Kampf um Arktisches Schutzgebiet geht in heisse Phase | Polarjournal
Das Arctic National Wildlife Refuge ist das grösste Naturschutzgebiet in der US-amerikanischen Arktis. Doch an dessen Küstengebiet, dem North Slope liegen auch reiche Öl- und Gasvorkommen, die von der Trumpregierung zum Verkauf angeboten werden (1002 Area). Gleich daneben sind bereits Bohrungen im Gange und verursachen immer wieder Umweltprobleme. Bild: US Geological Survey

Als vor 3 Jahren die Trump-Regierung bekanntgab, dass sie wieder Bohr- und Förderrechte für Erdöl und -gas im grössten nationalen Arktisschutzgebiet freigeben will, ging ein Aufschrei des Entsetzens durch die Reihen der Umweltschützer. Widerstand formierte sich vor allem von Seiten indigener Völker wie der Gwich’in und Umweltverbänden. Doch auch auf der Gegenseite standen auch einheimische Inuitgruppen wie beispielsweise die Bevölkerung von Kaktovik, die sich mehr Arbeitsplätze und Infrastruktur versprachen. Daraus entstand ein Seilziehen zwischen den Fraktionen. Nun hat die Trump-Administration den Tritt auf das Gaspedal getätigt und will noch vor Ende der Amtszeit Trumps die Rechte versteigern. Aber der Widerstand hat schon reagiert.

Seit gestern Dienstag sind interessierte Gas- und Ölförderfirmen aufgerufen, ihre Angebote und Platzwünsche, wo sie die Rohstoffe fördern wollen, abzugeben. Dabei handelt es sich um die Gebiete, die am North Slope, also im Küstenbereich, des Arctic National Wildlife Refuge (ANWR) liegen. Diese neue Runde wird noch die kommenden vier Wochen offenbleiben, gemäss dem Büro für Landverwaltung der Regierung. Danach könnte sie eine Anzeige für den Pachtverkauf veröffentlichen, die für die darauffolgende Auktion 30 Tage später, notwendig ist. «Der Erhalt von Informationen aus der Industrie, welche Flächen für das Leasing zur Verfügung gestellt werden sollen, ist für die Durchführung eines erfolgreichen Leasingverkaufs von entscheidender Bedeutung», sagte Chad Padgett, der Alaska State Director des Büros, in einer Erklärung. Damit wäre die Regierung in der Lage, die Pachtverträge für die Förderrechte im ANWR noch innerhalb der präsidialen Amtszeit von Donald Trump zu vergeben. Dies war von Anfang an ein erklärtes Ziel der Regierung.

Im ANWR liegt eines der wichtigsten Refugien für eine der grössten Karibuherden Nordamerikas. Diese Herde spielt auch eine bedeutende Rolle für die einheimischen Gwich’in, einer der Inuit-Gruppen Alaskas. Sie haben seit 2017 den Kampf gegen die Beschlüsse aus Washington geführt und geben auch jetzt nicht auf. Bild: US Fish and Wildlife Service

„Wir haben diesen Ort seit jeher verteidigt.“

Bernadette Demientieff, Executive Director Gwich’in Steering Committee

Doch auch dieser schnelle Schritt der Trump-Regierung, der für einen weiteren Aufschrei innerhalb der Gegnerreihen gesorgt hat, bleibt nicht unbeantwortet. Mächtige Inuitverbände wie die der Gwich’in sind kämpferisch. Die Geschäftsführerin des Gwich’in Leitungskomitees, Bernadette Demientieff warnte in einer Veröffentlichung: «Jede Gesellschaft, die darüber nachdenkt, an diesem korrupten Prozess teilnehmen zu wollen, sollte wissen, dass sie sich vor den Gwich’in und den Millionen von Amerikanern die hinter uns stehen, verantworten müssen. Wir haben seit jeher diesen Ort verteidigt.» Auch Umweltverbände haben bereits mobil gemacht. Beispielsweise haben regionale Umweltverbände Klage gegen einen Entscheid des Büros für Landverwaltung für eine Förderprojekt eingereicht. Mithilfe solcher Schritte können die Möglichkeiten der Regierung, noch vor dem Amtsantritt des gewählten Joe Biden, Pachtverträge auszustellen, reduziert werden. Überhaupt bezweifeln Experten, dass sich die grossen Firmen überhaupt beteiligen werden. Zu gross ist das Risiko, einen weiteren Imageschaden zu erleiden und auch die massiven Kosten ein solches Projekt überhaupt durchzuführen sind enorm. Firmen kämpfen bereits jetzt mit sinkenden Ölpreisen und steigendem Gesichtsverlust. Auch zahlreiche Grossbanken haben bereits angekündigt, keine Kredite an Firmen für derartige Projekte zu gewähren.

Schon seit Jahren haben grosse Ölfirmen ihre Pläne, in der US-Arktis neue Förderstellen anzuzapfen, auf Eis gelegt. Die letzten, die es versucht hatten, war Shell mit ihrer Förderplattform Kulluk. Der Versuch scheiterte und bis in diesem Jahr blieben die Pläne in der Schublade. Doch Shell will noch einmal einen Neustart im offiziellen Fördergebiet Alaskas wagen. Bild: Petty Officer 3rd Class Jonathan Klingenberg, USCGS

Trotzdem besteht kein Grund für Optimismus. Denn nicht alle Inuitverbände sind derselben Meinung wie die Gwich’in. In Kaktovik, einem 250-Seelen Dorf mitten im umkämpften North Slope-Gebiet, will die Arctic Slope Regional Corporation Pläne für eine mögliche eigene Förderung des fossilen Brennstoffes nicht begraben. Denn der Präsident der Vereinigung, Rex A. Sock Senior, glaubt, dass diese Möglichkeit Arbeitsplätze bringen würde und durchaus sicher und verantwortungsbewusst durchgeführt werden könnte, wie die Washington Post schreibt. Der Aspekt der Arbeitsplätze wiegt schwer im Streit um die Förderrechte. Denn in Alaska sind seit Anfang des Jahres rund ein Drittel aller Arbeitsplätze in der Öl- und Gasindustrie aufgrund sinkender Preise und COVID verlorengegangen. Dies sind immerhin knapp 3’000 Stellen gewesen und markieren einen Tiefpunkt in den Zahlen des Staates Alaska. Und eine Erholung ist kaum absehbar, meint ein Wirtschaftsexperte gegenüber Alaska Public Media.

Ausserdem steht das Gesetz auf Seiten der Befürworter, wie Experten erklären. Denn der US-Kongress hatte 2017 ein entsprechendes Bundesgesetz verabschiedet, damals noch mit republikanischer Mehrheit im Repräsentantenhaus. Zwar hat Joe Biden und sein Stabschef Ron Klein bereits angekündigt, politische Entscheidungen seines Vorgängers rückgängig zu machen, wozu wohl auch die Rohstoffförderung im ANWR gehören könnte. Doch angesichts einer eventuellen republikanischen Mehrheit im Senat, dürfte dies eine schwierige Angelegenheit bleiben, mit der sich wahrscheinlich die Gerichte weiterhin befassen dürfen, den lachenden Dritten in diesem Kampf.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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