UPDATE: Wie wir von unserem Gastautor Dmitry Kiselev erfahren haben, ist ein Schaden an einem der vier Propellerblätter entstanden und hat das Schiff zum unfreiwilligen Stopp gezwungen. Mittlerweile haben Taucher aus Russland das beschädigte Blatt und ein weiteres Blatt entfernt. Damit wird das Schiff nun mit zwei Propellerblätter und entsprechend reduzierter Geschwindigkeit weiter in Richtung Süden fahren. Warum aber ein atombetriebenes Schiff überhaupt in die Antarktis fahren darf, ist eine Frage, die sich zwischenzeitlich viele Leute, auch Antarktisexperten, stellen. Wir werden dran bleiben.
Die Ankunft des atomgetriebenen Containerschiffes „Sevmorput“ war für Anfang November in der «Progress»-Station an der Küste der Prydz-Bucht geplant. Doch seit drei Wochen fährt die «Sevmorput» vor der angolanischen Stadt Luanda untypische Zick-Zack Kurse. Die «Sevmorput» kann bis zu 1.324 Container transportieren und ist unterwegs mit Modulen und Baumaterial für den Neubau der «Wostok»-Station in der Ostantarktis.
Wie die Onlineplattform des Barents Observer berichtet, wurde die Geschwindigkeit am 16. Oktober reduziert. Die «Sevmorput» fuhr einen Tag lang im Zickzack-Kurs, drehte dann nach Norden ab, als würde sie nach Hause fahren. Einen Tag später bewegte sich das Schiff wieder mit einer reduzierten Geschwindigkeit von 6-7 Knoten nach Süden. Die Reise ging entlang der Küste Afrikas weiter, aber in den letzten drei Wochen blieb die „Sevmorput“ unmittelbar vor dem angolanischen Hafen von Luanda. Sie fährt die ganze Zeit im Zickzack mit der gleichen reduzierten Geschwindigkeit.
Fragen von Barents Observer an die Reederei Rosatomflot über die Gründe das untypische Verhalten der «Sevmorput» wurden nicht beantwortet.
Eine Diskussionsgruppe auf dem Social-Media-Kanal Vkontakte gibt jedoch einen Einblick in die kritische Situation, in der sich das Frachtschiff vor der angolanischen Küste befindet. Ein Mitarbeiter des russischen Arktis- und Antarktis-Forschungsinstituts in St. Petersburg schreibt: „Soweit ich weiß, liegt eine Panne auf dem Schiff vor, die Taucher zu beheben versuchen. Es ist nicht klar, was genau das Problem ist, aber er schreibt, dass mit der Welle, den Propellern oder dem dazugehörigen Getriebe etwas passiert ist.
Wie der Barents Observer weiter berichtet, sind zusätzlich zur «Sevmorput» noch drei weitere Eisbrecher für Fahrten in die Antarktis eingeplant; die «Kapitan Dranitsyn», «Akademik Tryshnikov» und «Akademik Fedorov». Die beiden letzteren sollten St. Petersburg im Oktober verlassen, befinden sich aber immer noch mit der Besatzung in COVID-19-Quarantäne im Hafen.
Die «Kapitan Dranitsyn» verließ Murmansk am 27. September und schloss sich in der zweiten Oktoberwoche mit der «Sevmorput» im Atlantik zusammen. Der Eisbrecher wartete ein paar Tage und setzte aber bald seine Reise nach Süden fort. Der Eisbrecher fährt derzeit in den Gewässern von König Håkon VII vor der Küste von Königin Maud Land in der Antarktis nach Osten.
Module für die neue «Wostok»-Station an Bord
Die «Sevmorput» transportiert Module, Baumaterialien und schwere Lasten für die russische Station «Wostok» die im Innern des antarktischen Kontinents liegt. Die Module sollen bei der russischen «Progress»-Station an der Küste der Prydz-Bucht an Land gebracht werden. Der Transport ins Binnenland wird auf Transportschlitten von Traktoren gezogen werden. Ob die Verzögerung Auswirkungen auf den Transport und Bau der neuen Station hat lässt sich heute noch nicht abschätzen.
Die «Wostok»-Station ist am 16. Dezember 1957 eröffnet worden und liegt im Wilkesland in der Ostantarktis, zirka 1.287 km vom geographischen Südpol entfernt. Die Station wird durch einen jährlichen Treck von der an der Küste liegenden «Mirny»-Station über eine Schneepiste mit Lebensmitteln und 100–130 Tonnen Polardiesel versorgt.
Bei der «Wostok»-Station werden extrem niedrige Temperaturen erreicht. Am 21. Juli 1983 wurde mit −89,2 °C die bisher tiefste meteorologisch Lufttemperatur gemessen. Am 23. Juli 2004 wurde nordwestlich der Forschungsstation durch Satellitenmessungen eine Oberflächentemperatur von −98,6 °C registriert. Die Daten wurden mittels des Infrarotspektrometers MODIS an Bord des Satelliten Terra direkt auf der Eisoberfläche gemessen und sind von daher mit den an der Forschungsstation gemessenen Lufttemperaturen in der international üblichen Messhöhe von zwei Metern nicht direkt vergleichbar. Deshalb wurden diese Messwerte von der zuständigen Weltorganisation für Meteorologie nicht als Kälterekord anerkannt.
Heiner Kubny, PolarJournal