Nunavut im hohen arktischen Norden Kanadas hatte mit dem Beginn der COVID-Pandemie seine Grenzen geschlossen und strenge Sicherheitsmassnahmen eingeführt. Mit Erfolg, denn während im restlichen Kanada die Fallzahlen stiegen, blieb das Territorium von Infektionen verschont. Auch die zweite Welle, die seit Anfang Herbst durch die Welt zieht, schien zunächst dank den Massnahmen an Nunavut abzuprallen. Nur in abgeschotteten Minen waren COVID-Fälle aufgetreten, die jedoch die Bevölkerung nicht betroffen hatten. Doch die Glückssträhne ist seit vergangener Woche vorbei: COVID hat auch Nunavuts Bevölkerung erreicht.
Seit vergangenem Mittwoch der erste Fall in der kleinen Gemeinde Sanikiluaq verzeichnet worden war, sind die Zahlen der entdeckten Fälle in die Höhe geschnellt. Besonders im Zentrum steht die Gemeinde Arviat, 1’300 Kilometer von der Hauptstadt Iqaluit entfernt. Hier sind durch das schnelle Contact Tracing und die dann ausgeführten Tests insgesamt 54 COVID-positive Personen aufgelistet. Weitere Fälle verzeichnen aber auch die Orte Rankin Inlet, Whale Cove und eben Sanikiluaq wie Nunatsiaq News auf seiner Webseite berichtet. Abgesehen von letzterem Ort liegen alle Orte nahe beieinander an der Westküste der Hudson Bay.
«Das ist es jetzt, Leute. Es ist Zeit, aufzustehen und gegen COVID-19 zu kämpfen»
Joe Savikataaq, Premierminister von Nunavut
Die Behörden gehen davon aus, dass das Virus durch eine oder mehrere Personen, die in Winnipeg im benachbarten Manitoba gewesen waren, eingeschleppt worden sein könnte. Zwar müssen alle Einwohner eine 2-wöchige Quarantäne durchlaufen, bevor sie nach Nunavut zurückkehren dürfen. Doch der Gesundheitsverantwortliche von Nunavut, Dr. Michael Pattinson erklärte in einer Konferenz am Montag, dass der Ausbruch scheinbar mit dem Quarantäne-Hotel in Winnipeg in Verbindung stehe. «Wir wissen aber noch nicht wie es geschehen ist oder wo», sagte er. «Unsere erste Priorität ist es jetzt, den Ausbruch unter Kontrolle zu bringen.» Daher haben die Behörden schnell reagiert und seit gestern einen Lockdown für das gesamte Territorium ausgesprochen. Dies bedeutet eine Schliessung aller Schulen und nicht-essentieller Geschäfte, Home Office für die meisten Arbeiter, Absagen aller Anlässe und die Gesundheitszentren und das einzige Krankenhaus in der Region sind nur für Notfälle geöffnet. Im Prinzip gelten dieselben Massnahmen wie im März erklären Dr. Pattinson und Premierminister Joe Savikataaq an einer Pressekonferenz gestern. «Das ist es jetzt, Leute. Es ist Zeit, aufzustehen und gegen COVID-19 zu kämpfen», erklärte der Premier. Neben dem Lockdown sind auch Masken, Desinfektionsmittel und weitere Hygienegüter und Geusndheitspersonal in die betroffenen Orte geschickt worden.
Michael Pattinson erklärte auch an der Konferenz, dass das regionale Gesundheitssystem mit den Fällen zwar noch umgehen kann, da die bisherigen Patienten alle nicht schwere Symptome zeigen. Doch er erklärte, dass die Kapazität der Versorgung bereits «ausgedehnt sei». Gegenwärtig sei man aber auf dem Weg, die Lage unter Kontrolle zu bekommen, da es ausserhalb von Arviat keine Hinweise auf eine Ausbreitung in den Gemeinden gäbe. Trotzdem sind viele Bürger sind besorgt über den Ausbruch, aber auch über den Lockdown, besonders jetzt mit Beginn der dunklen Jahreszeit, wie sich auf der Konferenz am Montag gezeigt hat. Dort hatten Bürger die Möglichkeit, Fragen und Bedenken an Premier Savikataaq und Chief Officer Dr. Michael Pattinson zu richten, schreibt Nunatsiaq News.
Warum Winnipeg für Nunavut wichtig ist
Auch bezüglich der möglichen Herkunft des Ausbruchs haben sich viele Leute geäussert, denn Winnipeg spielt eine wichtige Rolle, besonders für schwangere Frauen. Denn die grösste Stadt der Provinz Manitoba liegt näher für viele Menschen und ist besser für Schwangere ausgerüstet als Iqaluit. Auch schwere Gesundheitsfälle können besser in der rund 750’000 Menschen zählenden Metropole behandelt werden. Bis auf weiteres können daher Schwangere trotz Lockdown für Geburten nach Winnipeg reisen, obwohl auch in Manitoba die COVID-Welle noch tobt und das Gesundheitssystem dort am Anschlag ist. Doch sowohl Pattinson wie auch Premier Savikataaq sind hoffnungsvoll, dass die bestehenden Massnahmen wirken werden und sie appellieren an die Bevölkerung, das jetzt durchzustehen und sich an die Regeln zu halten, damit die Situation bald ausgestanden ist. Denn man stecke da gemeinsam drin und komme auch nur gemeinsam wieder heraus.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal