In diesem Herbst lag die Eiskante in der Arktis auf Rekordhöhe. Dadurch war die Entfernung zum Nordpol für die atomgetriebene «Arktika» auf ihrer Jungfernfahrt nicht mehr allzu weit. Die Verlockung war gross, gleich bei der ersten Fahrt da mal nachzuschauen.
Der 173 Meter lange Eisbrecher ist der erste in einer Serie von fünf Eisbrecher des Projekts 22220. Es sind zurzeit die leistungsstärksten zivilen Schiffe, die je gebaut werden. Angetrieben wird die «Artika» von zwei wassergekühlten Reaktoren des Typs RITM-200 mit einer thermischen Leistung von je 175 MWt. Die Antriebsleistung beträgt 60 MW, was etwa 80.000 PS entspricht.
Die «Arktika» verliess am 22. September die Werft in St. Petersburg in Richtung Norden. Der Eisbrecher fuhr entlang der norwegischen Küste bis zur Barentssee und erreichte zwischen Spitzbergen und Franz Josef Land russische Gewässer. Nach einem rekordverdächtig warmen Sommer in Spitzbergen und Nordsibirien liegt die Eiskante derzeit bei 85 Grad Nord. Noch nie zuvor wurde im europäischen und asiatischen Teil des Arktischen Ozeans so weit nördlich noch offenes Wasser gesehen.
Auf der Suche nach richtigem Meereis, um ihre Fähigkeiten zu testen, fuhr die «Arktika» und ihre 53-köpfige Besatzung weiter bis zur Eiskante und von da aus zum Nordpol. Diesen erreichte die «Arktika» am 3. Oktober 2020. Auf dem Weg zum geographischen Nordpol betrug die maximale Eisdicke laut der Pressestelle von Atomflot drei Meter.
„Bei diesen Eisverhältnissen bestätigte das Schiff die Eigenschaften für die Klasse“, sagte der Kapitän Oleg Shhchapin. „Zudem funktionierten die Reaktoren und der Antrieb einwandfrei“, fügte er hinzu.
Nach Abschluss der Testfahrten im Eis wird die «Arktika» zum Heimathafen in Murmansk fahren, wo Russlands nuklearbetriebene Eisbrecher-Flotte stationiert ist. Die Ankunft wird für Ende dieser Woche erwartet.
Zweite «Arktika» zum Nordpol
Die neue «Arktika» ist der zweite nuklearbetriebene Eisbrecher namens «Arktika» am Nordpol. Die erste «Arktika» schrieb Geschichte, als sie am 17. August 1977 als erstes Schiff überhaupt den Nordpol erreichte.
Nach 33-jährigem Betrieb wurde die erste «Arktika» 2008 außer Betrieb genommen. Zehn Jahre lang lag der Eisbrecher bei Atomflot nördlich von Murmansk im Hafen, teils in Erwartung der Abkühlung der beiden Reaktoren, teils in Erwartung von Mitteln für die Stilllegung.
Heiner Kubny, PolarJournal