Eisbären im Norden Grönlands geht es zurzeit besser | Polarjournal
Die Population von Eisbären im Kane Basin, einer Region zwischen Nordwestgrönland und dem kanadischen Nunavut, ist in den vergangenen 30 Jahren von 225 auf 360 Tiere angewachsen. Doch wie lange dieser Trend noch anhält, ist unbekannt und könnte sich ins Gegenteil kehren bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit der Veränderungen. Bild: Michael Wenger

Eisbären sind an ihre arktische Umgebung eigentlich perfekt angepasst. Doch die rasanten klimatischen Veränderungen in der Arktis haben zusammen mit Jagd und Verschmutzung dem König der Arktis massiv zugesetzt. In vielen Regionen geht die Population teilweise sehr schnell zurück. Doch zumindest im Norden Grönlands, in der Qaanaaq-Region, ist die Population der Bären seit den 1990er Jahren gewachsen.

Die Eisbären im Kane Basin, zwischen Nunavut und Grönland liegend, seien nicht nur zahlreicher geworden, sondern auch in einem besseren körperlichen Zustand als noch vor 30 Jahren. Ausserdem hätten zumindest die Bärenweibchen ihr Ausbreitungsgebiet zwischen 1990 und 2010 mehr als verdoppelt. Der Grund dafür ist der frühere Beginn der Eisschmelze in der Region und der Wechsel von der kontinuierlichen Eisbedeckung zur Freilegung der offenen Wasserfläche. Denn dies begünstige die biologische Produktivität und damit die Nahrungsgrundlage der Bären. Zu diesem Schluss kommt eine Studie eines internationalen Forschungsteams, welches seien Resultate vor kurzem in der Fachzeitschrift Global Change Biology veröffentlicht hat.

Das Kane Basin ist eine 180 Kilometer breite und 130 Kilometer lange Stelle in der Nares-Strasse, die zwischen Ellesmere Island und der Nordwestecke Grönlands liegt. Das Meereis ist hier von einer beinahe ganzjährigen Bedeckung auf eine saisonale, dünnere Decke geschrumpft. Dadurch kann Licht und Kohlendioxid ins Wasser gelangen und die Produktivität ankurbeln, was zu mehr Nahrung für die Eisbären geführt hat. Die Frage ist aber, wie lange noch. Bild: Michael Wenger

Das Team um Hauptautorin Dr. Kristin Laidre von der Universität Washington Seattle untersuchte in ihrer Arbeit neben den Zahlen der Eisbären auch deren Bewegungen, ihren Zustand, die Fortpflanzungszahlen und verglichen sie mit den Satellitenaufnahmen zur Eisbedeckung zwischen 1993 – 1997 und 2012 – 2016. Dabei fanden sie heraus, dass innerhalb des Zeitfensters das Eis von einer Schicht mehrjährigen Eises, das fast das ganze Jahr mehr als 50 Prozent der Region bedeckt hatte, einer dünneren Schicht aus ein- bis zweijährigem Eis gewichen ist und sich die Zeit zwischen dem Abschmelzen und dem Wiederaufbau des Eises um durchschnittlich beinahe zwei Monate verlängert hat. Auf der einen Seite bedeutet das für die Eisbären zwei Monate längeres Fasten, aber gleichzeitig auch eine längere Produktivität. Und genau dieser Faktor wiegt mindestens zurzeit die Fastenzeit auf, gemäss der Studie.

Eisbären brauchen das Meereis, um ihre Hauptnahrung, Ringel- und Bartrobben zu jagen. Denn nur die liefern wirklich genügend Energie, damit die Sommermonate überstanden werden können. Im Kane Basin hat die höhere Produktivität gegenwärtig die längere Fastenzeit noch abgefedert. Gemäss der Studie verbringen mehr Bären ihre Sommermonate auf der Ostseite der Region, da dort mehr Gletscher und daher mehr Nahrung zu finden ist. Geleichzeitig gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Fortpflanzung zurzeit beeinträchtigt ist. Bild: Michael Wenger

«Die positiven Vorteile im Kane Basin sind wahrscheinlich nur vorübergehend, da unter dem ungebremsten Klimawandel ein anhaltender Meereisverlust letztendlich zu einem begrenzenden Faktor wird»

Dr. Kristin Laidre, Laidre et al (2020) Global Change Biology

Doch die Eisbären haben nicht einfach überall mehr Nahrung zur Verfügung. Die Untersuchungen des Teams haben gezeigt, dass die Eisbären vermehrt auf der Grönlandseite ihre Sommermonate verbringen. Die Autoren vermuten, dass aufgrund der Gletscher dort mehr Nahrung zu finden ist. Damit steht den Tieren wenigstens jetzt noch mehr Nahrung zur Verfügung, auch für den Nachwuchs. Denn trotz des Meereisrückganges haben die Forscher keine Hinweise gefunden, dass die Eisbären weniger Nachwuchs hatten. Doch die Forscher warnen, dass dieser Trend wahrscheinlich nicht von Dauer ist. «Die positiven Vorteile im Kane Basin sind wahrscheinlich nur vorübergehend, da unter dem ungebremsten Klimawandel ein anhaltender Meereisverlust letztendlich zu einem begrenzenden Faktor wird», schreiben die Autoren als Fazit ihrer Studie. Die Realität wird also auch die Eisbären im Norden Grönlands früher oder später einholen und es ist nur eine Frage der Zeit, wann auch die Eisbären im Kane Basin das Schicksal ihrer Artgenossen in anderen Polarregionen teilen werden.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Laidre et al (2020) Glob Chan Biol EPub Transient benefits of climate change for a high-Arctic polar bear subpopulation; https://doi.org/10.1111/gcb.15286

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