Es ist schon lange bekannt, dass die tauenden Permafrostböden riesige Mengen der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre entlassen und somit den Klimawandel weiter verstärken. Bisher wenig beachtet wurden allerdings die anderen Elemente, die noch im Permafrostboden eingeschlossen sind und mit dem fortschreitenden Auftauen freigesetzt werden. In einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, fokussierten sich Wissenschaftler auf das Schwermetall Quecksilber in der Region um den Yukon River in Alaska.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 kommt in arktischen Permafrostböden natürlicherweise etwa doppelt so viel Quecksilber vor wie in allen anderen Böden, den Ozeanen und der Atmosphäre zusammen. Quecksilber im Boden stammt hauptsächlich aus atmosphärischen Ablagerungen und ist an organisches Pflanzenmaterial gebunden. In nicht gefrorenen Böden zersetzen Mikroorganismen mit der Zeit das organische Material und Quecksilber wird freigesetzt. In Permafrostböden dagegen sind die mikrobiellen Abbauprozesse im Wortsinne eingefroren und somit ist auch das Quecksilber eingeschlossen. Durch die zunehmende Erwärmung und das weitere Auftauen der Permafrostböden werden die biologischen Prozesse wieder in Gang gesetzt und Quecksilber wird in die Umwelt abgegeben. Wieviel, wo und wann blieb allerdings lange unklar. Die neue Studie, an der Wissenschaftler des National Snow and Ice Data Center der University of Colorado Boulder, der University of South Florida, dem Los Alamos National Laboratory, dem U.S. Geological Survey und der Harvard University beteiligt waren, bringt nun mit Hilfe von Modellierungen erste genauere Erkenntnisse.
Die Forscher konzentrierten sich bei ihren Berechnungen auf zwei Szenarien des Weltklimarats zu den künftigen Treibhausgasemmissionen: RCP4.5 (mittlere Steigerung der Treibhauskonzentration; Emissionen steigen bis 2040, fallen danach) und RCP8.5 (sehr starke Steigerung der Treibhausgaskonzentration; Emissionen steigen bis Ende des Jahrhunderts).
«Das freigesetzte Quecksilber wird sich seinen Weg vom Land zum Fluss und schließlich in die Ozeane bahnen und es wird in gasförmiger Form die Welt umkreisen.»
Kevin Schaefer, National Snow and Ice Data Center, University of Colorado Boulder
Gehen die Kohlendioxid-Emissionen mit den derzeitigen Raten ungebremst weiter (RCP8.5) — wonach es derzeit ausschaut —, wird bis 2050 so viel Quecksilber aus dem auftauenden Permafrostboden austreten, dass die Fische im Yukon River innerhalb weniger Jahrzehnte so stark mit dem hochgiftigen Schwermetall belastet sind, dass sie unter den Gesichtspunkten der Lebensmittelsicherheit nicht mehr sicher sind für den menschlichen Verzehr.
Die Wissenschaftler erwarten, dass sich die Quecksilberkonzentration im Yukon bis zum Ende des Jahrhunderts verdoppeln wird, wenn die Kohlendioxidemissionen mit den gegenwärtigen Raten anhalten.
Gelingt es der globalen Gemeinschaft jedoch, die Emissionen zu reduzieren (RCP4.5), wird die Quecksilberkonzentration bis zum Ende des Jahrhunderts nur um 14 Prozent ansteigen. Damit blieben die Konzentrationen im Wasser und im Gewebe der Fische im Rahmen der Richtlinien für Lebensmittelsicherheit.
«Es wird viel davon abhängen, was wir als Reaktion auf den Klimawandel tun», sagt Kevin Schaefer vom National Snow and Ice Data Center in Colorado, der Hauptautor der Studie.
Die Freisetzung von Quecksilber aus Permafrostböden hat laut Schaefer nicht nur Auswirkungen auf die indigenen Gemeinschaften in Alaska und Kanada, deren Einkommen, Ernährung und Kultur von den Fischen im Yukon abhängt. Vielmehr sei der über 3.000 Kilometer lange Fluss «ein Kanarienvogel im Kohlebergwerk, ein Indikator dafür, was in der gesamten Arktis passieren könnte», so Schaefer. «Das freigesetzte Quecksilber wird sich seinen Weg vom Land zum Fluss und schließlich in die Ozeane bahnen und es wird in gasförmiger Form die Welt umkreisen. Was im Yukon geschieht, wird den gesamten Globus betreffen, nicht nur die Menschen, die am oder um den Yukon River leben.»
Julia Hager, PolarJournal