Die Schweiz und Australien haben viele Berührungspunkte, wenn es um die Antarktis geht. An vorderster Stelle liegt sicherlich die Tatsache, dass mit der ersten australischen Antarktis-Expedition von Sir Douglas Mawson 1911 – 14 auch der erste Schweizer antarktischen Boden betreten hatte und ein wertvolles Mitglied der Expedition war. Nun haben die Schweiz und Australien ihre lange historische Zusammenarbeit im Forschungsbereich mit einem neuen Abkommen besiegelt. Die Unterzeichnung der Verpflichtungserklärung wurde gestern Corona-bedingt online feierlich begangen.
Das Abkommen zwischen der Australian Antarctic Division AAD und dem Schweizer Polarinstitut SPI wurde vom Leiter der für die antarktische Forschung in Australien verantwortlichen Australian Antarctic Division AAD, Direktor Kim Ellis, unterzeichnet. Online (aufgrund der COVID-Pandemie) waren der Schweizer Botschafter in Australien, Pedro Zwahlen, und die Leiterin des Swiss Polar Institutes, Danièle Rod, vertreten. Weitere Online-Gäste waren unter anderem Gabriela Schaepman-Strub, Vorsteherin des Wissenschafts- und Technologiebeirates, Dr. Martin Schneebeli, Leiter der Schneeforschungsgruppe am Schweizer Lawinenforschungsinstitut, Dr. Martin Vetterli, Rektor der EPFL Lausanne und weitere Exponenten der Schweizer Polarforschung und Wissenschaft. Stattgefunden hatte die Zeremonie im Hauptquartier der AAD in Hobart, Tasmanien in einem kleinen Kreis. Aufgrund der Pandemie sind auch in Australien, das seine Grenzen bis nächstes Jahr geschlossen halten will, Anlässe nur im kleinen Rahmen möglich.
In ihren Reden zum Abkommen hoben beide Seiten die vielen Gemeinsamkeiten in der Antarktis hervor. Australien und die Schweiz seien beides starke Befürworter des Antarktisvertragssystems, welches Antarktika als ein dem Frieden und der Forschung gewidmetes Naturreservat etabliere. Auch die Tatsache, dass seit bereits zwei Jahren beide Länder im Bereich der Kryosphären-Forschung durch das Internationale Weltraumforschungsinstitut und durch die Untersuchungen zu den Auswirkungen der globalen Meeresspiegelschwankungen auf Wolken und Niederschläge eine Zusammenarbeit bestehe, wurde hervorgehoben. Auch die Leiterin des SPI, Danièle Rod, erklärte, dass die Zusammenarbeit grosses Potential beinhalte und auch schon die erste Schweizer Antarktis-Expedition 2017 eine enge Kooperation zwischen den beiden Ländern existiert hatte. Und Botschafter Zwahlen betonte: «Am wichtigsten ist, dass Schweizer und australische Wissenschaftler, die die einzigartige Infrastruktur des AAD in der Antarktis und im Südpolarmeer nutzen, unser Verständnis über den Antrieb des Erdklimas verbessern werden.»
Die Schwerpunkte beider Länder werden sich vor allem auf die Klimaforschung (Wolken, Niederschläge) und die Eis- und Schneeforschung konzentrieren. Dabei können beide von den Erfahrungen der jeweilig anderen Seite profitieren. Denn die Schweiz ist mit der Universität Bern und dem Schweizer Lawinenforschungszentrum des WSL sehr prominent in der Kryosphärenforschung vertreten und von deren Expertise und Wissen auch Australien profitiert. Auf der anderen Seite erhält die Schweiz durch das Abkommen die Möglichkeit, verstärkt die Forschungseinrichtungen der Station Davis und des neuen Eisbrechers RV Nuyina zu nutzen plus sich noch stärker in die Eiskernbohrungsprojekte BEYOND EPICA und Million Year Ice Core Australiens einzubringen.
Die Schweiz und Australien sind nicht erst seit kurzem miteinander in der Antarktisforschung verbunden. Bereits 1911 beteiligte sich der Basler Xavier Mertz an der ersten australischen Expedition unter Sir Douglas Mawson. Als Skilehrer, Hundeschlittenfahrer, Fotograf und wissenschaftlicher Mitarbeiter machte sich Mertz einen Namen im Team. Dabei war er auch bei der Errichtung der ersten Forschungsstation auf Macquarie Island und auf dem antarktischen Kontinent mit dabei. Leider verstarb Xavier Mertz am 8. Januar 1913 auf einer dramatischen Rückkehr von einer Forschungsfahrt, die er mit Mawson zusammen unternommen hatte. Ihm zu Ehren benannte der Australier einen riesigen Gletscher, den Mertz-Gletscher, der auch heute noch weit ins Südpolarmeer ragt und davon zeugt, dass die Schweiz auch in die Antarktis gehört.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal