Der Antarktisvertrag sieht eigentlich den Schutz dieser letzten grossen Wildnis vor. Keine militärischen oder wirtschaftlichen Aktionen sollen jenseits des 60. Südlichen Breitengrades die Natur stören. Dazu wurden auch verschiedene Arbeitsgruppen und Komitees von Experten eingesetzt, darunter die CCAMLR, die Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources. Dieses soll sicherstellen, dass die Meeresgebiete rund um Antarktika nicht zu stark von menschlichen Aktivitäten beeinflusst werden und ein schonungsvoller Umgang mit marinen Ressourcen umgesetzt wird, inklusive Schutzgebiete. Doch wieder einmal konnten sich die Mitglieder der CCAMLR an ihrer diesjährigen Tagung nicht auf die Einrichtung von Schutzgebieten einigen.
Wieder waren es Russland und China, die sich im Gremium gegen ein Schutzgebiet ausgesprochen haben, wie die dpa berichtet. Ihre Bedenken, dass ein solches Gebiet hinderlich für die beschränkte Antarktisfischerei sei, konnten die Experten der Befürworterländer einmal mehr nicht aus der Welt schaffen. «Das Thema ist sehr komplex, und es ist schwer, so etwas auf virtueller Ebene zu besprechen», erklärt Stefan Hain vom Alfred-Wegener-Institut. «Wir müssen die Vorurteile und Bedenken Russlands und China ausräumen.» Dafür haben die Experten jetzt wieder ein Jahr Zeit, bis sich die CCAMLR wieder trifft.
«Uns läuft die Zeit davon»
Timo Packeiser, WWF
Für Umweltverbände zeugt die Haltung Russlands und Chinas, die in der Vergangenheit sich gegen praktisch alle Versuche einer Einrichtung von Schutzgebieten gestellt haben, von Verantwortungslosigkeit. «Beide Länder weigern sich, den fragilen Lebensraum der Antarktis zu schützen und wollen ihn weiterhin rücksichtlos ausbeuten», schimpft Thilo Maack von Greenpeace Deutschland. Auch der WWF ist der Ansicht, dass diese Haltung keinen Platz mehr hat in den Schutzbemühungen. «Uns läuft die Zeit davon», sagt der Experte des WWF, Timo Packeiser. Denn neben dem Klimawandel bedrohen auch Umweltverschmutzung und illegale Fischerei, besonders nach Krill, die einzigartige Meerestierwelt der Antarktis. Zwar schreibt die CCAMLR auf ihrer Webseite, dass man einen «signifikanten Fortschritt in Richtung neuem Ansatz zur Kontrolle der Krillfischerei» gemacht habe. Doch konkreter ist die Kommission nicht. Auch bei den restlichen Punkten, die diskutiert worden sind, wurden wohl nur kleine Schritte vorwärts gemacht. Beispielsweise wurde ein Schiff auf die Liste der am illegalen Fischfang beteiligten Schiffe von Vertragsstaaten gesetzt (ein russisches notabene), ohne dass jedoch Konsequenzen daraus entstanden wären.
Die Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources ist 1982 offiziell ins Leben gerufen worden und besteht aus 26 Mitgliedern des Antarktisvertragsbundes. Präsidiert wird die Kommission von Spanien zurzeit. Mehrere Arbeitsgruppen, die aus Experten bestehen, erarbeiten jedes Jahr Empfehlungen und Vorschläge, die zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt in den Gewässern rund um Antarktika dienen sollen. Daneben werden auch Quoten und Protokolle für die Fischerei festgelegt, besonders für Krill und Schwarzer Seehecht. Die Beschlüsse im Gremium müssen einstimmig am jährlichen Treffen in Hobart getroffen werden. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und Gruppierungen sind an den Treffen ebenfalls beteiligt, um für ihre Interessen zu werben und zu diskutieren. Besonders Umweltschutzgruppen wie Greenpeace, WWF und die ASOC (Antarctic and Southern Ocean Coalition) sind aktiv, um sich für Schutzgebiete in der Antarktis einzusetzen. In diesem Jahr fand das Treffen Corona-bedingt nur virtuell statt.
Dr. MIchael Wenger, Polarjournal