Der Vorschlag für das Gesetz wurde vom Buchprüfer der staatlichen Bankenaufsichtsbehörde, Brian Brooks, vergangenen Freitag eingebracht und steht nun bis zum 4. Januar der Öffentlichkeit zur Einsicht und zur Kommentierung bereit. Das Gesetz sieht vor, Banken die Möglichkeit zu nehmen, die Finanzierung von Projekten zu verweigern, «sofern dies nicht durch das quantifizierte und dokumentierte Versäumnis dieser Person gerechtfertigt ist, die von der versicherten Bank im Voraus festgelegten quantitativen, unparteiischen risikobasierten Standards zu erfüllen. Die Entscheidung der versicherten Bank, einer Person eine dieser Dienstleistungen zu verweigern, darf nicht die Berücksichtigung der Meinung der Bank (oder der Meinung ihrer Mitarbeiter oder Kunden) zu der Person, der rechtlichen Geschäftstätigkeit der Person oder einer rechtmäßigen Tätigkeit, in welche die Person engagiert ist oder sich engagiert hat, beinhalten.», wie es im vorgeschlagenen Gesetzestext heisst. Damit würden Banken gezwungen, die Kreditvergabe auch Projekten, die zwar finanziell sicher, aber nicht unbedingt nachhaltig sind, zu gewähren. De facto handelt es sich also um einen Zwang, dass eine Bank entgegen ihrer Nachhaltigkeitstandards handeln muss.
Angestossen wurde das Ganze durch einen Brief, den republikanische Parlamentsmitglieder im Senat und Repräsentantenhaus aus Alaska im Juni an die Bankenaufsichts- und andere Behörden geschrieben hatten. Darin beschwerten sie sich über die Entscheidung verschiedener Grossbanken, die Förderprojekte im North Slope-Gebiet Alaskas nicht finanzieren zu wollen. Ihrer Meinung nach waren die Entscheide unfair und unrechtmässig gefällt worden und stellen eine Diskriminierung derjenigen First Nations-Gruppen dar, die für eine Förderung sind und in ihrer Zukunft und Lebensgrundlage durch die Entscheide gefährdet seien. Brooks erklärte nun bei der Vorstellung des Entwurfs, dass die Behörde die Diskriminierungsvorwürfe nicht untersucht habe, aber im Verlaufe der Analysen entdeckt habe, dass die Banken nicht nur die Ölprojekte, sondern auch Kohleabbau- und Waffenproduktionsprojekte abgelehnt hätten, wie Arctic Today schreibt.
Ob das Gesetz jedoch von langer Lebensdauer sein wird und überhaupt einen grossen Einfluss auf die Entscheidungen der Banken haben wird, sei dahingestellt. Denn zum einen muss es in einer Art «Last minute»-Verordnung durchgeboxt werden, um in der Amtszeit von Noch-Präsident Trump in Kraft zur treten. Und der gewählte Präsident Joe Biden hat bereits verlautbaren lassen, dass ab Tag 0 seiner Präsidentschaft, also ab dem 20. Januar, zahlreiche Entscheide der gegenwärtigen Regierung auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls rückgängig gemacht werden. Die Erteilung von Bohrrechten im ANWR gehört auf jeden Fall mit dazu. Der Schutz dieses Arktisgebietes war ein Wahlkampfversprechen und eine Herzensangelegenheit von Joe Biden und Kamala Harris. Zum anderen haben die Banken immer noch die Möglichkeit, das Gesetz zu ihrem Vorteil auszunutzen und zu zeigen, dass ihre Entscheidungen in erster Linie auf finanziellen Gesichtspunkten und auf Risikobewertungen und nicht auf politischen oder sozialen Faktoren beruht hatten. Ausserdem betrifft das Gesetz nur US-Grossbanken, die über ein Vermögen von mehr als US$ 100 Milliarden verfügen.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal