrontiert und haben keinen Zugang zu gesunden und erschwinglichen Lebensmitteln. Die Entstehung neuer Arbeitsplätze ist dabei ein wichtiger Baustein zur Verbesserung der Situation — die CSA stellte kürzlich eine Anfrage für Dienstleistungen zur Ausbildung und Entwicklung qualifizierter Arbeitskräfte für den Betrieb der Gewächshäuser.
«Die kanadische Regierung wird nach Wegen suchen, um die Zugänglichkeit von Nahrungsmitteln im ganzen Land, einschließlich des Nordens, zu verbessern, mit dem Ziel, diese Erfahrungen zu nutzen, um den Astronauten zu helfen, Nahrungsmittel von der Erde anzubauen», erklärt Bamsey.
Das von der Arctic Research Foundation initiierte und u.a. von der CSA unterstützte Projekt «Naurvik», was in Inuinnaqtun so viel bedeutet wie «wachsender Ort», liefert bereits seit November letzten Jahres leckeres frisches Gemüse. In Zukunft soll in mehreren Containern so viel angebaut werden, dass die Gemeinde ihre Ernte exportieren kann.
Die Idee, Nunavut als Stellvertreter für den Mond oder Mars einzusetzen, wird schon seit einiger Zeit diskutiert. Im Rahmen des Haughton-Marsprojekts wurde Anfang der 2000er Jahre bereits ein Gewächshaus auf der Insel Devon betrieben. Laut Bamsey war das Gewächshaus zu seiner Zeit in Erfolg, jedoch mit einem Unterschied: «Es waren keine Menschen direkt beteiligt.» Die meiste Zeit des Jahres wurde das Gewächshaus, das mittlerweile eingemottet ist, aus der Ferne gesteuert.
Bis 2025 will die CSA einen Plan für die Nahrungsmittelproduktion im Weltraum entwickeln und die Mitglieder der Gemeinschaft miteinbeziehen.
Julia Hager, PolarJournal