Jüngste Satellitenbilder, die von Planet Labs aufgenommen wurden, zeigen, dass Russland möglicherweise die Testflüge seiner nuklearbetriebenen Marschflugkörper «Burevestnik» wieder aufnehmen könnte. In Novaya Zemlya, einem Archipel über dem Polarkreis, könnten auf einer 2017 abgebauten Anlage wieder Einrichtungen für Starts aktiviert werden.
CNN berichtete erstmals, dass die Arbeit am Teststandort möglicherweise wieder aufgenommen wurde, und stützte sich dabei auf Satellitenbilder von Planet Labs, die von den Forschern Michael Duitsman und Jeffrey Lewis vom Middlebury Institute of International Studies in Monterey analysiert wurden. Der Standort der Anlage befindet sich in: 73.084°N, 53.275°E. Die Aktivität findet an drei verschiedenen Stellen am Standort Pankovo statt. An zwei Standorten, einschließlich der wahrscheinlichen Raketenabfertigungsanlage, gibt es eine große Anzahl von abgestellten Schiffscontainern.
Die Arbeit soll die Rekonstruktion einer Startrampe umfassen, von der angenommen wird, dass sie für frühere Raketenstarts verwendet wurde. Es scheint nun neu konfiguriert worden zu sein, um den Marschflugkörper «Burevestnik» in eine andere Richtung abzufeuern. Gemäss The Barents Observer steuerte die Rakete beim Testversuch im November 2017 auf Sukhoy Nos nördlich des Matochkin Shar zu. In diesem Gebiet waren früher Atomwaffentests aus der Sowjetzeit durchgeführt worden, darunter die «Tsar Bombe», die mächtigste je gezündete nukleare Detonation der Welt.
Zudem wurde auch ein neuer Hubschrauberlandeplatz in dem Gebiet mit dem Lagergebäude für wahrscheinliche Raketen errichtet. Hubschrauber sind ein übliches Transportmittel auf einem Testgelände.
Neben dem Auftauchen von Schiffscontainern auf dem Gelände, zeigten Aufzeichnungen von MarineTraffic.com eine erhöhte Anwesenheit von Frachtschiffen in der Gribowaja-Bucht. Obwohl einige dieser Aktivitäten mit geologischen Untersuchungen auf dem Pawlowskoe-Erzfeld, 30 km südöstlich des Startplatzes, in Zusammenhang stehen könnten, würde dies den Bau einer neuen Startrampe erklären.
Neben dem Test in der Nähe von Pankowo im November 2017 führte Russland Berichten zu folge bis zum Februar 2018 mindestens drei weitere Tests des Systems durch. Keiner der Tests wurde als erfolgreich eingestuft.
Russland scheint die Tests des nuklearbetriebenen Marschflugkörpers nach 2018 unterbrochen zu haben, als das Testgelände abgebaut wurde. Die Tests wurden dann nach Nenoksa, in die nordwestrussische Region Archangelsk am Weißen Meer verlegt.
Ein Versuch am 08. August 2019, einen nuklearbetriebenen Marschflugkörper, welcher bei einem Versuch bei Nenoksa ins Meer gestürzt war zu bergen, endete in einer Katastrophe. Bei einer Explosion, die von seismischen Stationen entdeckt wurde, kamen fünf russische Atomwissenschaftler und zwei Angehörige des russischen Verteidigungs-Ministeriums ums Leben.
Marschflugkörper «Burevestnik»
Insgesamt ist wenig über das genaue Design des nuklear angetriebenen Marschflugkörpers «Burevestnik» bekannt. Es wird jedoch angenommen, dass ein nuklear angetriebenes Triebwerk eingesetzt wird. Experten befürchten, dass es beim Testen einer Rakete, die von einem Kernreaktor angetrieben wird, zu einer Freisetzung radioaktiver Gase in die Atmosphäre während des Fluges kommen kann, da der Urankern über einen teilweise offenen Kühlkreislauf verfügt. Außerdem wird der kleine Reaktor beim Aufprall höchstwahrscheinlich zertrümmert und könnte Radioaktivität freisetzen.
Berichten zufolge beschleunigt der Marschflugkörper mit Raketenverstärkern auf eine optimale Geschwindigkeit. Danach bläst die sich schnell bewegende Luft über den heißen Reaktor und tritt aus einer Auslassdüse aus, um Schub zu erzeugen.
Unabhängig davon, wie es funktioniert, bietet ein voll funktionsfähiger «Burevestnik» – sollte er sich als technisch machbar erweisen – den Vorteil einer praktisch unbegrenzten Reichweite, was es äußerst schwierig macht, sich dagegen zu verteidigen.
Heiner Kubny, PolarJournal