Trotz ihres Bekanntheitsgrades ist unser Wissen über Eisbären in weiten Bereichen noch sehr lückenhaft. Besonders über die Populationsgrössen und den Zustand der einzelnen Tiere bestehen noch Löcher in den Kenntnissen. Daher versuchen Forscher, bei Monitorings soviel wie möglich über das grösste Landraubtier herauszufinden. Dazu müssen die Tiere auch betäubt werden. Doch Betäubungen sind auch risikoreich und bei Tierschützern stark umstritten. Auf Svalbard ist nun bei Markierungsarbeiten des norwegischen Polarinstitutes ein Eisbär umgekommen.
Der Unfall geschah gestern Morgen im Wijdefjord im Norden von Spitzbergen. Dort waren Experten des norwegischen Polarinstitutes daran, im Rahmen der regelmässigen Eisbärenkontrollen im Herbst, die Tiere zu vermessen und zu markieren. Gemäss Dr. Jon Aars, dem Eisbärenexperten des Polarinstitutes, war der betroffene Bär, ein 2-jähriges Männchen, der 30. oder 31. Bär, den sie betäubt und untersucht hatten. Die Gründe, die zum Tod des Tieres geführt haben, werden nun mithilfe einer Autopsie in Longyearbyen genauer untersucht, wie Morten Wegede, der Leiter der Umweltschutzbehörde der Sysselmannen, informierte. Ersten Informationen zufolge war das Tier mit seinen 144 Kilogramm gewichtsmässig „innerhalb der Bandbreite, was ein normales Gewicht angeht“, sagte Morten Wegede gegenüber den Medien.
Die Arbeiten der Forscher sind zwar nach Angaben von Jon Aars noch nicht beendet, aber es soll abgewartet werden, wie viele weitere Tiere noch markiert werden. Die Markierungsprogramme des norwegischen Polarinstitutes sind umstritten aufgrund der Betäubung der Tiere. Denn in der Vergangenheit starben immer wieder Tiere, darunter auch weibliche Eisbären und Jungtiere, bei den Aktionen. «Wir wissen, dass wir zwischen 2 und vier Tiere aus 1’000 Betäubungen verlieren», meint der Experte. «Das Markieren wird damit gerechtfertigt, dass wie als Forscher glauben, dass das Wissen, welches wir erhalten, sehr wertvoll ist.» Aars selbst, der seit 2003 Eisbären markiert, habe im Laufe seiner Karriere drei Tiere auf diese Weise verloren.
Das Markieren von Eisbären ist eine weitverbreitete Praxis in der Arktis. Auch in Kanada werden Eisbären mit Ohrenmarkern und die Weibchen mit Satellitenhalsbänder versehen. Denn nur so lasse sich mehr über das Wanderverhalten, die aufgesuchten Regionen und die Lage der Geburtshöhlen erfahren, argumentieren Wissenschaftler. Damit könne mehr und konkreter für den Schutz der Tiere unternommen werden. Für die Markierungen und Probennahmen an den Tieren werden diese von Hubschraubern aus aufgespürt und von oben mit Pfeilen, die aus Gewehren abgeschossen werden, betäubt. Diese Form der Untersuchungen ist jedoch stark umstritten, da es einen enormen Stress für die Tiere bedeutet aufgrund des Lärms. Ausserdem ist die Einstellung der richtigen Dosis an Betäubungsmittel sehr schwierig, da sie vom Gewicht und dem Zustand des Bären abhängig ist. Falsche Dosierungen können zum Tod führen. Der letzte Fall auf Svalbard, bei dem ein Tier wegen einer falsch dosierten Menge zugrunde gegangen war, geschah erst Ende Januar dieses Jahres. Als Konsequenz verfügten die Sysselmannen, die selber darin verwickelt gewesen waren, dass ein Tierarzt bei Betäubungen anwesend sein muss. Nach Angaben der Sysselmannen, war dies beim diesjährigen Programm des Norwegischen Polarinstitutes der Fall.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal