A-68A — der größte Eisberg der Welt — brach im Juli 2017 vom Larsen C – Eisschelf im Weddellmeer an der Antarktischen Halbinsel ab und ist seither etwa 1.400 Kilometer entlang der «Iceberg Alley» in Richtung Norden gedriftet. Aktuelle Satellitenbilder lassen vermuten, dass er auf die subantarktische Insel Südgeorgien treffen könnte, die politisch zum britischen Überseegebiet zählt. Eine Kollision des Giganten mit dem Naturparadies im Südatlantik wäre folgenschwer — A-68A ist mit etwa 150 Kilometer Länge und 48 Kilometer Breite etwas größer als Südgeorgien selbst.
Der Eisberg ist nur noch etwa 500 Kilometer von Südgeorgien entfernt und die Wahrscheinlichkeit, dass er in unmittelbarer Nähe der Insel strandet, scheint recht hoch. Allerdings ist es laut Dr. Sue Cook, Glaziologin vom Australian Antarctic Program Partnership, schwer vorherzusagen, welche Route er tatsächlich nehmen wird. «Er hat drei Jahre überdauert, was länger ist als erwartet», sagt sie. Wissenschaftler hatten damit gerechnet, dass er viel früher zerbricht. Doch obwohl zwei größere Stücke bereits abgebrochen sind — A-68B und A-68C — beträgt seine Fläche noch immer etwa 4.200 Quadratkilometer, von ursprünglich knapp 6.000 Quadratkilometern. Die Fläche Südgeorgiens liegt bei 3.700 Quadratkilometern.
Die Meerestiefen rund um Südgeorgien liegen zwischen 200 und 400 Metern. Somit könnte der Eisberg, der unter Wasser etwa 200 Meter dick ist, sehr nah an die Küste kommen, bevor er sich am Meeresboden verkeilt.
Sollte A-68A wirklich vor Südgeorgien auf Grund laufen, wäre dies eine ernsthafte Bedrohung für die vier dort brütenden Pinguinarten (Königspinguine, Eselspinguine, Zügelpinguine und Goldschopfpinguine) sowie für verschiedene Robbenarten (vor allem Südliche Seeelefanten und Antarktische Seebären). Der Eisberg würde aufgrund seiner massiven Größe die gewohnten Wege der Tiere zu ihren Jagdgründen blockieren.
Professor Geraint Tarling vom British Antarctic Survey (BAS) sagte gegenüber der BBC: «Betrachtet man Pinguine und Robben in der Zeit, die für sie wirklich entscheidend ist – während der Aufzucht von Jungtieren – kommt es auf die tatsächliche Entfernung an, die sie zurücklegen müssen, um Nahrung zu finden. Wenn sie einen großen Umweg machen müssen, bedeutet das, dass sie nicht rechtzeitig zu ihren Jungen zurückkehren können, um zu verhindern, dass diese in der Zwischenzeit verhungern.»
Als der Koloss A-38 im Jahr 2004 nordöstlich von Südgeorgien auf Grund lief, wurden unzählige tote Pinguinküken und junge Robben an den Stränden gefunden.
Hinzu kommt, dass alle Lebewesen, die am Meeresboden leben, von dem Eisberg niedergewalzt werden würden. Die Ökosysteme werden sich natürlich wieder erholen, so Professor Tarling. Doch bei diesem Eisberg besteht die Gefahr, dass er bei einer Strandung zehn Jahre lang dort liegen bleibt. «Und das würde einen sehr großen Unterschied machen, nicht nur für das Ökosystem Südgeorgiens, sondern auch für seine Wirtschaft», sagt er. Südgeorgien gilt unter Expeditionsreisenden als ein Highlight und könnte je nachdem, wo der Eisberg letztlich strandet, für Schiffe nur noch schwer oder gar nicht mehr erreichbar sein. Ebenso stellt er ein potentielles Hindernis für die Fischerei dar.
Es gibt jedoch auf positive Auswirkungen, die die Strandung eines Eisbergs mit sich bringt. Im Eis sind große Mengen Staub eingeschlossen, die beim Schmelzen ins Wasser abgegeben werden und so Nährstoffe für das Plankton liefern. Davon Profitieren in der Folge auch viele andere Lebewesen im Nahrungsnetz.
Nun hängt es von den Strömungen ab, welche Route A-68A nimmt. Dr. Peter Fretwell, Fernerkundungs- und Kartierungspezialist am BAS, sagt, dass alles möglich ist. «Die Strömungen sollten ihn in einer Schleife um das südliche Ende Südgeorgiens führen, bevor sie ihn dann entlang der Kante des Festlandsockels und zurück nach Nordwesten drehen. Aber es ist sehr schwierig, genau zu sagen, was passieren wird.»
Gelingt das durch die Strömungen diktierte Ausweichmanöver und der Eisberg bleibt nicht vor der Insel hängen, wird er wohl weiter nach Norden ziehen und in wärmeren und bewegteren Gewässern relativ schnell zerbrechen, so Dr. Andrew Fleming vom BAS.
Julia Hager, PolarJournal