Von Schneeschlitten und Eisbären | Polarjournal
Ruzica Dadic installiert den SnowMicroPen® zur Messung des Eindringwiderstands der Schneeoberfläche. Foto: Mario Hoppmann, AWI

Am 12. Oktober 2020 ist das Forschungsschiff «Polarstern» aus der Arktis zurückgekehrt. Ruzica Dadic war auf der letzten Etappe der MOSAiC-Expedition dabei und erklärt in diesem Logbuch-Eintrag unter anderem den Zusammenhang zwischen Eisbären und Schneeschlitten.

Wellington, Neuseeland, 15. Juli 2020, 4:30 Uhr: Heute beginnt die MOSAiC-Expedition für mich. In der Panik, etwas zu vergessen, wache ich früh auf und entscheide mich, noch einige Kneuel Wolle einzupacken, falls es mir auf dem Forschungsschiff «Polarstern» langweilig wird. In ein paar Stunden muss ich mich für dreieinhalb Monate von meinen drei Kindern verabschieden, und mein Magen macht ein paar «Purzelbäume».

…fastforward zum 12. August: Nach einem 36-stündigen Flug, zwei Wochen Quarantäne in Bremerhaven und zwei Wochen Schiffsreise auf dem Russischen Eisbrecher Akademik Tryoshnikov, erblicken wir endlich die Polarstern. Nach weiteren 3 Tagen hin und her zwischen den beiden Schiffen, wo Amy, die nun nach zwei MOSAiC-Fahrtabschnitten nach Hause geht, und ich Informationen austauschen können, geht es dann endlich los zu unserer neuen Eischolle.

Schneewissenschaftlerin Ruzica Dadic in der Arktis auf dem Weg zur Arbeit. Foto: Niklas Schaaf

…fastforward zum 20. August: Nach einem kurzen Abstecher zum Nordpol wachen wir eines Morgens auf, um uns nun an einer neuen Scholle wiederzufinden. Und siehe da: es gibt ja überhaupt keinen Schnee! Das weisse Zeug sieht zwar wie Schnee aus und fühlt sich wie Schnee an, ist aber die sogenannte «Streuschicht», die aus geschmolzenem Meereis besteht, aus der die Salzlake bereits ausgelaufen ist. Aber wir lassen uns dadurch nicht entmutigen und wollen uns ja gleich an die «Schneemessungen» machen. Ein kleines Problem ist aber noch da:

Wie packen wir den Berg von Schneeinstrumenten auf einen Schlitten?

Der Arbeitsweg im Detail: Im Schlepptau ein vollbepackter Schneeschlitten. Foto: Mario Hoppmann, AWI

Da ich bei den Messungen nicht immer helfende Hände zur Verfügung habe, sind mehrere Schlitten ja eher unpraktisch. Glücklicherweise haben uns unsere Kollegen aus Colorado einen ihrer grossen Schlitten ausgeliehen, und wir sind bereit für die Arbeit. Oder auf jeden Fall denken wir, dass wir bereit sind, denn das erstmalige Packen von dem Schneeprofil-Schlitten erfordert ein bisschen Vorstellungsvermögen, da das immer noch ein bisschen viel Zeugs ist, das auf den Schlitten gepackt werden sollte. Aber als pfiffige Schneewissenschaftlerinnen haben wir dann Ruckzuck die im Prinzip einzige Möglichkeit gefunden, um alle notwendigen Instrumente auf dem Schlitten unterzubringen.

Ruzica Dadic misst mit dem SnowMicroPen® den Eindringwiderstand der Schneeoberfläche. Foto: Lianna Nixon, AWI

Danach haben wir wochenlang Schneeprofile gemessen, bis eines Tages auf einmal ein Eisbär angerannt kam und alle auf das Schiff zurückgepfiffen wurden. Da beim Packen des Schneeschlittens Hochpräzisionsarbeit erforderlich ist, konnten wir diesen nicht rechtzeitig packen und mussten ihn auf der Eisscholle zurücklassen. Vom Schiff aus haben wir dann beobachtet, wie der Eisbär mit grossem Interesse an den Schneeinstrumenten herumschnüffelt hat. Dabei war uns Angst und Bange, dass er die empfindlichen Messgeräte oder gar die wertvollen Daten verzehren würde.

Unvorhergesehene Hilfe der „Einheimischen: Auch der Eisbär hatte alle Hände voll zu tun. Foto: Polarstern Chief Engineer

Zum Glück für uns (und zum Leidwesen unseres Kollegen) hat aber bald eine automatische Wetterstation die Neugier des Eisbären geweckt und er ist dorthin weitergezogen, um ein bisschen mit den lustigen Windmessgeräten zu spielen. Nachdem der Eisbär jedes einzelne Instrument auf unserer Scholle genau inspiziert hatte, wurde ihm langweilig und er ist schliesslich weitergezogen. Danach konnten wir unseren glücklicherweise unversehrten Schneeschlitten wieder zurück auf das Schiff holen. Der eine oder andere Eisbär hat uns dann auch ein noch ein paar Mal besucht und wir mussten noch des Öfteren unsere Messungen unterbrechen. Aber am Schluss hatten wir immer genug gute Schneemessungen und spannende Abenteuer.

Nahaufnahme der Schneeoberfläche auf der Eisscholle, mit der die «Polarstern» durch die Arktis driftete. Foto: Ruzica Dadic, SLF

Jetzt sind wir auf der Rückreise nach Bremerhaven, MOSAiC ist zu Ende, und wir sind für das nächste «Abenteuer» bereit: die Datenauswertung. Unsere Messungen sind wichtige Puzzlestücke, um die Rolle von Schnee auf Meereis und damit auch das Klima der Polargebiete besser zu verstehen. Und das freut dann auch den Eisbären.

Dr. Ruzica Dadic, Schneeforscherin des SLF und zurzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Victoria University Wellington (NZ) schreibt über die letzte Etappe der MOSAiC-Expedition und wie sie trotz Sommer Schnee auf dem Meereis untersuchte und auch Hilfe von Eisbären erhielt.

Mehr zum WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF findet man auf auf https://www.slf.ch/

Quelle: Medienabteilung des SLF

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