Arktische Gletscher beeinflussen Antarktika | Polarjournal
Der ostantarktische Eisschild bedeckt einen Grossteil des antarktischen Kontinents und beeinflusst damit seine Reaktion auf die globale Erwärmung. An seinen Rändern münden Gletscher und riesige Eisschelfs (Bild) ins Meer. Trotzdem haben Forscher festgestellt, dass einige Bereiche bereits Veränderungen zeigen. Und die hängen wahrscheinlich mit den Geschehnissen in der Arktis zusammen. Bild: Michael Wenger

Die beiden Polregionen Arktis und Antarktis sind eigentlich zwei ganz unterschiedliche Regionen und liegen auch beinahe 40’000 Kilometer auseinander. Auch auf die gegenwärtigen klimatischen Veränderungen reagieren die beiden Regionen unterschiedlich. Während die Arktis fast einheitlich wegschmilzt, zeigen West- und Ostantarktis verschiedene Reaktionen. Vor allem die Ostantarktis mit ihrem grösseren Eisschild scheint immer noch stabiler zu sein. Doch die Geschehnisse in der Arktis beeinflussen den Eisschild mehr, als bisher angenommen, wie zwei unabhängige Studien zeigen können.

Beide Studien, die kurz hintereinander veröffentlich worden sind, konnten zeigen, dass in der Vergangenheit durch das Schmelzen der arktischen Gletscher aufgrund von Klimaveränderungen, die antarktischen Eisschilde auch negativ beeinflusst worden waren. Der Hauptfaktor dabei war der Verlauf des Meeresspiegels, der durch das Schmelzen von Gletschern in der Arktis schnell anstieg. Dadurch gelangte wärmeres Wasser bis in die Antarktis und liess die Ränder der Eisschilde von unten her abschmelzen. Dadurch brachen riesige Eisberge ab, die im umliegenden Südpolarmeer abschmelzen und den Effekt verstärken.

Eisberge, die von den Gletscherzungen und Eisschelfs abbrechen, bestehen aus Süsswasser. Wenn die Gletscher wachsen, binden sie so das auf der Erde zirkulierende Wasser (durch Niederschläge) und halten den Meeresspiegel tief. Wenn sie schmelzen, werden diese Wassermengen wieder dem Meer zugeführt, was einen, je nach Schmelztempo der Gletscher und Eisschilde, raschen Anstieg des Meeresspiegels mit sich bringt. Bild: Michael Wenger

Die eine Studie, die von Natalya Gomez von der McGill Universität und ihren Kollegen letzte Woche in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht worden ist, simulierte das Verhalten von Eisschilden und Meeresspiegel mithilfe von zahlreichen geologischen Daten aus Sedimentproben aus dem antarktischen Meeresboden und Bodenproben und -datierungen von freigelegten Böden in Antarktika. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf den Zeitraum von 26’000 – 20’000 Jahren. Das war die Zeitspanne, als sich die letzte Eiszeit aufgebaut hatte. «Wir entdeckten sehr unterschiedliche Signale von Eismassenverluste in den vergangenen 20’000 Jahre, die von Eisbergen stammten, welche von der Antarktis abgebrochen sind und im umgebenden Ozean abschmolzen», erklärt Mitautor Michael Weber von der Universität Bonn. «Diese Beweise konnten kaum mit bestehenden Modellen in Einklang gebracht werden, bis wir erklären konnten, wie die Eisschilde in beiden Hemisphären weltweit miteinander interagieren.» Ihre Simulation bewies, dass der Meeresspiegel die Verbindung zwischen den Ereignissen in der Arktis und der Antarktis war. «Eisschilde können sich über grosse Strecken durch das Wasser, dass zwischen ihnen fliesst, gegenseitig beeinflussen», erklärt Natalya Gomez. «Es ist, als ob sie durch die Meeresspiegelveränderungen miteinander sprechen.»

In der Erdvergangenheit schwankten die Meeresspiegel aufgrund der Vergletscherung der Kontinente immer wieder. Jetzt schmelzen die Gletscher der Arktis aber mit einer Geschwindigkeit, die nur mit den natürlichen Zyklen nicht mehr erklärt werden können. Dabei steigt der Meeresspiegel an und transportiert Wassermengen bis in die weit entfernte Antarktis. Bild: Michael Wenger

Die zweite Studie, die von Dr. Kim Jakob und einem deutsch-britischen Team durchgeführt worden ist, untersuchte Sedimentproben aus dem Atlantik, die im Rahmen eines multidisziplinären Bohrprogrammes gewonnen worden waren. Mithilfe dieser Proben gelang es der Gruppe, die Veränderungen des globalen Meeresspiegels im Zeitraum von 2.8 – 2.4 Millionen Jahren zu rekonstruieren. In diesem Zeitraum sanken die CO2-Konzentrationen von einem Niveau, welches wir bald erreichen werden, auf Werte, die unserer vorindustrialisierten Welt entsprachen. Dabei zeigten die Resultate, dass zu Beginn die Meeresspiegel Höchststände erreicht hatten und dies in erster Linie durch das Abschmelzen der Gletscher auf der Nordhalbkugel verursacht worden war. Gleichzeitig fanden die Forscher heraus, dass der ostantarktische Eisschild während dieser Zeit auch abschmolz. Als der globale Meeresspiegel wieder anstieg, stabilisierte sich der Eisschild. Ihre Modelle zeigten dabei, dass nicht alleine die Sonneneinstrahlung und die CO2-Konzentration als Faktor für dieses Verhalten in Frage kam, sondern eben auch der Meeresspiegel. Denn durch das Absinken des Meeresspiegels, so schreiben die Autoren, wurden die Ränder des Eisschildes weniger den warmen Wassermassen ausgesetzt. Beide Studien warnen, dass die gegenwärtige Situation die antarktischen Eisschilde wieder destabilisieren können.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Links zu den Studien:

Gomez, N., Weber, M.E., Clark, P.U. et al. Antarctic ice dynamics amplified by Northern Hemisphere sea-level forcing. Nature 587, 600–604 (2020). https://doi.org/10.1038/s41586-020-2916-2

K.A. Jakob, P.A. Wilson, J. Pross, T.H.G. Ezard, J. Fiebig, J. Repschläger, O. Friedrich: A new sea-level record for the Neogene/Quaternary boundary reveals transition to a more stable East Antarctic Ice Sheet. PNAS (2020). https://doi.org/10.1073/pnas.2004209117

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